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Rumänische Regierung stürzt über Misstrauensvotum

Regierung Ungureanu fällt nach nur 76 Tagen im Amt

Für das Misstrauensvotum unter dem Titel „Stoppt die erpressbare Regierung. Nicht so, nie so“ stimmten 235 Abgeordnete, womit die notwendige Stimmenzahl von 231 überraschend deutlich übertroffen wurde. Mit der Regierungsbildung beauftragte Staatspräsident Basescu den Vorsitzenden der Sozialdemokraten, Victor Ponta.

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Die Regierungsmehrheit war in den Tagen vor dem Misstrauensvotum bis auf wenige Stimmen geschrumpft, nachdem Abgeordnete der regierenden Demokratisch-Liberalen Partei das Lager gewechselt hatten. Bis kurz vor der Abstimmung fanden im Parlament intensive Verhandlungen zum Abstimmungsverhalten statt, die schließlich zu einer Mehrheit für den Antrag führten. Im Anschluss an die Abstimmung brach die im Land befindliche Delegation des Internationalen Währungsfonds die politischen Gespräche ab und die rumänische Währung RON fiel auf einen historischen Tiefststand.

Nach dem Rücktritt der Regierung Emil Boc im Januar 2012 als Folge anhaltender regierungskritischer Demonstrationen und der Ernennung der Regierung Mihael Razvan Ungureanu am 9.2.2012 wird Rumänien in wenigen Tagen bereits die dritte Regierung des Jahres 2012 haben.

Kabinett Ungureanu nur 76 Tage im Amt

Der jetzt scheidende Premierminister Ungureanu sollte nach den öffentlichen Protesten und dem Rücktritt Emil Bocs die Glaubwürdigkeit der Regierungsarbeit erhöhen und damit eine Fortsetzung der Regierungskoalition nach den Parlamentswahlen ermöglichen. Tatsächlich reagierte die Öffentlichkeit zunächst positiv auf die Ernennung Ungureanus, dem 29 Prozent der Befragten ihr Vertrauen aussprachen. Damit zog der Premierminister mit dem Oppositionsführer Vicor Ponta gleich und übertraf seinen Vorgänger Boc deutlich.

Die Zustimmung ging aber rasch auf nur noch 20 Prozent zurück, nachdem die Regierung einige umstrittene Entscheidungen getroffen hatte. Dazu zählte die Privatisierung von Kupfer- und Erdgasförderung, die Gründung einer ungarischsprachigen Abteilung in der medizinischen Universität von Targu Mures sowie ein Gesetzentwurf zur Beschränkung der Rückgabe verstaatlichten Eigentums auf 15 % des ursprünglichen Wertes. Auch in den Reihen der regierenden PDL nahm die Unterstützung für Ungureanu ab, nachdem dieser sich einer Vorzugsbehandlung für von der PDL regierten Kommunen und Bezirke verschlossen hatte. In der Folge wechselten PDL-Mitglieder die Seiten, schon Mitte April verlor die Regierungskoalition die Mehrheit im Senat und die Mehrheit in der Abgeordnetenkammer schrumpfte zusehends.

Die Opposition nutzte diese Entwicklung zur Einbringung des Misstrauensantrags unter dem Titel "Stoppt die erpressbare Regierung. Nicht so, nie so!". In dem Antrag warf die Opposition der Regierung vor, den Erpressungsversuchen von internationalen Konzernen nachgegeben und Lizenzen zur Rohstoffförderung ohne eine öffentliche Debatte und nach einem intransparenten Verfahren vergeben zu haben. Zudem hätte die Regierung der Erpressung der PDL nachgegeben und den „PDL-Baronen“ bedeutende Haushaltsmitteln vor den Wahlen zugeteilt. Schließlich wäre die Regierung auch der Erpressung durch den Koalitionspartner Ungarnverband erlegen. Premierminister Ungureanu entkräftete die Beschuldigung in seiner Rede vor dem Parlament, ohne dass dieses Auswirkungen auf das Abstimmungsverhalten gehabt hätte.

Instabile Koalition vor dem Votum

Der Sturz der von der Allianz aus der Demokratisch-Liberalen Partei PDL, der Union für den Fortschritt Rumäniens UNPR, dem Ungarnverband UDMR und den Vertretern der Minderheiten getragenen Regierung beendet eine in hohem Maße instabile Koalition. Premierminister Ungureanu war als Mitglied der Nationalliberalen Partei in der Zeit von 2004 bis 2007 Außenminister und wurde Ende 2007 von Staatspräsident Basescu zum Leiter des Auslandsgeheimdienstes ernannt, weshalb seine Parteimitgliedschaft ruhte. Ungureanu bezeichnet sich nach Regierungsübernahme ausdrücklich als Mitglied der PNL, was deren Vorsitzender Crin Antonescu allerdings öffentlich widerrief.

Die Nationalliberalen Partei PNL hat gemeinsam mit den Sozialdemokraten PSD und der Konservativen Partei PC eine Oppositionskoalition unter dem Namen Sozialliberale Union USL gebildet. Für den Ungarnverband und die Vertreter der Minderheiten war in der Vergangenheit die Vertretung der Interessen ihrer Klientel immer wichtiger, als die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Regierung. Vertreter der Minderheiten haben für das Misstrauensvotum gestimmt und damit den Fall der Regierung ermöglicht.

Die UNPR besteht vor allem aus Überläufern der PNL und PSD, die sich zunächst im Parlament zusammengeschlossen und später als Partei konstituiert haben. Die UNPR hat zwar gegen den Misstrauensantrag gestimmt, aber bereits angekündigt, bei der anstehenden Abstimmung für die neue Regierung zu stimmen.

Die PDL unter der Führung des ehemaligen Premierministers Emil Boc befindet sich in einer tiefen Krise. Sie leidet unter internen Machtkämpfen und dem in Rumänien üblichen politischen Nomadentum, von dem die Partei einst selbst profitierte, das sich aber nun als Abwanderung von teilweise hochrangigen Parteimitgliedern manifestiert. Mehr als alle anderen Koalitionspartner wurde die PDL für die Sparpolitik der Regierung in Verantwortung genommen. Ihre Aussichten für die Kommunalwahlen im Juni und die Parlamentswahlen im November hatten sich auch durch den Rücktritt der Regierung Boc nicht verbessert.

Parteivorsitzender Boc erklärte die Koalition nach dem Misstrauensvotum für beendet und benannte keinen neuen Kandidaten für das Amt des Premierministers. Er selbst kündigte an, bei den Kommunalwahlen für das Amt des Bürgermeisters der Stadt Klausenburg zu kandidieren.

Amtsenthebungsverfahren gegen Staatspräsidenten wahrscheinlich

Sollte sich die jetzt abzeichnende Mehrheit im Parlament festigen, wird auch ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Staatspräsidenten wahrscheinlich. Die Gründung der USL fußte von Beginn an auf dem Ansinnen, eine für die Entlassung des Staatspräsidenten notwendige Mehrheit zu erzielen. Eine Begründung für das Amtsenthebungsverfahren könnte – wie schon bei der Suspendierung im Jahr 2007 – konstruiert werden und müsste nicht auf konkreten Verfehlungen des Staatspräsidenten aufbauen. Anders als im Jahr 2007 könnte das auf die Suspendierung des Staatspräsidenten folgende Referendum tatsächlich zur Absetzung Basescus führen, denn die Popularität des Staatspräsidenten ist seither erheblich zurückgegangen. Für dann notwendige Neuwahlen steht der Vorsitzende der Nationalliberalen, Crin Antonescu in den Startlöchern.

Oppositionsrolle könnte PDL nutzen

Die anstehenden Entscheidungen über die Erhöhung der Beamtengehälter und der Pensionen, die Entschädigung für die Opfer der Verstaatlichung von Privatbesitz, die Privatisierung von staatlichen Betrieben und die Erhöhung der Steuerdisziplin werden zeigen, wie groß der Handlungsspielraum der neuen Regierung tatsächlich ist und über welche politischen Schnittmengen die Regierungskoalition jenseits des gemeinsamen Ziels verfügt, die Regierungsmacht zu übernehmen. Die Entzauberung der USL wird mit dem ersten Tag der Regierungsübernahme beginnen.

Für die PDL wird es bei den Parlamentswahlen im November nach jetzigem Stand nicht mehr um Rückkehr an die Regierung gehen, sondern um den Fortbestand als starke politische Kraft, welche die Wählerschaft des Mitte-Rechts-Spektrums erfolgreich anspricht. Der Wahlkampf aus der Opposition heraus könnte sich dabei als ein Vorteil erweisen. Eine nicht mehr Regierungs- und Koalitionszwängen unterliegende, um einige politische Opportunisten erleichterte Partei dürfte sich bei der Mobilisierung der Wähler leichter tun. Voraussetzung dafür wäre freilich, dass die PDL sich schnell in die Rolle der Opposition einfindet, zu alter Geschlossenheit zurückkehrt und bei den Kommunalwahlen im Juni nicht einbricht.

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