Comptes-rendus d'événement
Einen besonderen Stellenwert erfuhr die Veranstaltung durch den Empfang beim Bürgermeister der Stadt Lippstadt, Christof Sommer, der den Referenten sowie die Veranstalter vorab im Rathaus empfing.
Die Begrüßung und Eröffnung erfolgte im Namen der Veranstalter durch die Leiterin des Bildungswerks Dortmund der Konrad-Adenauer-Stiftung, Elisabeth Bauer, Dr. Olav Freund, Vorsitzender der GFW in Lippstadt moderierte die Veranstaltung.
Das Thema der Neuausrichtung und Reform der Bundeswehr erhielt leider eine zusätzliche Aktualität durch den kurz zuvor in Afghanistan im Einsatz getöteten Soldaten, dem zu Beginn in einer Schweigeminute gedacht wurde.
Der Lippstädter Bürgermeister begrüßte im Anschluss die mehr als 100 interessierte Bürgerinnen und Bürger im historischen Ratssaal und wies in seinen einführenden Worten auf die besondere Tradition der Stadt zum Militär und zur Bundeswehr hin. So erklärte er , dass in Lippstadt u.a. ein ehemaliger Bürgermeister Angehöriger der Bundeswehr war. In Lippstadt gehörte die Bundeswehr immer zur Gesellschaft. Auch wenn der Standort vor einigen Jahren geschlossen wurde, so sei die „Garnisonsstadt Lippstadt“ Teil der Geschichte der Stadt.
Hellmut Königshaus, seit 2010 Wehrbeauftragter des Bundestages, eröffnete seinen Vortrag mit grundlegenden Gedanken über die Besonderheit des Soldatenberufes. Er verwies auf die hohen persönlichen Risiken und die große Bandbreite von verschiedenen Einsätzen hin, deren Abgrenzung nicht immer ganz leicht sei und die heute zum Alltag des Soldatenlebens gehören. So sei die Neuausrichtung der Bundeswehr ein zentrales Thema von höchster Relevanz und das nicht nur für die Soldaten selbst.
Die radikale Minimierung der Bundeswehr sei, so Königshaus, ein seit der Wende anhaltender Trend, der nun seine äußerste Grenze erreicht habe. Innerhalb von 20 Jahren sei die Armee um 2/3 geschrumpft, von rund 600000 nach der Wende auf nun 190000. Er erinnerte daran, dass im Einigungsvertrag noch von einer Stärke der Bundeswehr von 360000 Mann ausgegangen wurde.
Die momentane Reform sei die radikalste, die es bisher in der Geschichte der Bundeswehr gegeben habe, von 600 Dienststellen seien 520 von der Reform betroffen. Dies bedeute, dass „kein Stein mehr auf dem anderen bleibt.“
Daraus leitete Königshaus verschiedene Problemfelder ab, die es zu bearbeiten gelte.
Da die Bundeswehr trotz Personal- und Finanzkürzungen noch immer ein weitreichendes Aufgabenspektrum erfüllen müsse, wobei schon jetzt in einigen Bereichen eine deutliche Überlastung zu beobachten sei, stelle dies für eine verschlankte Bundeswehr eine erhöhte Herausforderung dar. Er mahnte an, unabhängig von direkten Bündnisverpflichtungen nicht die weiteren internationalen Verpflichtungen wie z.B. die Sicherung der freien Seewege zu vergessen, die mitnichten aus eigenen wirtschaftlichen Interessen erfolgten. Mit einer in den Planungen stark reduzierten Marine wäre eine Übernahme der Verpflichtungen im nötigen Maß nicht mehr möglich.
Wegfall der Wehrpflicht
Unabhängig von den aktuellen und diskutierten Zahlen machte Königshaus auf ein generelles Problem aufmerksam – dem Wegfall der Wehrpflicht. Dadurch sei der Bundeswehr das beste Instrument für die Rekrutierung von Berufssoldaten genommen. Hinzu komme eine generelle Verunsicherung in der Truppe. So gäbe es Zahlen, dass 66% der Führungskräfte der Bundeswehr den Soldatenberuf heute nicht mehr ergreifen würden. Dieser Tatbestand gekoppelt mit dem Problem dass heute junge Soldaten nur eingeschränkte Karrierechancen besäßen, stellt die Bundeswehr vor ganz neue Herausforderungen. Befördert wird heute nur noch dort, wo noch Kapazitäten vorhanden sind.
Problem des demographischen Wandels
Das Hauptproblem für die weitere Zukunft und Entwicklung der Bundeswehr läge aber – so der Referent – im demographischen Wandel. Er verdeutlichte dies anhand von Zahlen für das Jahr 2025: Wolle man die Altersstruktur in der Bundeswehr aufrecht erhalten, so müsse dann umgerechnet jeder 10. junge Mann eines Jahrgangs sich für den Dienst in der Bundeswehr entscheiden. Diese Berechnung wurde mit den entsprechenden Zahlen belegt. Im Jahr 2025 werden 620000 junge Menschen in dem Alter sein, davon ca. 50 % junge Männer. Der Annahme zugrunde liegt ferner ein Frauenanteil von 15 %. Es wurde ein jährlicher Bedarf von 40000 jungen Menschen ermittelt, so dass dann ca. 35000 junge Männer sich für die Bundeswehr entscheiden müssten.
Ein weiteres Kriterium, das den Beruf zunehmend unattraktiv erscheinen lasse, seien die in der Regel auf 3 Jahre ausgewiesenen Standortzeiten, was eine Belastung der Familien darstelle. Aus diesem Grund würden schon heute ca. 70% der Soldaten pendeln. Königshaus plädierte dafür in der Reform Schwerpunkte zu bilden, sodass eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf besser möglich sein.
Die jetzige Situation sehe zudem so aus, dass zur Zeit ständig 1/3 der Belegschaft durch Ausbildung gebunden sei. Dies gäbe es weder in einem Unternehmen noch in einer Behörde, auch da bedürfe es anderer Lösungen.
Durch die Kürzungen des Bundeswehretats müssten des Weiteren auch Prioritäten bei der Beschaffung der Ausrüstung gesetzt werden, da die geplanten Kürzungen in manchen Bereichen den Einheiten nicht mehr den höchstmöglichen Schutz bieten könnten. Diese Tatsache stufte Königshaus als hoch problematisch ein.
Für einen großen Teil der genannten Probleme bot Königshaus jedoch auch mögliche Lösungsansätze an, wie die Reform sinnvoll gestaltet werden könnte. Neben einer Verlängerung der Stehzeiten und einer Verringerung der Pflichttore in der normalen Laufbahnentwicklung regte er Spezialisierungen der Soldaten an. Dies sei sowohl in Hinblick auf die Reform wie auch mit Blick auf die zukünftigen Aufgaben geboten.
Positiv hob er hervor, dass die ersten Schritte der Reform auch vor dem Ministerium nicht halt gemacht hätten. Hohe Militärs, die Positionen im Ministerium bekleidet hätten, seien wieder zur Truppe zurückgekehrt und würden von dort aus Empfehlungen vornehmen und Einschätzungen abgeben.
Auch organisatorisch sei durch die Neugründung des Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr ein nachhaltiger Fortschritt erreicht worden. Ebenso müsse geprüft werden, inwiefern weitere nicht-militärische Bereiche ausgelagert werden könnten.
Europäische Armee
In der anschließenden Diskussion wurde u.a. die Möglichkeit einer europäischen Armee, die unter sich verschiedene Kompetenzbereiche aufteilt, erörtert. Dies wurde von vielen kritisch betrachtet, u.a. mit dem Argument der Verteidigung als nationaler Aufgabe. Königshaus vertrat die Ansicht, dass dies wünschenswert sei, aber wohl kaum durchführbar. Die Verfasstheit der einzelnen Mitgliedsstaaten liesse eine solche auch nicht zu. Als Beispiel nannte er Deutschland und Frankreich. In Frankreich kann der Präsident einen Militäreinsatz befehlen, in Deutschland muss das Parlament die Zustimmung erteilen. In der Praxis der Auslandseinsätze zeige sich aber schon heute ein gemeinsames Handeln.
Angesprochen auf seine Aufgabe als Wehrbeauftragter des Bundestages erläuterte Königshaus, dass er sich als Anwalt der Soldaten und Soldatinnen sähe, es sei seine Aufgabe die Interessen der Soldaten gegenüber der Politik zu vertreten und dort Standfestigkeit zu zeigen. Je entschiedener und unerbittlicher er auf bestimmte Missstände hinweise, desto eher kämen erfolgreiche Maßnahmen auf den Weg – diese Erfahrung habe er auch schon gemacht.
Das Interesse der Teilnehmer war so groß, dass die Diskussion noch um einiges länger hätte weitergeführt werden können. Insgesamt wurde der Vortrag wie auch die Diskussion positiv bewertet, insbesondere weil er inhaltlich differenziert und ausführlich war und der Referent zudem klare Positionen vertrat.