Comptes-rendus d'événement
Bei seiner Begrüßung betonte der Landesbeauftragte der Konrad-Adenauer-Stiftung für Rheinland-Pfalz, Karl-Heinz B. van Lier, die Wichtigkeit des offenen Dialogs angesichts des immer stärker werdenden radikalen Islamismus. Letztendlich ginge es nicht nur um die Sicherheit, sondern vielmehr um die Erhaltung des inneren Friedens, der auf Vertrauen und der Freiheit basiere. Es gelte eine Kultur des Misstrauens erst gar nicht aufkommen zu lassen. Es sei notwendig, die tatsächlichen Sachverhalte aufzuklären, bewusst zu machen und sich damit auseinanderzusetzen.
Der Präsident des Bundeskriminalamts Holger Münch beschrieb die aktuellen Herausforderungen für die Sicherheit in Deutschland. So gebe es in Deutschland rund 1.000 Personen, die dem radikalen Islamismus als terrorbereite Unterstützer und Organisatoren zuzurechnen seien. Hinsichtlich des Personenpotentials sei die Tendenz weiter steigend, so Münch, vor allem durch die höchst erfolgreiche Rekrutierung über die sozialen Medien im Internet. Neben einem neuen Trend zum Cyber-Terrorismus, ist besonders die Gefährdungslage durch sogenannte ‚foreign fighters‘, also Ausreise willige Kämpfer in den Irak und nach Syrien, stetig höher (im ersten Halbjahr 2015: 680; 2014: 320). Diese Rückkehrer dienten in der Szene durchaus als Vorbilder mit Idolcharakter, „allerdings gibt es keine Hinweise auf konkrete Terroraufträge, die an diese Rückkehrer herangetragen werden“.
Unter den verschiedenen Gefährdertypen der Ausgereisten und der gescheiterten Ausreiser ist die Gruppe der Selbstradikalisierten, die keine Ausreisepläne haben, laut Münch die derzeit am gefährlichsten. Sie seien schwer zu umfassen, hätten in der Regel Kontakt zu Salafisten und seien in entsprechenden Peer-Groups organisiert, deren Motive sich auf die kurze Formel „Rache, Ruhm, Reaktion“ reduzieren ließen. Der Trend des islamistischen Terrors gehe Münch zufolge hin zu Anschlägen und Taten mit spontaner Gewaltanwendung, einfachsten Mitteln und multiplen Tatorten von Einzeltätern. Ziel der Terroristen sei es immer die Legitimation des Staates zu unterminieren, der seine Bürger nicht schützen könne. Die Rolle des Internets sei dabei insgesamt – auch für die ideologische Indoktrination, die Kommunikation und die Tatanleitung – von nicht zu unterschätzender Bedeutung.
Die deutschen Sicherheitsbehörden reagieren mit verschiedenen Maßnahmen auf die aktuelle Entwicklung und Bedrohungslage. Als Reaktion auf die Anschläge des 11. September 2001 wurde mit dem Zusammenschluss vierzig beteiligter Behörden das sogenannte Gemeinsame Terrorismusabwehr-Zentrum (GTAZ) ins Leben gerufen. „Hier findet ein schneller und koordinierter Austausch der Behörden in Zusammenarbeit mit den deutschen Nachrichtendiensten statt, der größere Zusammenhänge verdeutlicht“, erläuterte der BKA-Präsident. Die möglichen Maßnahmen, die getroffen werden können, erstrecken sich vom Verhindern von Ausreisen über den befristeten Ausweisentzug bis hin zur Risikoeinschätzung und Überwachung von Gefährdern und Rückkehrern.
Zur gesamtgesellschaftlichen Aufgabe erklärte Münch die Prävention und die Deradikalisierung: „Eine wichtige Säule ist hierbei die Radikalisierungsforschung, denn ein Islamist hätte immer auch ein Rechtsextremist werden können. Es gilt diese Mechanismen der Radikalisierung besser zu erkennen, zu verstehen und sie letztlich zu verhindern“. Daneben sei auch die Information und Sensibilisierung der Gesellschaft dringend notwendig, um dem Terror den Rückhalt zu entziehen.
Die Fernsehjournalistin Düzen Tekkal thematisierte die Opferseite des islamistischen Terrors. Als Jesidin kritisierte sie, dass die Weltgemeinschaft erst über den IS-Terror von ihrer Religionsgemeinschaft erfahren habe: „Ich verstehe den Genozid an den Jesiden als letzte Warnung“. Tekkal stellte exklusiv ihren neuen bewegenden und aufrüttelnden Dokumentarfilm „Hawar – Meine Reise in den Genozid“ vor, der die Situation der Jesiden auf der Flucht vor den IS-Milizen festhält. Es werde viel Deutsch gesprochen auf beiden Seiten der Fronten, so die Journalistin, daher sei der Konflikt viel näher an unserer Wirklichkeit gelegen, als uns vielfach bewusst sei.
Dr. Necla Kelek, Soziologin, Autorin und Publizistin, äußerte die Feststellung, dass in den vergangenen zwanzig Jahren die Gruppe von Menschen wachse, die gegen die Werteordnung des Westens stünden und keine Bereitschaft zeigten, sich zu integrieren. Sie kritisierte: „Von der Vorstellung der Trennung von Politik und Religion haben sich die meisten muslimischen Länder noch nicht verabschiedet“. Problematisch sei hierbei, so Kelek, das Fehlen von Möglichkeiten zur reflektierten Kenntnis des Muslims über den eigenen Glauben. Den Menschen eine Freiheit im Glauben zu lassen und an dieser Trennung festzuhalten oder sie einzuführen, endete unter anderem in Ägypten in der Diktatur.
In Deutschland bestünden laut Kelek die Chancen und Möglichkeiten, eine Weiterentwicklung des Islams in die Moderne durch die akademische und theologische Aufarbeitung: „Hierfür trägt jeder Einzelne, vor allem aber die Islamverbände, die Verantwortung“. Zudem plädierte sie für einen offenen Umgang: „Über die Entwicklungen in unserem Land muss man in der Lage sein, frei sprechen zu können, ohne Angst haben zu müssen, bedroht zu werden“.
Der deutsche Imam Husamuddin Meyer berichtete aus der Praxis seiner Gefängnisseelsorge. Zu deren Beginn habe er feststellen müssen, dass die islamische Bildung mehr als lückenhaft war. Aus dieser Unkenntnis heraus hätten ihn die muslimischen Insassen immer wieder mit Fragestellungen konfrontiert, die offenkundig in eine radikalisierte Richtung wiesen. Diese Problematik habe sich, so der Imam, immer weiter verschärft.
Sein Ziel sei es daher, theologische und ideologische Missverständnisse aufzuklären, so Meyer. Und er ergänzte: „Dort, wo kein Seelsorger ist, übernehmen solche den Islamunterricht, die ihn nicht übernehmen sollten“. Als Pflicht eines jeden Muslims sieht der Imam die Haltung, gegen alles zu stehen, was ungerecht sei.
Die abschließend von der ZDF-Journalistin Susanne Conrad moderierte Gesprächsrunde verdeutlichte die Notwendigkeit der Profilschärfung seitens der deutschen Gesellschaft. Hierzu Düzen Tekkal: „Es geht um die Gewährleistung der Wehrhaftigkeit der Demokratie, die ich in Gefahr sehe!“. Das Podium war sich mit dem Publikum darüber einig, dass es dringend geboten ist, von allen Seiten den Nährboden für eine Radikalisierung von Muslimen zu entziehen.