Comptes-rendus d'événement
Die Causa Wulff und der Umgang der Öffentlichkeit mit ihr war vielleicht nicht der Anfang, ganz sicher aber der bis dato negative Höhepunkt einer Entwicklung, die einer Hexenjagd gleichkam. Und diese scheint trotz aller Selbstkritik bei dem einen oder anderen Akteur von damals noch längst nicht zu Ende zu sein. Die Namen Dieter Nuhr, Marina Weisband, Susanne Gaschke, Peer Steinbrück stehen stellvertretend für die letzten prominenten Opfer medialer Wucht. Aktuell hat Martin Winterkorn zu spüren bekommen, was es bedeutet, ganz oben und ganz unten zu sein.
„Ganz oben. Ganz unten.“ so lautet auch der Titel des Buchs, in dem Wulff - ohne Schaum vor dem Mund – versucht, sachlich zu beschreiben, wie er die Dinge damals erlebt hat. Drei ein Halb Jahre nach seinem Rücktritt aus dem Amt des Bundespräsidenten steht an diesem Montagabend auf Einladung des Politischen Bildungsforums Niedersachsen im Schloss Herrenhausen in Hannover ein nachdenklicher und aufgeräumter Christian Wulff vor den Zuhörern, der durch und durch glaubhaft berichtet, dass das Thema für ihn aufgearbeitet und das Kapitel abgeschlossen ist. Er sei gelassener geworden, sagt er und schiebt hinterher: „Für mich ist der Freispruch wichtig gewesen, dass nichts hängengeblieben ist.“
So rehabilitiert hat Wulff jetzt eine Mission. Er will über die Exzesse in Medien und Justiz und das Schweigen der Politik eine Debatte führen, zum Nachdenken anregen. Er will aufrütteln, dass die Dinge eben nicht Schwarz oder Weiß sind, dass es dazwischen auch ganz viel Buntes gibt. „Ich wünsche mir, dass wir Lehren ziehen aus dem Erlebten. Dass wir zukünftig in ähnlichen Fällen anders miteinander umgehen. Hüten wir uns vor persönlichen Herabsetzungen. Sie führen dazu, dass Menschen sich zurückziehen. Menschen, deren Einsatz wir dringend brauchen“, so Wulff.
„Wie können wir es besser machen?“ fragt Wulff und schlägt die Brücke hin zur Demokratie. Ungarn, die Türkei und die Weimarer Republik fallen. Für ihn Beispiele, dass Demokratien kippen können. Große Sorgen mache er sich, wenn er in den Zeitungen überwiegend von korrupten Politikern, versagenden Eliten, Tölpeln und Fehlervermeidern lese. Bei aller notwendigen Kontrolle und Kritik durch die Medien: „Wir brauchen auch Leute, die es machen wollen. Nicht nur solche, die nicht auffallen wollen, überleben wollen, nicht stattfinden, nicht gejagt werden wollen.“ Demokraten dürften den Spaß bei der Sache nicht verlieren und nicht überwiegend Frust erfahren, so Wulffs Warnung. Denn, „wenn es in der Küche immer heißer wird, dann wird es vielleicht so heiß, dass nur noch Bestimmte überhaupt darüber nachdenken, in der Küche zu bleiben oder in die Küche, in die Demokratie und in die Mitwirkung zu gehen“. Sein Fall sei daher kontraproduktiv gewesen. „Man hat nicht mir geschadet, man hat sich selber geschadet.“
Es ist die Debattenkultur in Deutschland, um die sich Wulff sorgt. Immer häufiger gebe es Mainstreams. Zwischentöne würden medial immer schwerer vermittelbar. Das habe zur Folge, dass man entweder ganz dabei sei oder man sich fast schon ins Unrecht setze. Doch die Wirklichkeit sei differenziert. Gerade heute werde deutlich, dass Gutmenschentum auf der einen Seite und eine starre Abschottung auf der anderen nicht weiterführten. Dazwischen liegt die richtige Position, so Wulff über die Diskussion um den richtigen Weg aus der Flüchtlingskrise.
„Das war es dann für mich. Ich habe mein Buch geschrieben“, so Wulff abschließend. Er habe eine Debatte angestoßen, die nun andere weiterführen müssten, schon weil es immer schlecht sei „als Teil eines Themas selber mit diesem Thema herumzulaufen“. Er wolle sich zukünftig noch wichtigeren Themen widmen. Beispielhaft nannte er die Entwicklung in Nordafrika oder die Freundschaft zur Türkei.