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Julian Tucker (KAS Regionalprojekt Nordische Länder)

Rapports pays

Wahlen in Grönland

Ein klares Signal Richtung Unabhängigkeit

Die Grönländer haben ein neues Parlament gewählt. Deutliche Wahlsiegerin ist die liberale Demokraatit-Partei (Demokraten) mit ihrem Vorsitzenden Jens-Frederik Nielsen. Die Demokraten setzten sich überraschend klar gegen die derzeitig amtierende linksgerichtete Koalitionsregierung von Siumut (Vorwärts) und Inuit Ataqatigiit (Gemeinschaft der Inuit) durch. Nielsens Partei verfolgt eine konservative Steuerpolitik, gilt als wirtschaftsliberal und möchte die Unabhängigkeit von Dänemark in einem langfristig angelegten und geordneten Prozess erreichen. Zweitstärkste Kraft im Parlament wurde die nationalistisch-populistische Protestpartei Naleraq (Orientierungspunkt). Als einzige Partei forderte sie im Wahlkampf einen raschen Austritt aus dem dänischen Königreich und eine Annäherung an die USA. Die anstehenden Koalitionsverhandlungen könnten sich angesichts der außenpolitischen Verwerfungen schwierig gestalten. Nielson, ehemaliger Minister für Industrie und Mineralien, kündigte an, mit allen Parteien sprechen zu wollen. Für eine stabile Regierung spräche ein breit angelegtes Bündnis aus Inuit Ataqatigiit, der Partei des bisherigen Ministerpräsidenten Múte B. Egede und eventuell mit der Siumut-Partei.

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Das Wahlergebnis

Am 11. März 2025 wurde in Grönland ein neues Parlament (Inatsisartut) gewählt. Der amtierende Ministerpräsident Múte B. Egede (Inuit Ataqatigiit) hatte Anfang des Jahres das Parlament darum gebeten, die Wahlen vorzuziehen. Als Grund dafür nannte Egede die Drohungen Donald Trumps, Grönland annektieren zu wollen. Von den etwa 40.000 Wahlberechtigten gaben rund 28.600 ihre Stimme ab. Das entspricht einer Wahlbeteiligung von circa 70 Prozent.

Deutliche Gewinnerin der Wahl ist die liberale Demokraatit Partei. Sie verzeichnete einen überraschenden Sieg und konnte sich von 9,25 Prozent im Jahr 2021 auf 29,9 Prozent verbessern. Platz zwei belegte die nationalistisch-populistische Partei Naleraq. Sie erhielt 24.5 Prozent nach 12.26 im Jahr 2021. Enttäuschend fiel das Wahlergebnis für die bisherigen Regierungsparteien aus. Beide Koalitionspartner erhielten rund 15 Prozentpunkte weniger als bei der letzten Wahl. Die Partei des amtierenden Ministerpräsidenten Múte B. Egede, Inuit Ataqatigiit, erreichte lediglich 21,4 Prozent, 2021 waren es noch 37,44 gewesen und Siumut landete bei 14.7 Prozent und nicht wie vier Jahre zuvor bei 30.10 Prozent. Mit Ausnahme der konservativ-unionostisch geprägten Partei Attasut (Verbindung) streben alle im Parlament vertretenen Parteien die Unabhängigkeit Grönlands von Dänemark an. Die Attasut-Partei möchte, dass Grönland Teil Dänemarks bleibt. Bei der Wahl erhielt sie 7,3 Prozent. Damit ist diese Wahl auch ein eindeutiges Votum für eine Unabhängigkeit Grönlands von Dänemark.

 

Die insgesamt 31 Sitze des Parlaments teilen sich nach ersten Berichten wie folgt auf die Parteien auf:

Partei Stimmen 2025 (%) Sitze 2025 Stimmen 2021 (%)
Inuit Atagatigiit 6119 (21.4 %) 7 9933 (37.44 %)
Siumut8 4210 (14.7 %) 4 7986 (30.10 %)
Naleraq 7009 (29.9 %) 8 3252 (12.26 %)
Demokraatit 8563 (29.9 %) 10 2454 (9.25 %)
Atassut 2092 (7.3 %) 2 1878 (7.08 %)
 

 

Mit Sachthemen überzeugt

Im Wahlkampf spielten, neben der Diskussion über die Unabhängigkeit und der Verärgerung über die Einmischung der USA, vor allem die Themen Wirtschaftswachstum, Bildung, Gesundheitswesen, hohe Lebenshaltungskosten, bezahlbarer Wohnraum sowie Bekämpfung der Arbeitslosigkeit eine wichtige Rolle. Für viele Grönländer ist es in den letzten Jahren immer schwieriger geworden, bezahlbare Wohnungen zu finden. In den Außenbezirken Nuuks steigt die Zahl der Menschen, die in temporären Container-Wohnungen unterkommen müssen. Demokraatit hatte, neben der Unabhängigkeitsdebatte, genau auf diese Themenfelder gesetzt und konnte damit punkten. Des Weiteren warb Demokraatit im Wahlkampf für die Stärkung der Wirtschaft - auch um bei einer möglichen Unabhängigkeit von Dänemark finanziell abgesichert zu sein. Von der liberaleren Wirtschaftspolitik der Demokraatit könnten insbesondere die exportstarke Fischerei, die Jagd-, und neuerdings auch die Tourismusbranche profitieren, deren Ausbau einer der zentralen Vorschläge von Demokraatit ist. Die steigende Zahl an Touristen und der Ausbau der größten Flughäfen in Nuuk und Ilulissat hatten in der Vergangenheit für Kontroversen in Politik und Gesellschaft gesorgt. Nicht zuletzt aufgrund befürchteter Umweltschäden, die eine steigende Anzahl an Touristen mit sich bringen könnte. Allerdings spielte das Thema Umweltschutz im aktuellen Wahlkampf eine untergeordnete Rolle.

 

Ein neues Kapitel auf Grönlands Weg in die Unabhängigkeit

Alle im Parlament vertretenen Parteien, außer der liberal-konservativen Atassut, sprechen sich schon seit langem für eine langfristige Unabhängigkeit Grönlands von Dänemark aus. Differenzen gibt es nur hinsichtlich der Geschwindigkeit und der Ausgestaltung des Prozesses. Múte B. Egede trat bisher eher auf die Bremse und befürwortete eine langsame Loslösung von Dänemark. Auch Demokraatit plädiert für ein behutsames Vorgehen. Parteivorsitzender Jens-Frederik Nielsen betonte am Wahlabend nochmals, dass seine Partei für eine schrittweise Unabhängigkeit von Dänemark stehe. Jedoch sei man sich einig, dass zuerst ein ordentliches Fundament geschaffen werden müsse, bevor Grönland die Selbständigkeit vorantreiben könne. 

Die zweitplatzierte nationalistische Protestpartei Naleraq warb als einzige Partei im Wahlkampf für eine rasche Loslösung von Dänemark und propagierte eine Annäherung an die USA. Sie fordert des Weiteren, dass nur diejenigen über die Unabhängigkeit abstimmen dürften, die zur ursprünglichen Bevölkerung Grönlands gehörten. In diesem Zusammenhang forderte die Partei ein „Inuit Register“, um die Herkunft der Grönländer festzustellen. Dies zeigt, wie gespalten die Bevölkerung Grönlands in diesem Punkt ist. Und es besteht die Gefahr, dass Trumps populistische Einlassungen im Wahlkampf in Teilen der Bevölkerung Gehör finden könnten. So zeigen jüngste Erhebungen, dass vor allem in kleinen Siedlungen und Fischerdörfern, wo die Unzufriedenheit mit dem neuen Fischereigesetz hoch ist, der Zuspruch zu Nalerq besonders groß war.

Trump hatte sich in den Wahlkampf wiederholt mit populistischen Aussagen eingemischt und hatte u.a. den Grönländern versprochen, sie sehr reich zu machen, sollten sie sich für einen Beitritt zu den USA entscheiden. Auch hatte er mehrmals mit einer möglichen Annexion Grönlands durch die USA gedroht. Die Aussagen Trumps stießen bei den Grönländern auf Unverständnis und wurden als respektlos wahrgenommen. Umfrage zeigen, dass mehr als 85 Prozent der Grönländer eine Einmischung in interne Angelegenheiten oder gar eine Vereinnahmung ihrer Heimat durch die USA kategorisch ablehnen. Jens-Frederik Nielsen betonte am Wahlabend nochmals, dass externe Akteure wie Donald Trump eine „Bedrohung“ für Grönlands interne Entscheidungskraft darstellten. Auch wirkten sich Trumps Äußerungen störend auf den Unabhängigkeitsprozess von Dänemark aus. Inwieweit es Trump mit seinen Manövern gelingen könnte, die grönländische Gesellschaft zu verunsichern oder zu spalten, bleibt abzuwarten. 

 

 

Außen- und sicherheitspolitische Implikationen

In Dänemark dürfte man den Wahlausgang genau verfolgt haben. Kopenhagen betonte, es liege an Grönland, über seine Zukunft selbst zu bestimmen. Bislang ist Grönland mit seinen rund 56.000 Einwohnern finanziell von Dänemark abhängig. Das Königreich stellt Subventionen in Höhe von mehr als 500 Millionen Euro pro Jahr bereit und finanziert damit fast die Hälfte des gesamten Staatshaushaltes der Insel. Des Weiteren kontrolliert Kopenhagen die grönländische Währungs-, Außen- und Sicherheitspolitik. Jüngst musste die dänische Regierung eingestehen, den militärischen Schutz Grönlands vernachlässigt zu haben und hat Investitionen in Milliardenhöhe angekündigt. Es sollen Marineschiffe und Langstreckendrohen angeschafft und die Flughäfen für den Einsatz von F-35 Kampfjets modernisiert werden. Die geo- und sicherheitspolitischen Interessen der USA, Russlands und Chinas dürfte die grönländische Politik weiterhin beschäftigen. Die strategische Lage der Insel, die auf direkter Route zwischen den USA und Russland liegt, mögliche Schifffahrtsrouten und Rohstoffe, die das abschmelzende Eis aufgrund des Klimawandels bald freigeben könnte, haben Grönland in den Fokus gerückt und Begehrlichkeiten geweckt. Die Grönländer selbst haben 2024 eine eigenständig geschriebene außen- und sicherheitspolitische Strategie vorgelegt. Diese sieht Potential für die Zusammenarbeit mit internationalen Partnern, wie der Europäischen Union, den USA und der NATO und plädiert für ein friedliches Miteinander. 

 

Fazit

Um regieren zu können, benötigt Demokraatit einen Koalitionspartner. Eine Koalition mit Inuit Ataqatigiit würde die nötige Mehrheit (17 Sitze) mit sich bringen.  Beide Parteien verfolgen bei den Themen wie Bildungs- und Sozialpolitik sowie einer inkrementellen Unabhängigkeit die gleiche Linie. In den Bereichen Außen- und Sicherheitspolitik und Wirtschaft verfolgen die beiden Parteien jedoch unterschiedliche Ziele. Während Inuit Ataqatigiit für strengere Umweltauflagen und weniger Freiraum für die Privatwirtschaft plädiert, setzt Demokraatit  auf eine liberale Wirtschaftspolitik.

Eine Zusammenarbeit mit der zweitplatzierten Naleraq ist angesichts der Position der Partei zur Unabhängigkeit, die einen raschen Abbruch der Beziehungen zu Dänemark und engere Beziehungen zu den USA vorsieht, sehr unwahrscheinlich. Auch passt dieses Vorhaben nicht zu dem von Demokraatit befürworteten behutsamen Weg in die Unabhängigkeit und einer klar erteilten Absage an Washington. Mit seiner Ankündigung, sich als erstes um den Wohlfahrtsstaat kümmern zu wollen und nicht um die Unabhängigkeit oder um Trump, dürften Nielsen vielen seiner Landleute aus dem Herzen gesprochen haben, die sich nach den aufgeheizten Debatten der vergangenen Wochen eine Rückkehr zu Sachthemen wünschen, damit lokale Problem angepackt und zügig gelöst werden können.

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