Comptes-rendus d'événement
Der Referent nutzte die Gelegenheit - weit über das eigentliche Thema „Nordkorea“ hinaus - die über 150 Zuhörer in die wichtigsten sicherheitspolitischen Grundlinien der „Region“ Nordostasien (NOA) einzustimmen. Diese wird sich auch in der Zukunft zu einer der virulentesten Regionen der Welt entwickeln. Zum einen wird von ihr weiterhin eine wirtschaftliche Dynamik (Exportweltmeister China) ausgehen, die die Europas weit in den Schatten stellen wird. Zum anderen ist dieser Raum voll von Konfliktfeldern. Im Unterschied zu Europa gibt es dort allerdings keine der NATO, OSZE oder EU vergleichbare multilaterale subregionale Sicherheitsstrukur oder –organisation. Damit ist auch in Zukunft nicht zu rechnen, da das Misstrauen untereinander angesichts der Konkurrenzsituation und die territorialen Streitigkeiten um Rohstoffe enorm angestiegen sind.
Die USA reagieren darauf mit einer Schwerpunktverlagerung ihrer Außen-und Sicherheitspolitik und –ganz pragmatisch – auch mit der Dislozierung ihrer Streitkräfte von Europa nach Nordostasien. Auch die deutsche Außenpolitik hat auf diese Entwicklung mit der Ausarbeitung eines „Asien-Konzepts“ reagiert. Dies geht davon aus, dass zukünftig weltweit eine multipolare Machtstruktur die Dominanz der USA ablösen wird. Dabei geht das Auswärtige Amt davon aus, dass die Region NOA sich durchaus zu einer Krisenregion entwickeln könnte, die für Deutschland von stark zunehmendem Interesse sein wird.
Nordkorea spielt in dieser Region eine absolute Außenseiterrolle. Die (Plan)Wirtschaft des Landes liegt am Boden, das politische System gehört zu den restriktivsten der Welt, die Lebenserwartung der Menschen liegt deutlich unter dem vergleichbarer anderer Staaten. Dazu ist die Menschenrechtslage nur als Katastrophe zu bezeichnen. Hinzu kommt eine Militarisierung der Gesellschaft, die weltweit einmalig sein dürfte. Jeder 20. Nordkoreaner gehört zum Militär und vor allem die nuklearen Ambitionen und deren Export einschließlich der Raketentechnologie tragen erheblich zur Destabilisierung dieser und anderer Regionen bei. Der Staat unterhält damit die zweitgrößte Landstreitkraft weltweit und setzt dabei auf eine Wehrpflicht, die drei bis sieben Jahre umfasst. Auch wenn die Ausrüstung zum größten Teil veraltet ist, verschlingt diese zusammen mit den anderen Militärausgaben ein Drittel des nordkoreanischen BIPs. Damit bleibt zur Versorgung der Bevölkerung kaum etwas übrig. Einige katastrophalen Naturkatastrophen und die allgemeine Misswirtschaft haben dazu geführt, dass sechs Millionen Menschen permanent von Hunger bedroht sind.
Erste Anzeichen für das Atomprogramm Nordkoreas registrierte die IAEO 1993/94. Es ist davon auszugehen, dass der Staat inzwischen über vier bis sechs atomarer Sprengköpfe verfügt. Nicht bekannt ist hingegen, wie weit deren Miniaturisierung fortgeschritten ist. Bekannt ist, dass ein Teil der Atomanlagen 2007 zerstört wurden, um US-Wirtschaftshilfe zu bekommen und die Aufhebung der US-Handelssanktionen zu erreichen (2008). Es ist aber nicht bekannt, wie und in welcher Form die Atomanlagen unterirdisch verlagert wurden. In diesem Jahr verankerte Nordkorea seinen Atomwaffenstatus sogar in der Verfassung. Außerdem treibt es Rüstungsprogramme voran, die dem Bau von Trägerraketen für konventionelle und atomare Sprengköpfe unterschiedlicher Reichweiten dienen, die, wenn sie erfolgreich sein sollten, selbst die Vereinigten Staaten bedrohen könnten.
Diese Aufrüstung macht vor allem Japan große Sorgen. Bei einem Raketenangriff aus Nordkorea hätte es nur wenige Sekunden Vorwarnzeit. Diese Bedrohung, aber auch 9/11 haben zu einer grundlegenden Änderung der Verteidigungsphilospohie dieses Landes geführt, die auch das Nachdenken über präemptive Militärschläge beinhaltet, z.B. durch den Einsatz von Tomahawk-Flugkörpern und dem Ausbau einer regionalen Raketenabwehr.
Zum Schluss gab der Referent noch eine Einschätzung der chinesischen Außen- und Sicherheitspolitik und machte dabei deutlich, dass es derzeit sehr schwierig sei, deren zukünftige Ausrichtung einzuschätzen. Im günstigsten Falle würde sich das Reich der Mitte zu einer moderaten, regionalen Führungsmacht entwickeln. Es gebe aber derzeit einige Anzeichen dafür, dass sich Rotchina sich mit dieser Rolle nicht zufrieden geben wird, sondern offensiv seine eigenen Interessen auch und vor allem in der Region durchsetzen will. Besonders deutlich wird dies an den Ansprüchen, die China auf das Südchinesische Meer erhebt. Besonders dort überscheiden sich diese mit denen der Anrainerstaaten. Damit sind entsprechende Konflikte und Reibereien vorprogrammiert.