Lesen, Schreiben und Rechnen sind grundlegende Fähigkeiten. Doch viele Schülerinnen und Schüler erwerben sie nicht in ausreichendem Maße. Bereits in der Grundschule verliert jedes vierte Kind im Lesen den Anschluss, in Mathematik sind es sogar 30 Prozent. Trotz zahlreicher Maßnahmen konnte dieser negative Trend nicht gestoppt werden. Das Bildungssystem findet bisher keine wirksamen Antworten auf die zunehmende Heterogenität der Schülerinnen und Schüler und die wachsenden Herausforderungen im Unterricht. Um die Krise der Basiskompetenzen zu bewältigen, braucht es daher gezielte, evidenzbasierte Förderansätze, die sich schnell umsetzen lassen.
Ein vielversprechender Ansatz ist das High-Impact Tutoring (HIT) – eine hochfrequente, individualisierte Förderung in Kleingruppen durch geschulte Tutorinnen und Tutoren. Zahlreiche Studien belegen, dass HIT erhebliche Lernfortschritte bewirken kann, oft im Umfang von bis zu einem zusätzlichen Schuljahr. Besonders benachteiligte Schülerinnen und Schüler profitieren von dieser Methode. Ein wesentlicher Vorteil ist, dass HIT nicht zwingend von ausgebildeten Lehrkräften durchgeführt werden muss. Nach gezielter Schulung können auch Studierende oder Honorarkräfte wirksame Förderung leisten. Darüber hinaus verbessert HIT nicht nur die Leistungen der Geförderten, sondern wirkt sich auch positiv auf das Klassenklima aus: Es reduziert Verhaltensprobleme und entlastet Lehrkräfte.
Damit HIT seine volle Wirkung entfalten kann, müssen bestimmte Qualitätskriterien erfüllt sein. Erfolgreiche Programme zeichnen sich durch eine enge Abstimmung mit dem Schulcurriculum, eine hohe Betreuungsintensität mit mindestens drei Sitzungen pro Woche sowie eine systematische Datenauswertung aus. Zudem ist es entscheidend, dass Tutorinnen und Tutoren gut geschult werden und die Förderung direkt an den Schulen stattfindet, um die Teilnahme möglichst vieler Schülerinnen und Schüler sicherzustellen.
Internationale Erfahrungen zeigen, dass HIT in großem Maßstab erfolgreich umgesetzt werden kann. In den USA und Großbritannien haben staatlich geförderte Programme mit Milliardenbudgets Millionen von Schülerinnen und Schüler erreicht.
Auch in Deutschland gibt es großes Potenzial für eine flächendeckende Einführung von HIT. Das Startchancen-Programm stellt eine einzigartige Gelegenheit dar, um gezielte Förderstrukturen aufzubauen. Die Kosten für HIT sind dabei moderat: Mit etwa 300 Euro pro Schülerin/Schüler im Jahr lassen sich erhebliche Lernzuwächse erzielen. Flächendeckend umgesetzt, könnte ein solches Programm jährlich bis zu 100.000 zusätzliche Lernjahre generieren.
Um HIT erfolgreich in Deutschland zu etablieren, sollte die Einführung in drei Schritten erfolgen: Zunächst gilt es, wirksame Programme zu identifizieren und in Modellschulen zu erproben. Nach einer erfolgreichen Testphase sollten sie skaliert und kontinuierlich evaluiert werden. Parallel dazu müssen die Programme weiterentwickelt und an neue Herausforderungen angepasst werden. So bietet High-Impact Tutoring eine effektive, wissenschaftlich fundierte Möglichkeit, der Krise der Basiskompetenzen entgegenzuwirken. Eine gezielte Förderung dieser Maßnahme im Rahmen des Startchancen-Programms könnte einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Bildungschancen in Deutschland leisten.
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O ovoj seriji
Die Reihe informiert in konzentrierter Form über Analysen der Konrad-Adenauer-Stiftung zu relevanten aktuellen Themen. Die einzelnen Ausgaben stellen zentrale Ergebnisse und Empfehlungen eigener und externer Expertinnen und Experten vor, bieten Kurzanalysen von rund fünf Seiten und nennen KAS-Ansprechpartnerinnen.