30 Jahre nach der Wiedervereinigung konnte es für den diesjährigen Tag der Konrad-Adenauer-Stiftung gar kein anderes Leitthema geben als dieses Jubiläum der Deutschen Einheit, für den Stiftungsvorsitzenden Norbert Lammert die „spektakulärste friedliche Veränderung“ der Geschichte Deutschlands und Europas. Eine Einheit, die auch Angela Merkel bis zum Mauerfall nicht für möglich gehalten hätte. Doch 1989/90 zeigte ihr: „Veränderung ist möglich und kann etwas Gutes bedeuten. Veränderung ist notwendig, damit es besser wird.“ Auf dem Höhepunkt des Stiftungstages, einem Gespräch zwischen dem Vorsitzenden der Europäischen Volkspartei, Donald Tusk, und der Bundeskanzlerin, reflektierten beide die Wendezeit. Auch für Tusk, der von 2014 bis 2019 Präsident des Europäischen Rates war, zeigten das Ende des Eisernen Vorhangs und die Wiedervereinigung Deutschlands, „dass das Unmögliche möglich werden kann.“ Dazu brauche es Glück, Mut und Entschlossenheit. Und man müsse sich auf seine Nachbarn verlassen können. Tusks Appell war deshalb, europäische Solidarität auch heute zu leben.
„Das muss noch mehr eine europäische Verantwortung werden“
Zwar konnten wir mit der Deutschen Einheit „gleichzeitig die Teilung Europas überwinden“, wie Norbert Lammert betonte. Doch die Gemeinschaft steht spätestens seit 2015 vor einer enormen Herausforderung, die sie in den letzten fünf Jahren nicht solidarisch lösen konnte, beklagte Tusk, nämlich der Umgang mit Flüchtlingen und illegaler Migration: „Es fehlt bei diesem Thema immer noch die Einheit in Europa“ – was das brennende Flüchtlingslager Moria dieser Tage mehr als verdeutliche.
Deswegen steht die Migrationsfrage für Merkel neben der Corona-Pandemie, dem Wiederaufbaufonds, dem Klimawandel und dem europäischen Verhältnis zu China und der Türkei auch ganz oben auf der Agenda der deutschen EU-Ratspräsidentschaft: „Die Migration ist weder das Problem der Länder, in denen die Menschen ankommen, es ist auch nicht alleine ein deutsches Problem. Das muss noch mehr eine europäische Verantwortung werden.“ Auch wenn es bisher keine europäische Lösung gebe, brauche es wie vor 1989/90 Entschlossenheit – und Geduld: „Man muss immer wieder dran bleiben und auch Rückschläge akzeptieren.“ Aber wenn man bereit sei, Kompromisse einzugehen und „zuzuhören, was andere sagen wollen, und zu versuchen sie zu verstehen, dann kann man alles erreichen, was man erreichen möchte“, empfahl Tusk und schränkte zugleich ein: Nur „wenn es um Werte geht, sind keine Kompromisse zulässig.“
„Wir sehen uns als Brückenbauer“
Geduld, Entschlossenheit und Mut brauchte auch die ehemalige DDR-Bürgerrechtlerin Freya Klier, denn auch sie erlebte Misserfolge im Kampf gegen das SED-Regime und die Stasi: „Um meine Freundin wiederzusehen, habe ich meine Seele verkauft. Erreicht habe ich nichts und wir konnten uns nicht treffen.“ Eine Lesung von Kliers Tochter Nadja aus dem Buch ihrer Mutter „Wo warst du? – 30 Jahre Mauerfall“ war Teil einer großen virtuellen Vorstellungsrunde: Der Tag der Konrad-Adenauer-Stiftung fand 2020 vor allem im „KAS-Studio zur Deutschen Einheit“ statt: Auf der digitalen Plattform präsentierten die Stiftungsabteilungen ihre Arbeit. Neben Lesungen, Liedern, einem Poetry Slam, einem Graffiti und einem Comic erfolgte das vor allem durch Diskussionen und Gespräche.
Und die erfolgten auch in globaler Perspektive: Was zum Beispiel Klimaschutz in Afrika oder ein Friedensabkommen in Afghanistan mit Demokratie in Deutschland zu tun haben, diskutierten Auslandsbüroleiterinnen und -leiter aus den genannten (und weiteren) Ländern und Regionen bei der Vorstellung des Partner-Atlas der Stiftung. Zugleich konnte Maximilian Hedrich, der bis vor kurzem das Stiftungsbüro in Venezuela – das 1962 eröffnet das erste Auslandsbüro der Stiftung überhaupt war – leitete, stellvertretend für die anderen Auslandsmitarbeiter über einen Teil seiner Arbeit berichten: „Wir organisieren mit Partnern vor Ort zum Beispiel Bürgerdialoge, jeder kann kommen, es ist eine offene Diskussion, denn wir sehen uns als Brückenbauer. Wir möchten Dialogräume schaffen.“
Wie sinnvoll die Dialogformate sind, die die Adenauer-Stiftung im In- und Ausland anbietet, bestätigte Altstipendiat Hans-Christian Maaß: „Bildungsarbeit in der Fläche ist durch nichts zu ersetzen.“ Maaß diskutierte mit den beiden Stipendiatinnen Franziska Schade und Julia Kanning die deutsch-deutsche Geschichte sowie die Deutsche Einheit – die ohne den damaligen Bundeskanzler und dessen Einsatz so nicht möglich gewesen wäre: Helmut Kohl. Über den „Kanzler der Einheit“, der in diesem Jahr 90 geworden wäre, sprachen Serap Güler, Staatssekretärin für Integration in NRW, und der Journalist Andreas Hock, der in seinem Buch „Generation Kohl“ zu dem Schluss kommt: „Die Einheit war eine echte Jahrhundertleistung, die womöglich kein anderer Kanzler hinbekommen hätte.“ Denn dazu waren Mut und Entschlossenheit notwendig, die es auch zur Bewältigung der aktuellen Herausforderungen braucht. Deshalb rief die Kanzlerin besonders die heute 30-Jährigen dazu auf, mit einem klaren Wertekompass und einem „optimistischen Blick“ sich einzubringen, denn „das viele kleine macht das große Mosaik.“
Die Gesprächsaufzeichnungen und Vorstellungsvideos der Stiftungsabteilungen können Sie auf tag-der-kas.de anschauen.
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