Kurz vor den Europawahlen sitzt die Angst vor Europas Rechtsextremen und Rechtspopulisten tief. Auch in Griechenland hat der rechte Rand Aufwind. Der Vertrauensverlust in die etablierten Parteien, das wachsende Misstrauen auf Eliten, Überfremdungsängste im Zuge der Migrationskrise und die immer noch weithin sichtbaren Folgen der Finanzkrise sind dabei wichtige Faktoren. Aber vor allem das kontroverse „Prespa-Abkommen“ zwischen den Regierungen in Athen und Skopje befeuert die Rowdies von rechts.
Miese Stimmung in Athen
Am Vorabend der Europawahlen zeigen sich die Griechen tief enttäuscht von Europa. Laut neuestem Eurobarometer sind sie die mit Abstand misstrauischsten Unionsbürger: 70% haben kein Vertrauen in die EU. Sogar 79% der Griechen glauben, dass ihre Stimme in Europa nicht gehört wird. Und 75% sind laut einer Umfrage der KAS Griechenland unzufrieden mit den Informationen über Europa, die sie von ihren politischen Parteien erhalten.
Generell hat im Geburtsland der Demokratie im Zuge der Krise das Vertrauen in die demokratischen Prozesse drastisch abgenommen. Das Pew Center zeigt in seiner neuesten Studie, dass die Haltung der Griechen die mit Abstand negativste ist: 84% sind nicht zufrieden mit der griechischen Demokratie, ganze 90% glauben, dass gewählte Politiker sich nicht um das Befinden ihrer Wähler kümmern, und 89% meinen, dass die meisten ihrer Politiker korrupt sind. Sie glauben auch am wenigsten von allen befragten 27 Staaten, dass die kommenden Europawahlen, sowie die zeitgleich ebenfalls stattfindenden Regional- und Kommunalwahlen, etwas im Land – und darüber hinaus - verändern werden.
Da ist es wenig verwunderlich, dass laut einer aktuellen Studie der Bertelsmann Stiftung („Europa hat die Wahl“) ein erschreckend hoher Prozentsatz der Wähler in allen zwölf untersuchten Ländern, darunter auch Griechenland, sich vorstellen kann, eine europaskeptische Partei am rechten Rand zu wählen: 60%.
Steigende Anzahl rechter Parteien
Seit Beginn der Finanzkrise wurden fünf neue rechtsextreme Parteien gegründet – neben der bereits existierenden, berüchtigten „Goldenen Morgenröte“. Außer ihr werden die meisten der Neuen zwar kaum eine Chance haben, die 3%-Sperrklausel bei den diesjährigen Europa- (und im Oktober dann Parlaments-)wahlen zu überschreiten, aber allein ihre Existenz und ihr – in der Gesamtsumme nicht unerheblicher – Zulauf sagt einiges über das Unmutsgefühl in Griechenland aus. Die genannten Umfragen bestätigen dies. Interessant ist, dass alle diese Parteien mehr oder weniger stark für einen „Grexit“ werben und für eine stärkere Annäherung an Russland. Putin finden nun zwar Viele gut: Er ist seit langem der beliebteste Politiker im Land. Doch die meisten Griechen (62%) sind klar gegen einen Grexit, trotz allen Unmuts über die politische und wirtschaftliche Situation.
Die Goldene Morgenröte und ihre Nachahmer
Die „Goldene Morgenröte“ (GM) ist seit geraumer Zeit und mit derzeit 7,5% in den Umfragen die drittstärkste politische Kraft im Land: Nach der führenden Nea Dimokratia und der Syriza, und vor den Sozialdemokraten der ehemaligen Pasok. Die Prognosen für die Europawahlen sagen ihr wieder ein vergleichbar hohes Ergebnis voraus. Auch bei den gleichzeitig stattfindenden Kommunal- und Regionalwahlen mischt die Partei vorne mit. Bereits bei den letzten Wahlen im Jahre 2014 war sie mit Mandaten in zwölf der dreizehn griechischen Regionen überaus erfolgreich.
Ihre Beliebtheit ist umso erstaunlicher, seitdem die Partei öffentlich geächtet ist und mehrere Gerichtsverfahren gegen hochrangige Parteimitglieder laufen. Diese werden der Bildung einer kriminellen Vereinigung beschuldigt, einige haben bereits Haftstrafen abgesessen, und generell ist die Partei bekannt für extrem fremden- und frauenfeindliche Aktionen: Zum Beispiel die des Parlamentsabgeordneten Kasidiaris 2012 bei einer Live-Fernsehsendung, auf der er zwei gegnerische Parlamentarierinnen tätlich angriff. Kasidiaris ist aktuell Kandidat der GM für das Amt des Athener Bürgermeisters. Für die Europawahlen geht u.a. der ehemalige Nachtklub-Wächter und Bodyguard des (zeitweilig inhaftierten) Parteichefs Michaloliakos ins Rennen, obwohl er nicht nur als Drahtzieher diverser Angriffe auf Ausländer und linke Aktivisten vermutet wird, sondern auch in Frauenhandel und Zwangsprostitution verstrickt scheint, so die Mutmaßungen zahlreicher Medien.
Der Einigung im Namensstreit den Kampf angesagt…
Seit dem „Prespa“-Abkommen und der Einigung im „Namensstreit“ zwischen Griechenland und neuerdings Nordmazedonien ist aber das historische Alleinerbe des antiken Makedoniens der Mobilisierungsfaktor für die GM – und für die anderen rechten Gruppierungen. Gerade in der nordgriechischen Region Mazedonien finden sie deshalb verstärkt Zulauf. Vor diesem Hintergrund wurde in deren Hauptstadt Thessaloniki Ende 2018 der liberale Bürgermeister Boutaris körperlich angegriffen, was über die Landesgrenzen hinaus für Bestürzung sorgte. Noch heute werben die GM und ihre Nachahmer auf ihrer Website für Kampftraining, sie träumen von einem protektionistischen, „patriotischen“ Griechenland.
…aber Verbündete gibt es auch im Ausland
Rechtsradikale Gruppierungen unterstützen sich europaweit und pflegen gute Beziehungen zueinander. Die „Goldene Morgenröte“ hat bereits seit Ende der 90er durchgehenden Kontakt sowohl zur italienischen „Lega Nord“, als auch zur „Forza Nuova“. Im Jahre 2013 stellte das deutsche Innenministerium Kontakte der GM zur NPD fest. Die Beziehungen zu Russland wiederum bestehen ebenfalls bereits seit mehr als zwei Jahrzehnten. Immer wieder wird kolportiert, dass russische Rechtsradikale mit Drähten zur russischen Regierung die Partei finanziell unterstützen. Öffentlich nachgewiesen ist das nicht, doch fragen sich viele einheimische Analysten, wie die Partei sonst – und ohne den Bezug staatlicher griechischer Parteienfinanzierung – die mindestens 70 landesweiten Geschäftsstellen unterhalten und nebenbei noch zwei Parteizeitungen sowie den aktuellen Wahlkampf finanzieren kann.
In Griechenland selbst tun sich die Mainstream-Parteien schwer, den Rechten Paroli zu bieten. Doch die etablierten Parteien tragen in Griechenland als Verursacher der Krise weiter eine schwere Hypothek mit sich: Die einst stolze sozialdemokratische Pasok hat es am härtesten getroffen. In aktuellen Umfragen liegt die jetzt als „KINAL“ bekannte Partei hinter der GM. Die regierende linkspopulistische Syriza bemüht sich neuerdings unter dem gewieften Taktiker Tsipras, als die neue „Volkspartei“ im Mittelinks-Feld dazustehen: Trotz zahlreicher Häutungen und spektakulärer Pirouetten des Ministerpräsidenten liegt sie in Umfragen an zweiter Stelle.
Anders die konservative Nea Dimokratia, die in allen Umfragen führt: Sie muss aber erst wieder ihre durch die Krise schwer geschädigte Problemlösungskompetenz unter Beweis stellen.
Nach den Europawahlen
Vor dem Hintergrund der ungelösten Herausforderungen der Migration und neuer außenpolitischer Entwicklungen wie der Einigung mit Skopje besteht in Griechenland weiterhin viel Nährboden für die Parteien am rechten Rand. Umso mehr ist deshalb nach den Wahlen (die Parlamentswahlen im Oktober eingeschlossen) eine neue Art politischen Handelns gefragt, die bisher bei den wenigsten Parteien im Land praktiziert wurde: Eine Abkehr vom Klientelismus hin zu einer transparenten Regierungsführung unter Einbeziehung breiterer gesellschaftlicher Strömungen. Dementsprechend ist eine offene, inklusive und interaktive Kommunikation mit dem Bürger einer der zentralen Faktoren, um der Schwarzweiss-Malerei, den „fake-news“ und Polarisierung der Extremen entgegenzutreten und ihre Argumente zu entkräften. Es geht darum, dass Populisten nicht durch Ausweichen, sondern durch offene Auseinandersetzung und offensives Vertreten von Positionen besiegt werden können. Das muss kombiniert werden mit guten Politik-Ergebnissen. Dafür ist die Zeit in Griechenland reif.
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Auslandsbüro Griechenland und Zypern
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