Comptes-rendus d'événement
Gambische Asylbewerber in Deutschland
Gambia wurde bis zur Präsidentschaftswahl im Dezember 2016 für 22 Jahre diktatorisch regiert. Im Januar 2017 wurde Adama Barrow zum neuen Präsidenten Gambias ernannt und löste den Langzeitherrscher Yaya Jammeh ab, der seither im Exil in
Äquatorial-Guinea lebt. Obschon das Land, das inmitten Senegals gelegen ist, das kleinste Land auf dem afrikanischen Kontinent ist und maximal zwei Millionen Einwohner zählt, nimmt es in den Migrationsstatistiken Europas eine herausgehobene Position ein. In Italien zählen Gambier etwa zur fünftgrößten Gruppe der registrierten Ankommenden aus Afrika. Seit fünf Jahren nimmt die Zahl der in Europa registrierten Gambier zu. Nach Italien leben in Deutschland die meisten gambischen Asylbewerber, die Anerkennungsrate ist allerdings sehr gering.
Der seit 2017 regierende und in England ausgebildete Präsident Adama Barrow strebt eine außenpolitische Öffnung und zahlreiche innenpolitische Reformen an. Im April 2018 soll das Land erneut Mitglied des Commonwealth werden. Die schlechte wirtschaftliche Lage im Land und die sehr hohe (Jugend-) Arbeitslosigkeit bewegen jedoch noch immer zahlreiche junge Menschen, vor allem Männer, das Land zu verlassen. Der sogenannte „Backway“, der Landweg über Senegal und Mali nach Libyen nimmt nach wie vor eine starke und in Gambia diskursprägende Funktion in der Gesellschaft ein. Nahezu jeder Gambier kennt persönlich Geflüchtete oder Menschen, die sich auf eine Ausreise vorbereiten.
Afrikanische Perspektive stärker in Migrationsdebatten einbeziehen
Judith Altrogge stellte zu Beginn ihrer Vorträge drei prinzipielle Beobachtungen fest. In der Migrationspolitik würden europäische Interessen prinzipiell wichtiger genommen, als die Belange afrikanischer Staaten. Altrogge führte zur Untermauerung ihres Arguments u.a. an, dass nur wenige afrikanische Staats- und Regierungschefs zum Gipfeltreffen der Europäischen Union (EU) zu Migrationsfragen in Valletta 2015 eingeladen worden seien. Ferner werde die Zivilgesellschaft bisher nur unzureichend in den Prozess der Migrationspolitik eingebunden und die afrikanische Perspektive vernachlässigt.
Die Gründe für eine Migration aus Gambia entsprechen den Gründen in vielen anderen afrikanischen Ländern. Darunter werden immer wieder die hohe Arbeits- und Perspektivlosigkeit genannt, jedoch auch eine hohe Frustration über die politischen Umstände. Seit 2017 kommt hinzu, dass mit dem Machtwechsel von Jammeh zu Barrow viele Menschen große Hoffnungen an eine Verbesserung ihrer Lebenssituation richteten und der Wandel bzw. die Verbesserung der wirtschaftlichen Lage für viele nun zu langsam voran schreitet. Nicht zu vernachlässigen sei jedoch auch, so Altrogge, ein hoher Familiendruck, der auf jungen Männern laste. Familien hätten den Anspruch, dass es einer der Söhne über den „Backway“ nach Europa schaffe, um dort Arbeit zu erlangen und durch Rücküberweisungen die finanzielle Lage der Familie verbessere. Hierbei nehme auch der „Mythos Europa“ und die Vorstellung, dass in europäischen Staaten leicht schnelles Geld zu verdienen sei, eine wichtige Rolle ein.
Die neue Regierung unter Barrow sei jedoch bestrebt, Anreize zu schaffen, damit junge Gambier im Land blieben. Gleichzeitig profitiert das Land sehr von den Rücküberweisungen der im Ausland lebenden Gambier. Die gambische Diaspora trägt etwa 22 Prozent des gambischen Haushalts. Anders als im benachbarten und größeren Senegal zeigt sich die gambische Regierung offen für die Rückkehr gambischer Migranten in ihr Herkunftsland. Es sind oft die klügsten Köpfe, die in den vergangenen Jahren das Land verließen. Für die demokratische Neuordnung des Landes werden gerade diese talentierten Köpfe benötigt, weshalb Barrow starkes Interesse an deren Rückkehr nach Gambia bekundet.
Migration in Westafrika positiv belegt – Stimmung in Gambia ändert sich
Obschon Migration in Westafrika prinzipiell ein positiv belegter Begriff ist und seit Jahrhunderten die freie Zirkulation von Waren und Personen zur Wirklichkeit der Region zählt, scheint derzeit eine Veränderung der Wahrnehmung von Migration in Gambia einzusetzen. Zwar ist das kleine Land Mitglied der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS und ermöglicht seinen Bürgern somit zumindest theoretisch eine freie Mobilität innerhalb der 15 Staaten umfassenden Gemeinschaft, jedoch tragen die zahlreichen desillusionierten Rückkehrer, die von den Gefahren der Route nach Europa berichten dazu bei, dass im Land verstärkt über die Risiken einer irregulären Migration gesprochen wird. Zahlreiche zivilgesellschaftliche Gruppierungen, etwa die von der Deutschen Botschaft vor Ort unterstützte Gruppe „Youth against illegal migration“ (YAIM), tragen durch ihre Sensibilisierungsaktivitäten mit dazu bei, dass ein realistisches Bild der Gefahren einer irregulären Migration Verbreiterung findet.
Im Rahmen der drei Vortragsveranstaltungen wurde außerdem deutlich, wie eng Senegal und Gambia, die in den 1980er Jahren eine Konföderation bildeten, noch immer miteinander verbunden sind. Gambia, das inzwischen vor allem als Auswanderungsland auf sich aufmerksam macht, war ursprünglich selbst ein Einwanderungsland. Dabei kamen 50 Prozent der Einwanderer in Gambia aus dem benachbarten Senegal, vor allem aus der seit 1982 als Konfliktregion bekannten Casamance im Süden Senegals. 2016 lebten in Gambia noch offiziell etwa 8.000 Flüchtlinge, davon 7.500 aus Senegal. Vor 2012 war diese Zahl noch deutlich höher, seit dem Amtsantritt des senegalesischen Präsidenten Macky Sall hat sich der Casamance-Konflikt jedoch deutlich gelegt, weshalb auch die Zahl der aus der Region Ausgewanderten seither deutlich gesunken ist.
Senegal und Gambia sind eng verbunden – in Migrationspolitik unterschiedlicher Ansatz
Inzwischen besteht ein senegalesisch-gambischer Präsidialrat, der alle sechs Monate die Präsidenten beider Länder zu gemeinsamen Konsultationen zusammen bringt. Die Stabilität Gambias ist für den Senegal entscheidend, in wirtschaftlicher aber auch in sicherheitspolitischer Hinsicht. Der Bau der seit Jahren angedachten Brücke über den Fluss Gambia schreitet voran und soll die beiden Länder, vor allem aber auch die Region Casamance mit dem nördlichen Teil Senegals, verbinden.
Herausforderung Migration
In ihrer Zusammenfassung ging Judith Altrogge auf folgende Punkte ein: Die größte Herausforderung für Barrows Regierung bestehe darin, ein Jahr nach der Amtsübernahme erste greifbare Verbesserungen für die Lebenssituation der Bevölkerung vorzuweisen. Diese würde verstärkt ungeduldig und erwarte Resultate, u.a. die Schaffung von Arbeitsplätzen. Es gelte außerdem zu klären, was der Regierung wichtiger sei – die Rücküberweisungen der im Ausland lebenden Gambier in ihr Herkunftsland oder aber deren Fähigkeiten vor Ort, um das Land demokratisch mit aufzubauen. Nichtregierungsorganisationen müssten stärker in die Debatte über Migrationsfragen einbezogen werden und regionale sowie internationale Anstrengungen unternommen werden, um ein effizientes Migrationsmanagement voranzutreiben.
Die Bewältigung der Frage der Rückkehr sei außerdem zentral, so Altrogge. In Deutschland leben derzeit ca. 5.000 Gambier, wovon eine Vielzahl ausreisepflichtig sei. Es gehe auch darum, wie diese Menschen vor Ort integriert und in Gambia neue Perspektiven bekämen. Hierzu sei auch die Stärkung eines Diskurses wichtig, der erkläre, weshalb man in Gambia bleiben solle. Die Nutzung transnationaler Kommunikationswege, v.a. von sozialen Medien, sei hierbei auch zu berücksichtigen.
Bei den Veranstaltungen in Dakar und Ziguinchor konnten neben Wissenschaftlern und zivilgesellschaftlichen Gruppen auch Vertreter des senegalesischen Außenministeriums sowie der Gouverneur und Bürgermeister Ziguinchors begrüßt werden. In Gambia waren neben internationalen Organisationen (EU, Internationale Organisation für Migration, Vereinte Nationen) auch lokale politische Verantwortungsträger, Ministerialbeamte sowie die Botschafterin der Vereinigten Staaten von Amerika in Gambia anwesend.
Die Konrad-Adenauer-Stiftung wird zukünftig ihre Aktivitäten auf Gambia ausweiten und das Land auf seinem Weg der demokratischen Konsolidierung unterstützen. Hierzu soll mit zivilgesellschaftlichen Akteuren, aber auch politischen und wirtschaftlichen Gruppen vor Ort zusammen gearbeitet werden. Die wirksame Reduzierung von Fluchtursachen und die Sensibilisierung für Risiken einer irregulären Migration sollen dabei ebenso thematisiert werden, wie Möglichkeiten einer legalen Migration.
Bei seinem Besuch in Gambia Anfang Dezember 2017 betonte der deutsche Bundespräsident, dass Deutschland zurück in Gambia sei. Die Konrad-Adenauer-Stiftung organisierte Anfang Februar 2018 als erste deutsche politische Stiftung ihre Auftaktveranstaltung nahe Banjul und wird fortan regelmäßig im Land präsent sein.
Die Studie von Judith Altrogge kann unter folgendem Link auf Englisch abgerufen werden: http://www.arnold-bergstraes-ser.de/sites/default/files/gambian_migration_politics_zankeraltrogge.pdf.