Im Rahmen des Projektes „Gemeinsam.Demokratie.Gestalten.“ gab es passend zum bevorstehenden Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union (Brexit) am 21.01.2020 eine Diskussionsrunde zum Thema „Brexit – a never ending story?“ in der Rattenfängerstadt Hameln. Nach der Begrüßung des Projektreferenten Manuel Ley, begann Alexander Voß von der Universität Göttingen mit seinem Inputvortrag, um eine thematische Grundlage für den Abend zu schaffen. In diesem beschrieb er die historischen Gegebenheiten, die zur heutigen politischen Kultur und zum politischen System in Großbritannien führten. Unter anderem sprach er die Geschichte der Individualrechte, die sich heute noch in der Wahl der Abgeordneten zeige, an. Ein weiterer Punkt sei die nicht kodierte Verfassung und die Berufung auf das Common Law (Gewohnheitsrecht). Insgesamt gelten in Großbritannien die sechs Grundprinzipien der konstitutionellen Monarchie, dem zentralen Einheitsstaat, die repräsentative Demokratie, die Souveränität des Parlaments, Rechtsstaatlichkeit (Rule of law) und die Gewaltenteilung.
Nach dem Vortrag gab es eine von Manuel Ley moderierte Diskussion mit: Alexander Voß, Andrew Connell (Erster Botschaftssekretär der EU für die Britische Botschaft in Deutschland) und dem ehemaligen Mitglied des Europaparlaments Prof. Dr. Godelieve Quisthoudt-Rowohl. Zur Diskussion stand unter anderem, die Möglichkeit eines „Dexit“, und ob die Gefahr eines Ausstiegs Deutschlands aus der EU, bestünde. Dies konnte von allen Parteien verneint werden, da die EU vielmehr ein Friedensprojekt für Deutschland wäre, so Connell. Auch Frau Prof. Dr. Quisthoudt-Rowohl bestritt diese Möglichkeit, da es in Deutschland ihrer Meinung nach nie zu einem Referendum gekommen wäre. Weiterhin kritisierte sie, dass junge Menschen viel länger mit den Konsequenzen leben müssten, als Ältere, die vor allem für „leave“ gestimmt hätten. Allerdings hätte niemand die jungen Menschen davon abgehalten zur Wahl zu gehen, konterte die ehemalige Abgeordnete nach einer Frage aus dem Publikum. Danach räumte sie aber ein, dass die Kampagne sich mehr an junge Menschen hätte richten können. Auch Alexander Voß kritisierte den Informationsgehalt der Brexit-Kampagne, die „über alles Mögliche war, aber nicht über das Wesentliche“. Doch was verspricht sich Großbritannien vom Austritt aus der Europäischen Union? Hier müsse man erst verstehen, dass das Vereinigte Königreich vor allem aus wirtschaftlichen Gründen der EU beigetreten sei und es eben kein „Herzensprojekt“ gewesen sei, so Connell. Sinngemäß wurde dies an dem Abend nicht nur einmal verdeutlicht, auch die ehemalige Abgeordnete sähe die EU mehr als Notwendigkeit im Zeitalter der Globalisierung. Schon seit Beginn fiel Großbritannien durch Sonderwünsche auf, die das Land von der EU distanzierten. Trotz allem würde Großbritannien sich nicht komplett von Europa abwenden wollen, versicherte Connell. Voß sah vor allem Probleme bezüglich der Zukunft von Europäern die in Großbritannien arbeiten, ihnen würde eine unsichere Zukunft bevorstehen.
„Warum wird bei den ganzen Meinungsdifferenzen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich in den letzten Jahren, jetzt erst der Austritt angestrebt?“, fragte ein Gast aus dem Publikum. Diese Entscheidung hätte sich bereits seit den 90er Jahren angebahnt, erwiderte Andrew Connell. Schon vorher habe es einige Referenden gegeben, es sei eine machtpolitische Entscheidung vom damaligen Premierminister David Cameron gewesen, gab Voß zu bedenken. Ein weiterer Teilnehmer befürchtete eine mögliche Aufweichung der bisher geltenden europäischen Standards in Großbritannien, sodass das Land zu einem zweiten Singapur werden könne. Hier sähe Connell keine Probleme, da die britischen Bürgerinnen und Bürger keine geringeren Standards akzeptieren würden, vor allem beim Umweltschutz strebe Großbritannien Klimaneutralität für 2050 an.
Nach der anregenden Diskussion konnten sich die Teilnehmer bei einem britisch „angehauchten“ Snack über die angeschnittenen Themen untereinander austauschen.