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Comptes-rendus d'événement

"Brot, Freiheit, Gerechtigkeit"

de Jan-Niklas Kuhfahl

Dr. Andreas Jacobs über Ägyptens Perspektiven nach dem Arabischen Frühling

Zum Thema „Wohin steuert Ägypten? – Perspektiven nach der Arabellion“ sprach Dr. Andreas Jacobs, KAS-Auslandsmitarbeiter in Ägypten von 2007 bis 2012, beim Bückeburger Mittagsgespräch vor rund 150 Gästen.

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Als „verlorene Zeit“ bezeichnete Dr. Andreas Jacobs die Zeit unter Präsident Hosni Mubarak (1981-2011), die vor allem durch Klientelismus und Patronage sowie Bürokratie und Bildungsmisere gekennzeichnet sei. Die Regierungszeit von Mubarak habe politisch nichts verändert „außer ein par Shoppingmalls“. In den 80er und 90er Jahren habe sich auch das Militär weitgehend aus der Politik zurückgezogen, jedoch weiterhin im Hintergrund die Fäden gezogen.

In seinem Vortrag kam Dr. Andreas Jacobs auch auf die Ursachen der Unruhen am 25. Januar 2011 auf dem Kairoer Tharir-Platz und in anderen ägyptischen Städten zu sprechen: Zum einen seien niedrige Löhne, steigende Preise und geringe Partizipationsmöglichkeiten für die fehlenden Perspektiven der jungen Menschen verantwortlich zu machen. Andererseits habe die Drangsalierung und Unterdrückung der Zivilbevölkerung durch Polizei und Geheimdienste sowie Korruption und politische Stagnation dazu geführt, dass Tausende Menschen auf den Straßen für „Brot, Freiheit und Gerechtigkeit“ demonstriert haben.

Am 3. Februar 2011 habe sich die Lage weiter dramatisch zugespitzt, als sich Gegner und Anhänger des Mubarak-Regimes im Zentrum von Kairo Straßenschlachten geliefert haben und das Militär nicht eingeschritten ist. Als Gründe für das Nichteinschreiten seien Unzufriedenheit im Militär über Machtansprüche der Mubarak-Familie sowie über Hierarchien und die Armeeführung ausschlaggebend, so Dr. Jacobs. Das Militär wolle vielmehr Privilegien, Besitz und Mitspracherechte bewahren, nach dem Motto „herrschen, aber nicht regieren“.

Das Militär habe sich die Rufe der Demonstranten nach „Hau ab, Mubarak“ zu Nutze gemacht, indem sie Präsident Mubarak gewissermaßen „geopfert“ haben, um selbst an der Macht zu bleiben und im Rahmen von SCAF (Oberster Rat der Streitkräfte) selbst die Regierungsgeschäfte zu übernehmen. Dieser Schritt habe jedoch nur dem Systemerhalt gedient, nicht dem Systemwandel.

Die Zeit von März 2011 bis Juni 2012 betitelte Dr. Andreas Jacobs als „schwierigen Übergang“, bei dem die Vergangenheitsbewältigung, der Streit um die Verfassung sowie innenpolitische Unruhen im Fokus standen. Den Machtkampf und die Machverteilung zwischen Mubarak-Anhängern und Muslimbrüdern haben letztendlich die Islamisten für sich entschieden, wobei die Wahl von Mohammed Mursi mit 51,5% überraschend knapp ausgefallen sei.

Als politische Herausforderung nannte Dr. Jacobs das Herstellen von Stabilität und Sicherheit, das durch eine bessere Versorgungslage, Preisstabilität, mehr Jobs und Perspektiven zu erreichen sei. Zudem spiele der Minderheitenschutz und Rechtssicherheit eine Rolle, da vor allem die Minderheit von 5-8 Millionen Christen Ängste plagen und viele das Land verlassen könnten. Eine weitere außenpolitische Herausforderung stellen die Beziehungen zu den USA und Israel dar, wobei die Halbinsel Sinai ein verbindendes Projekt zum Staat Israel darstelle.

Dr. Jacobs stellte drei mögliche Szenarien für die künftige Entwicklung Ägyptens vor: Die erste sei ein „Klientelstaat der Muslimbrüder“, bei dem die Muslimbrüder den „tiefen Staat“ übernehmen und das Militär zurückdrängen bzw. eindämmen. Die zweite Variante seien „Interne Machtkämpfe“, bei denen die Muslimbrüder mit sozialen und wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen haben und die Balance zwischen Militärs und Islamisten nicht gelingt. Eine mögliche Folge könne ggf. ein weiterer Militärputsch sein. Als drittes und von ihm favorisiertes Szenario stellte Dr. Jacobs ein „Islamisches/autoritäres Transformationssystem“ vor, bei dem sich alternative politische Akteure etablieren.

Auf besonderes Interesse stießen die Umstände der Festnahme des Leiters des Kairoer Büros Dr. Jacobs, bei dem auch sein Computer und das Equipment beschlagnahmt wurden. Gegen ihn und eine weitere Mitarbeiterin wurde in Ägypten Anklage erhoben und ein Ausreiseverbot verhängt, das jedoch kurze Zeit später aufgehoben worden ist. Laut der Anklage drohen bis zu 7 Jahre Zuchthaus.

Weitere Informationen finden Sie in der gerade erschienenen Studie "Islamische Akteure in Nordafrika": /de/einzeltitel/-/content/islamische-akteure-in-nordafrika1

Jan-Niklas Kuhfahl (FSJ Politik Niedersachsen)

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Interlocuteur

Jörg Jäger

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