Rechtliche Grundlage
Die US-Verfassung gibt eigentlich dem Kongress die Macht, über Zölle und die Handelspolitik der USA zu entscheiden. Das lag unter anderem daran, dass in der Vergangenheit Zölle eine wichtige Einnahmequelle des Staates waren. Bis in die 1930er Jahre wurden Zölle per Gesetz vom Kongress festgelegt. 1 Die Rolle von Zöllen hat über die Jahrzehnte nachgelassen: In den vergangenen 70 Jahren haben Zölle nie viel mehr als zwei Prozent der bundesstaatlichen Einnahmen ausgemacht. Im Haushaltsjahr 2024 haben die USA zum Beispiel 77 Milliarden Dollar an Zöllen eingenommen, rund 1,57 Prozent aller Einnahmen.2
Der Kongress hat seit dem Jahr 1934 das Recht, Zölle zu erheben, nach und nach an den Präsidenten und seine Regierung abgegeben. Ganz frei ist die Administration aber nicht – neue Zölle müssen sich auf eines der entsprechenden Gesetze beziehen. In der politischen Diskussion wird häufig auf die entsprechenden Abschnitte verwiesen. 3
Schon häufiger genutzt wurde der Abschnitt 301 des Trade Acts von 1974. Es gibt dem US-Handelsbeauftragten die Befugnis, Handelspraktiken anderer Länder zu untersuchen und dagegen vorzugehen. In Trumps erster Amtszeit gab es sechs solcher Untersuchungen, fünf davon gegen Verbündete der USA, unter anderem die Europäische Union. Die Untersuchung chinesischer Handelspraktiken führte aber als einzige zur Einführung von Zöllen. Auch die Biden-Regierung nutzte dieses Mittel, um Zölle gegen China aufrechtzuhalten. Der Vorteil von Abschnitt 301 für die Regierung: Der Kongress hat kein Mitspracherecht, die Dauer der verhängten Maßnahmen ist unbegrenzt. Allerdings müssen die Zölle gezielt gegen bestimmte Praktiken eingesetzt werden, grundsätzlich eignet sich diese Regel nicht für flächendeckende Zölle. Das Gesetz von 1974 verlangt vom US-Handelsbeauftragten eine jährliche Übersicht über die Handelspolitik anderer Länder, die jetzt wieder erschienen ist. 4
1962 wurde der Trade Expansion Act beschlossen, dessen Abschnitt 232 dem Präsidenten weitreichende Befugnisse gibt, Zölle oder Einfuhrmengen zu regeln. Anlass muss eine Bedrohung der nationalen Sicherheit sein. Da es dafür keine klare Definition gibt, besteht ein großer Spielraum. Entsprechend hatte die erste Trump-Regierung 2017 festgestellt, dass „wirtschaftliche Sicherheit nationale Sicherheit ist“. Damit erweitern sich die Anwendungsmöglichkeiten wie zum Beispiel bei Zöllen auf Stahl und Aluminium. Eine Analyse des Center for Strategic and International Studies (CSIS) zeigt, dass Gerichte bei der Anwendung von Abschnitt 232 routinemäßig der Regierung Recht geben.5 Abschnitt 232 ist die Basis für die Zölle auf Autoimporte, die Trump verhängte und die jetzt in Kraft getreten sind.
Der Tariff Act von 1930 berechtigt in Abschnitt 338 den Präsidenten, Zölle von bis zu 50 Prozent zu erheben, wenn ein anderes Land den US-Handel diskriminiert. Das muss von der Internationalen Handelskommission der USA festgestellt werden. Der Abschnitt 338 wurde bisher noch nicht angewendet.
Ein weiteres Rechtsinstrument ist der International Emergency Economic Powers Act (IEEPA) aus dem Jahr 1977. Das Gesetz erlaubt dem Präsidenten, Importe zu regulieren, wenn es eine "ungewöhnliche und außergewöhnliche Bedrohung" gibt. Das Gesetz erlaubt eine Vielzahl von Maßnahmen; Voraussetzung ist aber, dass der Präsidenten den nationalen Notstand ausruft. Dieser kann vom Kongress zurückgewiesen werden, wofür es jedoch der Mehrheit in beiden Kammern bedarf. In der Vergangenheit hatte noch kein Präsident von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht; Trump nutzte sie Anfang Februar mit der Begründung einer Einwanderungskrise an der Südgrenze der USA. Rechtsexperten bezweifeln, dass dieses Gesetz geeignet ist, Zölle zu verhängen. Es erwähne Zölle nicht einmal und sei für außerordentliche Notfälle gedacht, so die Rechtsprofessorin Jennifer Hillman. Wenn IEEPA genutzt werde, Zölle zu erheben, bedeute das, dass es in dieser Frage keine Grenzen für den Präsidenten gebe. Das könne die Verfassung und die Gewaltenteilung in den USA untergraben.6
Umfang der Zölle
Zölle seien eines der schönsten Worte im Englischen, hat Donald Trump einmal gesagt. Für ihn sind sie ein zentrales Mittel, um andere Staaten zum Einlenken zu bewegen, die Staatseinnahmen zu erhöhen und die industrielle Produktion in den USA auszubauen. Entsprechend nutzte er dieses Mittel in seiner zweiten Amtszeit von Beginn an, zum Beispiel, um die Nachbarn Mexiko und Canada zu Zugeständnissen zu bewegen und um ausländische Autoimporte zu reduzieren. Als Höhepunkt war seit langem der zweite April angekündigt, als „Tag der Befreiung“ der USA von einem Handelssystem, das zwar maßgeblich von US-Regierungen nach dem zweiten Weltkrieg aufgebaut worden war, jetzt aber zu ihrem wirtschaftlichen Niedergang beigetragen haben soll.
Um die Zölle zu verhängen, erklärte Trump den nationalen Notstand gemäß IEEPA. Nach Ansicht des Weißen Hauses stellt das US-Handelsdefizit einen Notstand dar, weil es Produktionskapazitäten und die industrielle Verteidigungsbasis zerstöre. Das Handelsdefizit betrug im vergangenen Jahr einen Rekordwert von 1,2 Billionen Dollar.7
Die Zölle folgen dem Prinzip der Gegenseitigkeit und sollen widerspiegeln, welche Handelshemmnisse es für amerikanische Ausfuhren in die jeweiligen Länder gibt. Grundsätzlich gilt für alle Länder ein Einfuhrzoll von 10 Prozent, der am 5. April in Kraft treten soll. Für Länder mit höheren Einfuhrhemmnissen sollen am 9. April höhere Zölle eingeführt werden. Dazu gehören 34 Prozent für China, 26 Prozent für Indien, 24 Prozent für Japan und 20 Prozent für die Europäische Union. Vietnam und Kambodscha werden sogar mit Zöllen über 40 Prozent belegt. Für China sollen außerdem bereits eingeführte Zölle weiterhin gelten. Kanada und Mexiko sind derzeit von diesen „reziproken“ Zöllen ausgenommen. Für beide Länder gelten Zölle in Höhe von 25 Prozent, die Trump im Februar verhängt und dann wieder ausgesetzt hatte.
Laut Weißem Haus werden die neuen Zölle nicht addiert, wenn es schon Zölle auf bestimmte Warengruppen gibt - angekündigt für Autos, Stahl und Aluminium und erwartet für Holz, Pharmazeutika oder Halbleiter.
Trump machte deutlich, dass die jetzt verkündeten Zoll-Maßnahmen widerspiegeln, welche Handelshemmnisse es in dem jeweiligen Land gibt. Laut CNN liegt dem eine einfache Kalkulation zugrunde: Das Handelsdefizit des Landes geteilt durch seine Ausfuhren in die Vereinigten Staaten mal 1/2.8
Trump begründete die Zölle mit dem "amerikanischen Traum". Amerikanische Arbeiter, Landwirte und Handwerker hätten mit Schrecken beobachtet, wie ausländische Politiker ihre Arbeitsplätze gestohlen und ausländische Schwindler ihre Fabriken geplündert hätten. „Jetzt sind wir an der Reihe, zu prosperieren." Trump versprachen "Billionen und Billionen an Dollar" um Steuern zu senken und Staatsschulden abzutragen. Das werde schnell gehen, Arbeitsplätze und Fabriken würden ins Land zurückkehren. 9
Dabei helfen sollen auch neue Zölle für Auto-Importe in Höhe von 25 Prozent, die Trump bereits in der vergangenen Woche unterzeichnet hatte und die jetzt in Kraft getreten sind. Sie werden bis Mai auch auf Autoteile ausgeweitet. Die Trump-Regierung will damit die einheimische Autoindustrie fördern, die allerdings selbst auf Importe von fertigen Autos und Autoteilen angewiesen ist. Besonders mit Mexiko und Canada gibt es einen engen Verbund.
Finanzminister Scott Bessent warnte die betroffenen Länder, keine Vergeltung zu üben, denn das werde zu einer Eskalation führen. Sie sollten sich vielmehr zurücklehnen und die Zölle auf sich zukommen lassen.10
Auswirkungen auf US-Wirtschaft
Das Versprechen einer wirtschaftlichen Renaissance leitet die Handelspolitik der US-Regierung. Nachdem erste Zölle und Zollankündigungen an den Finanzmärkten zu negativen Reaktionen führten, erklärten Regierungsvertreter, die Wirtschaft müsse „entgiften“ und die positiven Aspekte würden nach einer gewissen Durststrecke erst richtig zu spüren sein.
Ökonomen und Wirtschaftsexperten warnen aber seit Monaten, dass Trumps Verständnis von Handelsdefiziten und die Hoffnung, mit Zöllen korrigierend eingreifen zu können, in der Praxis nicht den gewünschten Erfolg haben können. Dazu gehört, dass sich die drei Hoffnungen widersprechen: Zölle können nicht Länder zum politischen Einlenken bewegen, ausländische Importe reduzieren und die einheimische Industrie stärken sowie gleichzeitig zu Einnahmen in Milliarden-Dollar-Höhe führen.
Aus Sicht von Präsident Trump und seinen Unterstützern spielt das Handelsdefizit der USA eine zentrale Rolle: Die USA importieren mehr Güter, als sie exportieren. Überschussländer wie China, Japan oder Deutschland seien dafür verantwortlich, mit günstigeren Löhnen, einem geringen Konsum und Überschüssen, die sie dann in den USA investierten – oder „das System mit billigem Kapital überfluten“.11 Zölle seien damit kein wirtschaftspolitisches Werkzeug mehr, sondern eine Verteidigungsmaßnahme.
Die meisten Wirtschaftswissenschaftler sind der Meinung, dass diese Einschätzung von Ungleichgewichten im Welthandel ein falsches Verständnis widerspiegelt. So erklären Chad Bown und Douglas Irwin vom Peterson Institute for International Economics, wenn die Amerikaner wegen der Zölle weniger importierte Waren kauften, erhöhe das den Wert des Dollars - was wiederum amerikanische Exporte weniger wettbewerbsfähig mache. Außerdem würden Exporte unter möglichen Vergeltungs-Zöllen der anderen Länder leiden. Aus diesen Gründen hätten empirische Studien hätten gezeigt, "dass Zölle im Allgemeinen ein unwirksames Mittel zur Veränderung der Handelsbilanz sind".12 Die Handelsbilanz eines Landes werde vielmehr durch seinen Saldo aus Erspartem und Investitionen bestimmt. Da die USA eine geringe Spar-, aber eine hohe Investitionsquote hätten, gebe es Kapitalzuflüsse aus dem Ausland, die zu einem Handelsdefizit führten. Wenn Zölle zu mehr ausländischen Investitionen führen, weil Fabriken in die USA verlegt werden, könne das sogar zu einem noch größeren Handelsdefizit führen.
Das betrifft ein zentrales Versprechen der Trump-Regierung, mit den Zöllen die einheimische Industrie zu stärken und Jobs zu schaffen. Wirtschaftswissenschaftler bezweifeln aber, dass es zu einem umfangreichen Wiederaufbau der Industrieproduktion kommen kann. Ein häufig zitiertes Beispiel ist Deutschland: Im Gegensatz zu den USA steht Deutschland für einen Exportüberschuss, trotzdem ist die Zahl der Industriearbeitsplätze gesunken. In einem Meinungsartikel im konservativen Wall Street Journal heißt es, selbst wenn die Exporte des verarbeitenden Gewerbes in den USA so stark zunehmen würden, dass das Handelsdefizit ausgeglichen werden könnte - was äußerst unwahrscheinlich sei - und wenn die Beschäftigung im gleichen Maße steigen würde, würde der Anteil der Beschäftigten im verarbeitenden Gewerbe nur von 8 % auf 9 % steigen.13 Eine Analyse aus dem Jahr 2020 zeigt zudem, dass Zölle auf Zwischenprodukte wie Stahl vielleicht deren Produzenten helfen, aber für das weiterverarbeitende Gewerbe nachteilige Effekte haben.14
Darüber hinaus ist das von der Administration immer wieder als Begründung angefügte Handelsdefizit mit Blick auf die EU zumindest irreführend, da es eben nicht die Gesamtheit des Handels widerspiegelt, sondern sich auf den Warenhandel fokussiert. Rechnete man den Dienstleitungsbereich mit ein, wo die USA im Jahre 2023 einen Überschuss von mehr als 100 Milliarden Euro verzeichneten, würde sich das gesamte Handelsdefizit deutlich reduzieren.
Aus Sicht von Wirtschaftswissenschaftlern wird es darüber hinaus auch nicht möglich sein, mit Zolleinnahmen die Steuern maßgeblich zu reduzieren: Im Jahr 2023 haben die USA Waren im Wert von 3,1 Billionen Dollar importiert. Um die rund 2 Billionen Dollar Einnahmen aus der Einkommenssteuer mit Zöllen zu ersetzen, müssten die Zollsätze astronomisch sein.15 Hier zeigt sich auch in der Argumentation der Zoll-Befürworter eine gewisse Inkonsistenz: Präsident Trump hatte erklärt, es hänge von den betroffenen Ländern ab, ob und inwiefern auch Absenkungen der Zölle möglich wären, womit er zumindest Handlungsspielräume markierte. Diese wiederum dürfte es nach der reinen Lehre nicht geben, wenn das finale Ziel derselben die Rekompensation der entfallenen Einnahmen der Einkommenssteuer sein soll.
Umfragen zeigen, dass eine Mehrheit der Amerikaner mit Trumps Wirtschaftspolitik unzufrieden ist – dabei war das ein Thema, bei dem er in der Vergangenheit gute Zustimmungswerte hatte. In einer AP-Umfrage sagen jetzt 60 Prozent, dass sie seine Handelspolitik mit anderen Ländern ablehnen und 58 Prozent, dass sie mit seiner Wirtschaftspolitik an sich unzufrieden sind.16
Widerstand im Senat
Die Neuordnung der Handelspolitik ist eines der Kernversprechen Trumps und damit auch der republikanischen Partei, die sich mehr und mehr auf ihren Anführer ausgerichtet hat. Das heißt aber nicht, dass diese Politik uneingeschränkt unterstützt wird. Selbst in Trumps Kabinett gibt es unterschiedliche Einschätzungen, wie sehr Zölle ein Mittel sein können, um Handelsbeziehungen zu verändern und die Staatseinnahmen zu verbessen.
Offen zu Tage getreten ist der Widerspruch nur wenige Stunden nach Trumps Ankündigung des Zoll-Paketes: Im Senat stimmten die vier Republikaner Susan Collins, Mitch McConnell, Lisa Murkowski und Rand Paul mit den Demokraten für eine Entschließung. Damit wies eine Senatsmehrheit den nationalen Notstand zurück, mit dem Trump im Februar Zölle in Höhe von 25 Prozent auf Kanada und Mexiko begründet hatte. Der Präsident bezog sich dabei auf den International Emergency Economic Powers Act (IEEPA) (siehe oben). Das Abstimmungsergebnis im Senat ändert an Trumps Handelspolitik nichts: Der republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses wird eine Abstimmung darüber verhindern. Der Symbolwert der Senatsentscheidung ist aber erheblich; es ist der erste große Bruch mit Trump in seiner zweiten Amtszeit in einer Kammer, in der seine Republikaner die Mehrheit haben. Die vier Senatoren stellten sich gegen öffentlichen Druck des Präsidenten.
Der republikanische Mehrheitsführer John Thune aus South Dakota stimmte nicht für die Entschließung, sagte aber, er habe seine Probleme mit der Zollpolitik: „Ich vertrete einen Bundesstaat, der sehr stark von Exporten abhängig ist.“ In erster Linie gehe es ihm um die Interessen des eigenen Bundesstaates, „aber ich schätze es, dass der Präsident darauf achtet, dass wir bessere Deals bekommen und Unternehmen einen Anreiz geben, hier in den USA aktiv zu sein."17
1 https://www.congress.gov/crs-product/IF11030
2 Ebenda.
3 https://www.cfr.org/report/tariffs-trading-partners-can-president-actually-do
4https://ustr.gov/sites/default/files/files/Press/Reports/2025NTE.pdf
7 https://www.politico.com/news/2025/04/02/trump-tariff-trade-partners-liberation-day-00267350
8 https://www.cnn.com/business/live-news/tariffs-trump-news-04-02-25#cm90rlbba002v3b6n9mnoqq92
9 https://www.foxnews.com/politics/trump-touts-return-american-dream-historic-tariff-announcement
12 https://www.foreignaffairs.com/united-states/incoherent-case-tariffs
14 https://econofact.org/steel-tariffs-and-u-s-jobs-revisited
15 https://www.piie.com/blogs/realtime-economics/2024/can-trump-replace-income-taxes-tariffs
16 https://apnews.com/article/trump-poll-immigration-tariffs-trade-b7a430909606d6b8b27cfbc5049a32b4