Comptes-rendus d'événement
Das Rechtsstaatsprogramm, das seit 2006 existiert, hat über die Jahre mit einer wachsenden Zahl von Pojekten und Partnern konkrete Gestalt angenommen. Heute zählen zu den Hauptbetätigungsfeldern die Unabhängigkeit der Judikative, Verfassungsaufbau und Konstitutionalismus. Rechtsstaatlichkeit umfasst eine Bandbreite von Aspekten, die letzten Endes dem Gemeinwohl dienen sollen. Als Grundpfeiler des gerechten Staates wurden Menschenrechte, Gewaltenteilung, Gute Regierungsführung sowie Demokratie und regionale Integration erkannt.
Über zwei Tage waren Partner und hochkarätige Gäste aus verschiedenen Afrikanischen Ländern eingeladen, um ihre Wahrnehmung und Perspektiven hinsichtlich der Entwicklung von Rechtsstaatlichkeit in Subsahara-Afrika darzustellen. Der Vorsitzende Richter des Obersten Kenianischen Gerichtshofes, David Maraga, analysierte in seiner Rede das Verhältnis zwischen Staat und Bürgern. Nach 50 Jahren Unabhängigkeit sei der Staat nunmehr von privaten Interessen eingenommen und finanzieller Erpressung sowie institutionellen Exzessen ausgeliefert. Er wies darauf hin, dass Machiavellis Definition des Staates als die Herrschaft des Volkes über das Volk durch das Volk pervertiert worden sei hin zu der Herrschaft der Elite über die Elite durch die Elite. Um dieses Verhältnis wieder zu richten, müssten die verheißungsvollen Bestimmungen und Rechte der Verfassung in die Tat umgesetzt werden. Der Oberste Richter schreckte bei den beschriebenen Missständen nicht vor Selbstkritik zurück, er versprach, eine Führung des Mutes für die Judikative zu geben, um die Verfassung zu schützen und ihre Werte hochzuhalten, damit alle rechtssuchenden Bürger tatsächlich in gerechter Weise ohne Verzögerung und Voreingenommenheit Gerechtigkeit erführen. Er erinnerte daran, dass das Fundament für Gerechtigkeit im Rechtsstaat der Zugang zu den Gerichten sei. Das neue Prozesskostenbeihilfe-Gesetz in Kenia müsse somit auch umgesetzt werden, damit die Armen nicht nachteiliger durch das Recht betroffen würden als die Reichen.
Die Podiumsdiskussionen vertieften im Folgenden die verschiedenen Aspekte, die bereits von dem Obersten Richter angesprochen worden waren. Der generelle Trend der Rechtsstaatlichkeit in Sub Sahara Afrika wurde so beschrieben, dass auf der einen Seite große Fortschritte gemacht worden seien bezüglich der Schaffung von verschiedensten Rechtskörpern und Regelwerken, die konzeptionell starke Wirkung entfalten könnten. Auf der anderen Seite aber sei es auch nicht damit getan, eine Vielzahl von Resolutionen zu verabschieden, die niemals umgesetzt würden. Insgesamt müsste von den Staaten aktive Anstrengungen eingefordert werden bezüglich der Implementierung von Verträgen und Resolutionen. Auch sei mit dem Austritt einiger Afrikanischer Staaten aus dem Rom-Statut eine bedauernswerte Entwicklung eingeleitet worden. Die strafrechtliche Verantwortung von Machthabern werde zudem dadurch ausgehöhlt, dass auch die Bevölkerung größtenteils der Überzeugung anhänge, dass Führer nicht rechtlich belangt werden dürften. Dies sei auf die Tradition der Stammesältesten zurückzuführen, welche als unfehlbar angesehen worden seien und damit als Rechtssetzer nicht selbst dem Recht unterstünden.
Darüber hinaus wurden Schwierigkeiten in Gerichtsverfahren angesprochen. Gerade in Fällen sexuell basierter Gewalt berücksichtigten die Verfahrensregeln nicht ausreichend die psychologischen Aspekte der zu verhandelnden Taten. Daher sei ein Umfeld zu kreieren, in dem Opfer Vertrauen fassen können, Beweise vorzulegen und aussagen zu können. Im Hinblick auf den inzwischen geschlossenen SADC (Southern African Development Community) Gerichtshof wurde die vorher noch durchgesetzte Beschränkung der Zuständigkeit auf Streitigkeiten zwischen Mitgliedsstaaten bedauert. Zuvor war der Gerichtszugang auch für Einzelpersonen in Streitigkeiten gegen Staaten möglich gewesen. Im Gegensatz dazu wurde durch das Malabo-Protokoll 2014 die Zuständigkeit des Afrikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte und die Rechte der Völker (AGMR) erweitert. Dadurch fällt nun auch die Rechtsprechung über Straftaten unter internationalem Recht in die Zuständigkeit des Gerichts. Allerdings wurde die Herangehensweise stark kritisiert, indem durch das Protokoll auch die bereits existierenden zwei Kammern erneut ratifiziert werden müssen. Dass dies dem Gerichtshof insgesamt schadet, zeige sich darin, dass bisher kein einziger Staat von 15 Vertragsparteien das Protokoll ratifiziert hat. Im Übrigen seien die überfrachteten und unklaren Definitionen der Straftaten nicht zweckdienlich und böten im Zweifel zu viel Raum für ausweichende Interpretationen. Auch der Ostafrikanische Gerichtshof wurde durch seinen Präsidenten Dr. Emmanuel Ugrishebuja vertreten, der sich durch Vergleich zur Europäischen Union überzeugt zeigte, dass regionale Integration vor allem Zeit und gehaltvolle Fälle bräuchte. Obwohl Gerichte hauptsächlich reaktiv auf die ihnen vorgelegte Streitigkeiten reagierten, gäbe es auch immer wieder Spielräume, in denen sie proaktiv in eine Richtung steuern könnten.
Neben der Judikativen wurde besonders die Bemühungen der Zivilgesellschaft hervorgehoben: Sie müsse sich im öffentlichen Raum zeigen und entfalten, denn sie sei wichtiger Mittler zwischen dem Privaten und dem Staatlichen. Anstatt das Versammlungsrecht als Untergrabung staatlicher Autorität zu deklarieren, sei es wichtig, dieses umfassend ohne Diskriminierung allen gegenüber zu gewähren. Dies gelte ganz besonders im Hinblick auf Frauen. Ihrer Mitwirkung und Teilhabe im zivilen und öffentlichen Raum müsse besondere Beachtung geschenkt werden. Auch wenn die absoluten Zahlen ihrer Beteiligung gestiegen seien, könne die bedeutsame Teilhabe an politischen und öffentlichen Prozessen nicht darin allein gemessen werden.
Bezüglich der Zukunft von Rechtsstaatlichkeit, wurde betont, dass die interessierte und ausgebildete junge Generation der Schlüssel für eine fortschrittliche Entwicklung des sozialen und politischen Lebens sei. Dabei müsse auch der Gemeinschaftsgeist gestärkt werden - statt einen Individualismus zu fördern, denn durch diese Haltung werde verhindert, dass die Menschen sich der eigenen Verantwortung für die Gesellschaft bewusst werden.
Die Podiumsdiskussionen und gemeinsamen Analysen mit allen Teilnehmern wie internationalen Experten und Partnern im Laufe des Symposium brachten zum Vorschein, dass nun die künftige Arbeit des Rechtsstaatsprogramms insbesondere abzielen sollte auf aktive Bürgerbeteiligung, die Einbeziehung der jungen Generation und die verantwortungsvolle Ausübung der Staatsgewalten. In den vergangenen zehn Jahren erzielte das Programm der KAS zweifelsohne erhebliche Erfolge und Fortschritte im Hinblick auf die Stärkung von Rechtsstaatlichkeit in den Ländern Subsahara-Afrika - nichtsdestotrotz seien weitere Anstrengungen auch in Zukunft unentbehrlich: Die Kluft zwischen Hoffnung und Implementierung, die fehlende Übereinstimmung zwischen Prinzipien westlicher Konzepte mit afrikanischer Perspektiven über ihre Durchsetzung und Verwirklichung müsse durch visionäre Staatsführung, der strengen Verpflichtung zu Menschenrechten und einer lebendigen Zivilgesellschaft, die selbst Verantwortung für das Gemeinwohl und die Rechenschaftslegung der Regierung übernimmt, überbrückt werden.