„Manche Widerstandsaktionen hätten den Lauf der Geschichte geändert, wären sie erfolgreich gewesen, wie das Attentat vom 20. Juli 1944 oder der Volksaufstand in der DDR am 17. Juni 1953“, sagte Dr. Wolfgang Schüssel. Dabei fände Widerstand in zahlreichen Formen statt: Als legitimer Protest in einer Demokratie oder als Aufbegehren gegen eine Diktatur; in gewaltfreier Form wie bei Gandhi oder im Geheimen, wie bei den polnischen Untergrund-Universitäten; als militärischer Widerstand wie bei Che Guevara auf Kuba oder als organisierter wie bei der französischen Résistance. „Oder er findet im Kleinen statt, wenn ein Einzelner sein Leben riskiert, weil er sich dem Kriegsdienst verweigert.“ Hierbei spiele oft die Religion eine Rolle als letzte Barriere gegen Totalitarismus. „Denn Religion bietet die Chance, frei vom totalen Zugriff eines Systems auf den Menschen in dieser Welt tätig zu sein“, so Schüssel.
Europa als Impfstoff
Auch heute gebe es überall zahlreiche Formen des Widerstands, denn die Menschen seien sensibler gegenüber Missständen geworden. Ob auf dem ägyptischen Tahir-Platz, bei Protesten gegen Sparmaßnahmen in Griechenland, Selbstverbrennungen in Tibet oder Märschen für den Umweltschutz – und es sei nicht ausgemacht, dass ein Scheitern zu einem bestimmten Zeitpunkt das endgültige Scheitern des Widerstandes bedeute.
Europa sei ein grandioser Impfstoff gegen viele Gefahren der Vergangenheit, doch viele junge Menschen verstünden heute nicht mehr die Frage von Krieg und Frieden, weil sie eine ganz andere Wahrnehmung der Welt hätten. „Dabei ist dieses Frage auch heute noch aktuell und der Frieden kann nur gesichert werden, wenn der Zusammenhalt in Europa funktioniert“, mahnt Schüssel.
Daher gelte es, wachsam zu bleiben, um nicht verführt zu werden. Damit Europa funktionieren kann, müsse es gegenseitig seine Geschichte kennen. „Dafür bräuchten wir ein europäisches Geschichtsbuch, das jungen Menschen die unterschiedlichen Perspektiven nahebringt, damit wir eine europäische Erzählung bekommen, die die Menschen mitzieht.“
Europa sollte ein Kontinent der Zuversicht sein und dürfe nicht dulden, dass 50 Prozent der jungen Spanier heute keine Arbeit haben. „Da müssten die europäischen Institutionen ran und dann wir müssen auch nicht angstvoll in die Zukunft gehen“, so Schüssel.
Grundkonsens über gemeinsame Werte
In seiner Begrüßungsrede hob Dr. Hans-Gert Pöttering MdEP die Motive der Widerständler des 20. Juli 1944 hervor sowie ihren Willen zu einer geistlich-sittlichen Erneuerung Deutschlands nach Ende der NS-Zeit. „Als Vermächtnis hinterlassen sie uns die Mahnung, dass es einen Grundkonsens über gemeinsame Werte geben muss“, so der Präsident des Europäischen Parlaments a.D. Wo vieles umstritten sei, müssten sich möglichst viele über das Wesentliche einig sein.
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