Comptes-rendus d'événement
In Großbritannien wird die Erinnerung an den 1. Weltkrieg seit 1920 - in Anlehnung an das Gedicht von John McCrae „In Flanders Fields“ - mit der Mohnblume als Symbol für die Gefallenen und dem sog. Poppy Day am 11.11. wach gehalten. Der kanadische Arzt und Poet McCrae hatte das Gedicht am 3. Mai 1915 geschrieben, nachdem er an der Beerdigung eines gefallenen Freundes teilgenommen hatte. Frau Dr. Siebrecht erklärte, dass dem Poppy Day über die Jahrzehnte hinweg bis in die Gegenwart hinein höchste Akzeptanz und Aufmerksamkeit entgegen gebracht wird .
In dem Internationalen Symposium ‚Erster Weltkrieg – Erinnerung und Gedenken an den „Großen Krieg“’, das vom 27.–28.6.2014 auf Usedom stattfand, wurden zahlreiche Unterschiede im Umgang mit dem Gedenken an den 1. Weltkrieg herausgearbeitet.
In Frankreich – so Colonel Schmitt – spiele die Erinnerung eine große Rolle. So sei es eine absolute Selbstverständlichkeit, dass anlässlich des 100. Jahrestag des 1. Weltkrieges die französische Regierung eine Kommission eingesetzt habe, um zahlreiche Gedenkveranstaltungen für den Zeitraum 2014-2018 vorzubereiten und durchzuführen.
In Deutschland hingegen sei der Umgang mit dem 1. Weltkrieg weitaus schwieriger. Nach dem 2. Weltkrieg habe eine Zäsur der Überlagerung stattgefunden. Dr. Reitz wies darauf hin, dass erinnerungskulturell der 1. Weltkrieg durch das monströse Geschehen des Nationalsozialismus weitestgehend überlagert worden sei. Nach unterschiedlichsten Entwicklungen in der alten Bundesrepublik Deutschland und der DDR sei mit der deutschen Einheit die Gelegenheit und Notwendigkeit entstanden, sich im Hinblick auf nationale Formen des Erinnerns neu zu orientieren.
Auch in Russland habe man sich nur ungern an den Ersten Weltkrieg erinnert. Dies sei ideologisch begründet, der Krieg habe zum Zerfall des Russischen Imperiums geführt. Obwohl Russland zur Koalition der Siegermächte gehörte, werde der Krieg als imperialistisch und erfolglos bewertet. Gleichwohl beginne Russland allmählich – so Alexander Milyutin von der russischen Botschaft – sich dem 1. Weltkrieg neu zuzuwenden. Ende 2012 ist der 1. August zum Gedenktag für die russischen Gefallenen des 1. Weltkriegs erklärt worden. Ein weiteres wichtiges Ziel sei die innergesellschaftliche Aussöhnung.
In der Türkei werde das Gedenken an 100 Jahre Erster Weltkrieg kaum wahrnehmbar ausfallen. Ein wesentlicher Grund ist nach Einschätzung von Prof. Leidinger, dass das Osmanische Reiche als Folge des 1. Weltkriegs zerschlagen wurde. Eine größere Resonanz könne 2015 anlässlich des Gedenkens an den Sieg von Canakkale vor 100 Jahren erwartet werden. Völlig ungewiss seien die Reaktionen auf die hundertste Wiederkehr des ‚Völkermords’ an den Armeniern.
In den USA ist der Erste Weltkrieg aus der Erinnerungskultur weitestgehend verschwunden. Diese Auffassung vertrat Prof. Grabbe von der Universität Halle. Weitaus bedeutender für das amerikanische Selbstverständnis seien der amerikanische Bürgerkrieg und der Zweite Weltkrieg gewesen.
Ganz anders die Wahrnehmung des. 1. Weltkriegs in Polen. Frau Dr. Woniak wies darauf hin, dass zwar - aufgrund der Aufteilung Polens zwischen Preußen, Österreich und Russland im späten 18. Jht. - viele Polen wie in einem Bruderkrieg gegeneinder gekämpft hatten. Zugleich wurde der Krieg aber auch als Chance für einen Neuanfang des polnischen Staates gesehen.
Eine zentrale Quintessenz des Symposiums war, dass die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit der institutionalisierten Erinnerungskultur unerlässlich ist. Diese geschichtspolitische Aufgabenstellung beinhaltet nicht nur eine Selbstvergewisserung und steht im Dienste einer Sinngebung, sondern bedeutet zudem eine Überprüfung und Benennung aktueller Werteorientierungen.