Egyszeri kiadvány
a) Die Fortführung der bei der Europawahl 2014 erstmals praktizierten „Spitzenkandidaten“-Prozedur: Fünf der europäischen Parteienfamilien traten mit eigenen Kandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten an. b)Die Nutzung der durch den Brexit frei werdenden Sitze im Europäischen Parlament (EP) zur Schaffung eines europaweiten Wahlkreises mit grenzüberschreitenden („transnationalen“) Wahllisten. c) Der Vorschlag des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, in den Mitgliedsstaaten ab April 2018 „Bürgerkonsultationen“ zur Zukunft der EU durchzuführen.
These 1: Spitzenkandidaten beibehalten – den Prozess verbessern
1. Spitzenkandidaten stärken Transparenz und Legitimität: Auf nationaler und regionaler Ebene ist stets klar, welchem Kanzler- oder Ministerpräsidentenkandidaten die Wähler indirekt ihre Stimme geben. Ebenso sollten sie auch bei den Europawahlen wissen, welchen Kommissionspräsidenten sie indirekt wählen. Zudem wird die politische Verbindung zwischen dem Europäischen Parlament und der Kommission gestärkt – und damit auch die Legitimität der letzteren. Entsprechend sollte auch künftig nur ein Spitzenkandidat einer europäischen politischen Familie für die Position des Kommissionspräsidenten in Frage kommen; damit würde das Europawahlergebnis angemessen berücksichtigt.
2. Den Prozess verbessern: Eine nach den 2014-Wahlen durchgeführte Studie legt nahe, dass aktive Kampagnenführung und ein höherer Bekanntheitsgrad der Spitzenkandidaten sich in den jeweiligen EU-Ländern positiv auf die Wahlbeteiligung auswirkte. Deshalb sollten die nationalen Mitgliedsparteien Maßnahmen treffen, um die Sichtbarkeit des Kandidaten ihrer europäischen Parteienfamilie zu verbessern. Zudem sollten die Spitzenkandidaten künftig im Wahlkampf auch in allen Ländern auftreten, in denen ihre Parteienfamilie vertreten ist. Deshalb sollten die Spitzenkandidaten bereits frühzeitig (Ende 2018) feststehen. Das Programm der jeweiligen Parteienfamilie sollte zum Kandidaten passen.
3. Sichtbarkeit europäischer Parteienfamilien erhöhen: Die Wahrnehmung der europäischen Parteienfamilien wie z.B. der Europäischen Volkspartei (EVP), der Sozialisten (SPE), der Liberalen (ALDE), der Europäischen Grünen und ihrer jeweiligen Fraktionen im EP war 2014 noch recht schwach; auch weil ihre Mitgliedsparteien sie im letzten Wahlkampf oft kaum erwähnten. 2019 sollte auf den Wahlzetteln, den Wahlplakaten und anderen Wahlmaterialien neben der nationalen Partei auch die jeweilige europäische Parteienfamilie aufgeführt werden.
These 2: Transnationale Listen sind eine gut gemeinte, aber keine überzeugende Idee
4. Transnationale Listen wären bürgerfern. Bereits jetzt vertritt in den großen EU-Ländern ein Europaabgeordneter zwischen 600.000-900.000 Menschen. Um eine enge Verbindung zu den Bürgern vor Ort zu gewährleisten, nutzen einige Mitgliedstaaten und Parteien regionale und nicht landesweite Wahllisten. Diese Verbindung würde bei europaweiten Listen hingegen fehlen: Könnten Kandidaten auf diesen Listen glaubhaft für sich in Anspruch nehmen, gleichermaßen Ansprechpartner für Bürger aus Tallinn und Sevilla zu sein? Solche Listen stünden eher für Zentralismus als für den föderalen Gedanken: Selbst Bundesstaaten wie die USA haben keine landesweiten Wahllisten.
5. Risiko der Dominanz der Großen: Die Versuchung wäre groß, Kandidaten vor allem aus den großen Mitgliedstaaten auf vordere Listenplätze zu stellen, da diese mehr Stimmen mobilisieren, als die Kandidaten kleinerer Länder.
6. Einschränkung der Arbeitsfähigkeit des EP: Von transnationalen Listen könnten Populisten profitieren, die zwar durch ihre medienwirksamen Ausfälle europaweit bekannter sind als Fachpolitiker, die aber nicht an Sacharbeit im EP interessiert wären. Transnationale Listen könnten ein Einfallstor für kurzfristig kreierte politische Bewegungen sein, denen die Verankerung in den Mitgliedstaaten fehlt und die oft schnell wieder an Bedeutung verlieren. Dies könnte zu einer weiteren Zersplitterung des EP jenseits der wohl ohnehin 7-8 Fraktionen führen und damit dessen Arbeitsfähigkeit einschränken.
7. Näher liegende Alternativen ausschöpfen: Es gibt eine Reihe alternativer Maßnahmen, die geeigneter wären, Transparenz, demokratische Legitimität und Arbeitsfähigkeit des EP zu stärken: a) Verbesserung des Spitzenkandidaten-Prozesses, b) Stärkung des Bewusstseins für die europäischen Parteienfamilien, c) Einigung über eine Reform des EU-Wahlrechts mit Einführung einer verbindlichen Mindestschwelle für große EU-Länder.
These 3: Bürgerkonsultationen – gesellschaftliche Kräfte einbinden, Erwartungen steuern
8. Gesellschaftliche Kräfte einbinden: Der Vorschlag, die Öffentlichkeit stärker an der europapolitischen Debatte zu beteiligen, ist zu begrüßen (dies gilt auch für den Weißbuch-Prozess der Europäischen Kommission und bereits stattfindende Befragungen durch europäische Parteien). Damit die Konsultationen die Bürger erreichen, sollten diese in Abstimmung mit der kommunalen Ebene, im Dialog mit der organisierten Zivilgesellschaft (Vereine, Verbände, Kirchen, Stiftungen) und mit in der politischen Bildung bewährten Akteuren durchgeführt werden.
9. Ergänzendes Instrument, kein Allheilmittel: Aufgrund der Kurzfristigkeit wird es schwer, das Potential der Konsultationen auszuschöpfen und z.B. auch politikferne und EU-kritische Bürger zu erreichen. Entsprechend ist Erwartungsmanagement gefragt, damit enttäuschte Hoffnungen nicht zu Frustration führen. Bürgerkonsultationen können repräsentative Demokratie nicht ersetzen: Sie würden beispielsweise den durch eine Abschaffung der Spitzenkandidaten- Prozedur entstehenden (Image-) Schaden für den europäischen Gedanken nicht aufwiegen können.
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