Comptes-rendus d'événement
Welche Bedeutung hat die Ressource Wissen in Sachsen-Anhalt, insbesondere in der Harz-Region? Wie wichtig ist dies im europäischen Kontext und welche Vernetzungen innerhalb Europas gibt es? Wie können sich einzelne Interessenträger in diesen Prozess erfolgreich einbringen? Diese Fragen standen im Blickpunkt eines Forums des Europe Direct Informationszentrums Magdeburg in Trägerschaft der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V., Politisches Bildungsforum Sachsen-Anhalt, am 02. November 2016 in Wernigerode.
Edwina Koch-Kupfer (Staatssekretärin des Ministeriums für Bildung des Landes Sachsen-Anhalt) bezeichnete als Maßstab ihrer Bildungspolitik die Bildungsqualität und Leistungsgerechtigkeit, eine auskömmliche finanzielle und personelle Ausstattung sowie Kontinuität der politischen Leitlinien. Die Erwartungen von Eltern, Lehrern und Schülern an die Politik nannte sie berechtigt, jedoch nicht klein. In diesem Zusammenhang wies sie die verschiedenen Mechanismen innerhalb des Bildungssystems sowie auf die daraus resultierende Zeitspanne zwischen Maßnahmenergreifung und Umsetzung. Ihrer Ansicht nach muss die Verwaltung gleichwohl effizienter und damit schneller werden. Als Beispiel nannte die die erstmalige Einführung von online-Bewerbungsverfahren für die Einstellung von 700 neuen Lehrern sowie das sich über das gesamte Jahr erstreckende Ausschreibungsverfahren. Dieses gewährleistet ein qualitätsgesichertes Einstellungsverfahren und eine schnellstmögliche Aufstockung des Personalkörpers. Ähnliche Offensiven will die Landesregierung im Hinblick auf die Vertretungsreserve sowie erstmals seit 2002 bei den pädagogischen Mitarbeitern starten. Weiteren wichtigen Standortvorteil Sachsen-Anhalts innerhalb Europas führte sie die sofortige Verbeamtung der Lehrkräfte an.
Prof. Dr. Bernhard Zimmermann (Dekan des FB Automatisierung und Informatik der Hochschule Harz) stellte eingangs fest, dass sich innerhalb der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union in der der Industriegesellschaft nachfolgenden Wissensgesellschaft Wissen zum dominanten Produktionsfaktor entwickelt hat und diese Stellung im Verhältnis zu anderen Faktoren wie Land, Geld, Arbeit ständig ausbaut. Ausdruck davon ist ein im Vergleich hohes Bildungsniveau, eine hohe Vernetzung und Innovationsfähigkeit, die mit einer hohen Individualität einhergeht. Das Wissen des Einzelnen hat als Element der Wissensgesellschaft einen extrem hohen Stellenwert. Die Maxime „Wissen ist Macht“ ist deshalb überholt, Erfolg werden Universitäten, Unternehmen, staatliche Verwaltung pp. – auch im europaweiten Vergleich - nur haben, wenn das Wissen und die Flexibilität aller Mitarbeiter in geeigneter Form gebündelt und weiterentwickelt werden. Eine individuelle und kollektive Folge daraus sind lebenslanges Lernen und der Wille, sich lebenslang permanent neuen intellektuellen Herausforderungen zu stellen. Prof. Zimmermann wies sodann darauf hin, dass mehr oder weniger im Gleichklang mit dem technischen Fortschritt die ethische Bewertung technischer Produkte einhergeht, die aufgrund der zunehmenden Digitalisierung immer plastischer wird. Weder Forscher noch Unternehmen können sich dieser auf Dauer entziehen, so dass ein gewisser Sicherungsmechanismus gegen technische Ausuferungen gewährleistet ist. Im Folgenden stellte Prof. Zimmermann kurz die Schwerpunkte seiner Fakultät vor und berichtete, dass sie als kleinster Fachbereich aufgrund ihrer innovativen Zukunftsforschung 50% aller Drittmittel einwerben. Der Referent hob zudem die europäische Dimension hervor, bspw. Es einen wissenschaftlichen Austausch gibt und dass Studierende innerhalb der EU die Hochschulen wechseln können und die jeweiligen Abschlüsse auch anerkannt werden.
Regina Zimmermann (Direktorin des Käthe-Kollwitz-Gymnasiums Halberstadt) näherte sich dem Thema aus Sicht einer aktiven Lehrerin in leitender Position. Sie wies unter Bezugnahme auf den Titel des Abends zunächst auf den Unterschied zwischen Bildung und Kompetenzen hin und stellte sich dann selbstkritisch die Frage, wieso Schulen Probleme und der Wissens- bzw. Kompetenzvermittlung haben. Dafür machte sie folgende Ursachen aus. Die Lehrer- und Unterrichtsversorgung kann mit den jetzigen Kapazitäten nicht geleistet werden. Eine schnelle Aufstockung scheitert an der Schwerfälligkeit des Einstellungsapparates. Ähnliches gilt für die Vertretungsreserven. Trotz jahrelanger Anstrengung ist es immer noch nicht gelungen, einen Vertretungspool aufzubauen, der im Ansatz in der Lage ist, Ausfälle zu kompensieren. Überdies werden von Lehrer Tätigkeiten erwartet, für die sie die Kompetenz erst (zusätzlich zu ihren Aufgaben) erwerben müssen. Als Beispiel nannte sie den Einsatz von Medien in den Schulen, bei dem die Sachmittel für ein sehr hohes Niveau völlig ausreichend sind, jedoch kein Administrator die Lehrerschaft unterstützt, so dass die Möglichkeiten aufgrund fehlender Kompetenzen oft gar nicht ausgeschöpft werden können. Ähnliches gilt für die Umsetzung der Inklusion, für die die Lehrkräfte nicht vorbereitet wurden. Administrativ nannte sie die neue Abitur- und OberstufenVO, die derzeit noch unbekannt ist, gleichwohl aber für die diesjährigen 12. Klassen gelten soll. Abschließend wies sie darauf hin, dass die Bundesländer Bayern und Baden Württemberg nur deshalb ewige Spitzenreiter bei Vergleichstest sind, weil diese Länder in der Bildungspolitik Kontinuität beweisen. Gleiches gilt für jene EU-Mitglieder sowie die außereuropäischen Staaten, die in den OECD-weiten Vergleichen an der Sitze liegen.
Im Anschluss an die Statements wurden – unter Moderation durch Angela Gorr MdL - folgende Aspekte diskutiert: Hat unsere Gesellschaft noch genug leistungswillige junge Menschen und wie kann man diese zur Leistungsbereitschaft motivieren? Wie kann man leistungswillige junge Menschen in der Harzregion halten bzw. wie kann man sie dorthin holen? Wie kann bundesweit ein vergleichbares Abitur geschaffen werden, so dass die Absolventen der leistungsstarken Länder wie Sachsen-Anhalt z.B. bei der Studienplatzwahl keine Nachteile gegenüber den Absolventen weniger leistungsstarker Länder haben? Wie kann in diesem Zusammenhang das Niveau von Sachsen-Anhalt gehalten werden? Warum gibt es erhebliche Schwierigkeiten im MINT-Bereich und wie können diese beseitigt werden? Brauchen die Fachlehrpläne mehr Zeit zur Verfestigung des Wissens? Was passiert in Sachen Bildung täglich nach der Schule? Wie begegnen wir am besten dem Thema Inklusion?