Trotz Verlust klarer Sieg für Regierungspartei
Die von Präsident Alassane Ouattara angeführte Regierungspartei RHDP geht als Sieger aus den Parlamentswahlen hervor. Vorläufigen Ergebnissen der nationalen Wahlkommission CEI zufolge gewann die RHDP 137 der 255 Sitze. Im Vergleich zu 2016 büßt sie damit 30 Mandate ein, unter anderem verlieren sieben aktive Minister ihre Parlamentssitze und müssen nun vor der anstehenden Regierungsumbildung um ihre Posten bangen. Die Oppositionsparteien PDCI (unter Ex-Präsident Bédié), EDS (unter Ex-Präsident Gbagbo) und FPI kommen insgesamt auf 91 Sitze. Das Bündnis GPS um den sich im Exil befindenden Ex-Premier Guillaume Soro nahm nicht an den Wahlen teil und hielt an seiner Boykotthaltung fest. 26 unabhängige Kandidatinnen und Kandidaten schafften den Einzug ins Parlament, wobei abzuwarten bleibt, ob sie ihr parteiloses Banner weiterhin hochhalten oder sich einer Partei anschließen werden. Präsident Ouattara verfügt damit auch in seiner viel diskutierten dritten Amtszeit über eine komfortable Mehrheit in der Nationalversammlung.
Geringes Interesse, geringes Vertrauen
Die Wahlbeteiligung lag bei enttäuschenden 37,88 Prozent (2016: 34,11 Prozent), obwohl zum ersten Mal seit über einem Jahrzehnt alle wichtigen politischen Parteien des Landes an der Wahl teilnahmen. Begründet liegt dies sicherlich darin, dass die Nationalversammlung im ivorischen Präsidialsystem eine eher untergeordnete Rolle im Politikalltag spielt. Zusätzlich dürfte die seit Januar dieses Jahres wieder präsentere Covid-19-Pandemie so manche Wählerinnen und Wähler vom Gang an die Urne abgeschreckt haben.
Die erneut niedrige Wahlbeteiligung lässt trotz der Teilnahme aller Oppositionsparteien aber auch auf einen tiefgreifenden und multikausalen Vertrauensverlust der Bevölkerung in die ivorische Politik schließen. Begründen lässt sich dies wie folgt:
- Angst vor Gewalt: Teile der Bevölkerung haben den erneuten Gewaltausbruch im Zuge der Präsidentschaftswahlen noch in den Köpfen und haben sich deswegen gegen eine Teilnahme entschieden. Auch die schwere post-elektorale Krise 2010/11 ist nur teilweise aufgearbeitet, insbesondere auch in den politischen Parteien;
- Fragiler politischer Dialog: Zwar tauschen sich Opposition und Regierung und insbesondere auch Präsident Alassane Ouattara und Ex-Präsident Henri Konan Bédié (PDCI) auf einem Mindestmaß aus, für viele Wählerinnen und Wähler bleibt der nationale Kohäsionsprozess jedoch oberflächlich und unklar;
- Fehlende Erneuerung der politischen Elite: Der ivorischen Politik fehlt es nicht nur an der Spitze (Ouattara, Bédié, Gbagbo) seit Jahren an neuem Personal und inhaltlicher Programmatik. Die Kandidatenlisten der etablierten Parteien enthielten nur vereinzelt neue Gesichter. Eine überbordende Ämterhäufung steht seit Jahren auf der Tagesordnung. So hat eine Vielzahl der 47 Minister und Staatssekretäre gleichzeitig Parlaments- und Regionalmandate sowie Bürgermeisterämter inne.
Wie geht es weiter?
Nach den zwei wichtigsten Wahlen innerhalb von vier Monaten hat der weltweit größte Kakaoexporteur und Reformpartner Deutschlands nun die Gelegenheit, sich tiefergehend zu konsolidieren und zu reformieren. Kurzfristig dürfte angesichts des zweiten Todes eines ivorischen Premierministers in neun Monaten und weiteren gesundheitlich angeschlagenen Personen in Spitzenpositionen die Neuordnung der Exekutive in den Fokus rücken. Macht- und Positionskämpfe in der Regierungspartei, auch in Hinblick auf eine mittelfristige Nachfolge Ouattaras, sind zu erwarten. Auch Themen wie die Reform des Sicherheitssektors und die Dauersicherheitskrise der Sahelregion, welche zunehmend negative Auswirkungen auf Küstenstaaten wie Côte d’Ivoire hat, müssen thematisiert werden. Wirtschaftlich steht das Land in den nächsten fünf Jahre vor allem vor der Herausforderung, sein Wachstum nachhaltig (Klima, Umwelt, Fischerei, Lieferketten etc.) und insbesondere für die sehr junge Bevölkerung inklusiv zu gestalten. Gesellschaftlich wird hingegen der nationale Versöhnungsprozess im Vordergrund stehen, wobei der Rückkehr von Ex-Präsident Gbagbo eine zentrale Rolle beigemessen wird. Mit dem verstorbenen Hamed Bakayoko wird hier eine zentrale Figur fehlen, der es zuletzt gelang, zentrale Akteure an einen gemeinsamen Tisch zu bringen. Zu hoffen bleibt außerdem ein stärkerer Fokus auf Verbesserungen in der Gesundheits- und Bildungspolitik.