Im Fokus der Analysen standen Aspekte wie die Qualität von Staatsführung, die Einbeziehung der breiten Bevölkerung in politische Prozesse sowie Möglichkeiten und Mechanismen, um Regierungen zur Rechenschaft zu ziehen. Dabei kamen die Teilnehmer der Konferenz darin überein, dass die Einheit eines Staates Grundvoraussetzung für jede funktionierende demokratische Regierungsform ist.
Als Ehrengast richtete Jody Kallapen, Richter des High Court in Südafrika, den Fokus seiner Rede auf die verbreitet wahrgenommenen Probleme der Demokratie. Nicht nur seien viele enttäuscht, sondern abgeschreckt durch die gewaltprovozierenden Wahlkämpfe und die mangelhaften Mitbestimmungsmöglichkeiten. Auf der anderen Seite erlebten Demokratieverdrossene um sich greifende Korruption, ein Erstarken der Eliten und ein zunehmendes Auseinanderdriften von Arm und Reich. Um die sogenannten „außerhalb der Verfassung lebenden Menschen“, die weder um ihre Rechte wüssten, noch im Stande wären, diese zu verwirklichen, wieder zu motivieren, am politischen Leben teilzunehmen, spiele die Judikative eine maßgebliche Rolle. Durch sie könne die Verfassung mit ihren verbürgten Rechten und Freiheiten lebendig werden – so erführen die normalen Bürger die Kraft des Rechts. Die Verfassung setze den Staatsgewalten Grenzen und sei somit das Instrument, um das Gleichgewicht zwischen ihnen herzustellen und dadurch letzten Endes die Gesellschaft zum Besseren zu transformieren.
Dr. Kizza Besigye, Politiker und Präsidentschaftskandidat in Uganda gab in seiner Rede nicht nur Einblicke in die täglichen Schwierigkeiten, die sich einem Führer der Haupt-Oppositionspartei, Forum for Democratic Change, in Uganda stellen. Vielmehr richtete er die Aufmerksamkeit auf den Kern der demokratischen Idee, nämlich auf die Herrschaft der Bürger: Eine Demokratie könne nur mit dem richtigen Verständnis eines Bürgers und seiner fundamentalen Rolle im Staatsgebilde funktionieren. Anstatt der heutzutage in vielen afrikanischen Staaten praktizierten Interpretation einer Regierung als Herrscher, die die Bürger als ihre Diener auffassten, sei das Verhältnis natürlich genau anders herum zu verstehen. Damit aber das Volk diese Rolle von der Regierung wirklich einfordern könne, sei ein fundamentales Umdenken hin zu einer unabhängigen und kritischen Einstellung nötig. Gleichermaßen wie viele afrikanische Regierungen zurzeit ihre Bevölkerung für ihre Bereicherung und ihren Machterhalt missbrauchten, sei die Herrschaft in dem Moment zu Ende, in dem die Menschen aufhörten, ihrer Regierung uneingeschränkten Gehorsam entgegen zu bringen. Damit liege der wesentliche Schritt hin zur Demokratie in der Einstellung der Bürger selbst. Erforderlich für die Einforderung der Rechte sei dabei die Justiz, die die Bürger umfassender unterstützen solle. Dies könne durch pro bono Arbeit, bessere gesetzliche Rahmenbedingungen sowie verstärkter Beteiligung an Prozessen im öffentlichen Interesse und Engagement zur Verteidigung von Aktivisten geschehen.
In den sich anschließenden Podiumsdiskussionen wurden über die Vorteile der Demokratie gesprochen, die über die Überzeugungskraft eines Mantras hinausgehen müssten. Nur durch die Einbeziehung aller Stimmen in die politischen Prozesse sei die Demokratie fähig, langfristig verlässlichere Stabilität zu generieren. Ein Abdriften in Gewalt zur Bestärkung von bisher in der öffentlichen Debatte nicht berücksichtigten Forderungen sei umso unwahrscheinlicher, je mehr diese Stimmen schon früh auf einem politischen Level eingebunden würden. Dafür sei es unerlässlich, die bisher schon zahlreich existierenden Normen ordentlich in die Tat umzusetzen. Die bedeutsame Teilhabe an politischen Prozessen sowie ein effektives Wahlrecht müsse allerorts gewährt und garantiert werden. Darüber hinaus wurde die Rolle der Zivilgesellschaft betont, zum sozialen Zusammenhalt beizutragen und die Wünsche und Forderungen des Volkes zu artikulieren und hörbarer zu machen. Dabei sei die Rolle von Parteien besonders entscheidend, um politische, demokratische Prozesse anzustoßen und umzusetzen und Nachwuchs-Politiker in diesen zu stärken.
Ein anderer Hauptdiskussionspunkt der Konferenz lag in den Qualitäten, Herausforderungen und Hindernissen guter Regierungsführung. Zuvorderst müssten zerrissene, fragmentierte Staaten in zusammenhängende, intakte soziale Gemeinschaften überführt werden. Zudem liege eine gute Möglichkeit für die Bürger ihre Regierung besser und konstruktiver zu bewerten sowie bei Wahlen aus dieser Evaluierung Schlüsse zu ziehen darin, eine sehr ergebnisorientierte Staatsführung einzufordern. Anstatt ideologischer Programmsätze oder Stammesidentifikation als Stimmargument sollten klare und sehr konkrete Vorhaben zur Debatte stehen. Darüber hinaus wurde das Problem der Straflosigkeit von Staatsoberhäuptern und Staatsbeamten auf niedrigerer Stufe diskutiert. Anlass dazu gab die neueste Welle afrikanischer Staaten, sich aus dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag zurückzuziehen. Um der zum Teil kulturell, zum Teil politisch, ideologisch begründeten Zaghaftigkeit zu begegnen, auch Personen in öffentlichen Ämtern zur Rechenschaft zu ziehen, wurde vorgeschlagen, diese Lücke zumindest mit Mediation durch neutrale afrikanische Staaten zu füllen. Jedoch fordere sowohl die Universalität von Menschenrechten wie auch die Rechtsstaatlichkeit eine strafrechtliche Verfolgung von Taten, die international als strafbar angesehen werden.
Die Einsicht, die sich bei alledem durch die Diskussionen zog, lag darin, dass Traditionen und Kulturen nicht unterdrückt werden und auch nicht per se als unvereinbar mit Menschenrechten verstanden werden dürften. Lokale Kulturen zu ignorieren stelle ein immanentes Risiko für Frieden und Stabilität dar. Übereinkunft wurde auch bezüglich der Notwendigkeit erreicht, dass ein Selbstbewusstsein der eigenen afrikanischen Fähigkeiten etabliert werden müsse, um gute Regierungen zu wählen sowie diese Posten auch adäquat ausfüllen zu können. Diese Aspekte träten aber mit einem demokratisch verfassten und sodann tatsächlich demokratisch operierenden Staat in enge Wechselwirkung. Die Resolution, die zu Ende der Konferenz verabschiedet wurde, kann in Englischer Sprache hier abgerufen werden: http://www.icj-kenya.org/jdownloads/Press%20Releases/AJCFinalCommunique.pdf
Zurückkommend auf das Thema der Jahrestagung 2015 „Geschlechtergleichheit“ konnte zudem die Veröffentlichung eines Buches mit Überlegungen und Ergebnissen der letzten Konferenz gefeiert werden. Die E-Book-Version von „Geschlechtergleichheit und politische Prozesse in Kenia: Herausforderungen und Aussichten“ steht hier auf dieser Seite rechts zum Download bereit.