Comptes-rendus d'événement
"Kirchen wollen Politik überhaupt erst möglich machen!", führte Generalvikar Paul in die Diskussion ein. Die Besonderheit des Christentums sei die Nächstenliebe auch zum Feind. Ein zum Leiden bereiter Gott stehe im Widerspruch zur Vorstellung unbegrenzter Selbstverwirklichung. Basis für eine gute Politik seien die Kardinaltugenden des Christentums, die sich oft auch in anderen Religionen wiederfänden. Diese relativierten zugleich einen Absolutheitsanspruch von Politik.
Paul trat dem Gedanken entgegen, christlich motivierte Politik sei fortschrittsfeindlich. Statt Sterbehilfe fordere sie aber eine Verbesserung der Palliativmedizin. Zu Abtreibung und Behinderungen: Gegen den Anspruch auf genetisch "perfekte" Wunschkindern stelle sie das Prinzip der unbedingten Liebe. "Der Sonntag ist unbezahlbar!", insistierte Paul, der auch darauf bestand, dass Marktwirtschaft auch ökologische und soziale Verpflichtungen einzuhalten habe. Ziel des Wirkens der Kirche auf die Politik sei es, Ethik und Sachverstand zusammenzubringen. Doch widersprach er einer Moralisierung von Politik: "Niemand hat das Recht, die Kirche für seine eigene Meinung in Anspruch zu nehmen!"
Komplexitätsverweigerung
Mit einem Luther-Zitat näherte sich Dirk Heuer ironisch dem Verhältnis von Politik und Kirche: "Der Teufel ist auf beiden Seiten!" Heuer hob zugleich die Rolle Hermann Ehlers' bei der Gründung der CDU hervor: "Soll man als Christ in die Politik? Hermann Ehlers sagte 'Ja!'". Ganz im Gegenteil gelte die Kritik jenen, die moralisierten ohne selbst Verantwortung zu übernehmen. Politik stecke in einer Reihe von Zwickmühlen. Kurzfristige Orientierung an aktuellen Wählerstimmzungen stünden mitunter im Widerspruch zu einer nachhaltigen Politik. Dem Anspruch, angemessen und differenziert zu analysieren stehe das Verlangen von Bürgern und Medien nach populistischen Tönen entgegen. Das Stichwort: "Komplexitätsverweigerung". Zudem stünden manchmal verklärende Ideale gegen die raue Wirklichkeit. Als Ideal gelte die Mehrgenerationenfamilie, die aber mit der vom Arbeitsmarkt geforderten Mobilität im Widerspruch stehe. Bei der Verkürzung von Schul- und Studienzeiten stünden Bildungsideale ebenfalls im Gegensatz zum Arbeitsmarkt.
"In der Politik braucht ein Christ Mut zur eigenen Meinung und muss bereit sein, dafür Spannungen auszuhalten. Und: Er muss Zuversicht verbreiten", lautete der Einstieg von Staatssekretär Kues ins Thema des Abends: "Wir müssen es schaffen, Menschen Mut zu machen!" Dazu sei die Familie der beste Rahmen. "Sie hält, sie trägt, sie gibt Gelassenheit", begründete Kues sein Engagement im Familienministerium. Kues forderte Kompromissfähigkeit von Politikern. Menschen erwarteten pragmatische Lösungen, nicht das Beharren auf Grundsatzpositionen. Dabei gelte es, auf gesellschaftliche Änderungen einzugehen. Insbesondere Frauen Beruf und Familie nebeneinander zu ermöglichen, sei heute vital für den Erhalt von Familien. Für viele Frauen sei der Beruf heute Teil ihres Selbstwertgefühls – und dies fördere den Zusammenhalt in der Ehe. Kues hob unter anderem den ökumenischen Charakter der CDU hervor und verwies auf die Wurzeln der Partei: "Die CDU wurde nicht zuletzt in den (Gestapo-)Gefängnissen in Tegel gegründet." Das Spannungsverhältnis zwischen Christentum und Politik führte Kues auf den Gegensatz zwischen dem "Wahrheitsprinzip" der Kirche und dem "Mehrheitsprinzip" der Politik zurück. Als Abgeordneter sei er letztlich verpflichtet, nach eigenen Werten zu entscheiden. Bischöfe hätten darauf keinen Einfluss.