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Politisches Panorama in Panama vier Monate vor den allgemeinen Wahlen

Winfried Weck, Alejandro Marin

Am 5. Mai 2024 werden in Panama die alle fünf Jahre stattfindenden allgemeinen Wahlen durchgeführt.

Bereits jetzt ist deutlich spürbar, dass die Bevölkerung mit Unruhe und Ungeduld diesen Wahlen entgegensieht, die sich deutlich von den Wahlen vorheriger Jahre unterscheiden. Deren Einzigartigkeit liegt in der Beteiligung von zwei ehemaligen Staatspräsidenten Panamas, die unabhängig von den Parteien, denen sie während ihrer vorherigen Amtszeiten angehörten, mit sechs weiteren Kandidaten um das Präsidentenamt konkurrieren. Zugleich werden diese Wahlen zeigen, wie stark sich das panamaische Volk gegenüber der herrschenden politischen Elite positioniert hat. Die jüngsten, wochenlangen Demonstrationen zwischen Oktober und Ende November 2023, in denen die Bürgerinnen und Bürger Panamas ihren Protest gegen einen Konzessionsvertrag zwischen der Regierung ihres Landes und einem kanadischen Bergbauunternehmen in einer bisher nicht gekannten Massivität zum Ausdruck gebracht hatten, beinhalteten eine noch viel bedeutendere Botschaft: Schluss mit der endemischen Korruption der politischen Eliten! Sowohl Experten als auch die öffentliche Meinung sind sich einig, dass die Ergebnisse der Wahlen von 2024 entscheidend für die weitere Entwicklung des Landes sein werden, weniger hinsichtlich der politischen Ausrichtung, sondern vielmehr hinsichtlich des Zustands der Demokratie in der Republik Panama.

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Wahlen in Panama: Ein Blick auf das politische System

Das politische System Panamas basiert auf der Verfassung von 1972, die das Land als eine unitarische, demokratische und repräsentative Republik definiert. Die Nationalversammlung (Asamblea Nacional), bestehend aus 71 Abgeordneten, ist das Hauptlegislativorgan. Die Wahl der Abgeordneten erfolgt durch Einzel- und Mehrmandatswahlkreise, um eine proportionale Vertretung der panamaischen Bevölkerung zu gewährleisten.

Die Präsidentschaftswahlen finden gleichzeitig mit den Parlaments- und den lokalen Wahlen statt. Die Legislaturperiode dauert fünf Jahre. Um als Präsidentschaftskandidat antreten zu können, müssen bestimmte Anforderungen erfüllt werden, u.a. die panamaische Staatsbürgerschaft von Geburt an, ein Mindestalter von 35 Jahren, keine Verurteilungen wegen schwerer Verbrechen, keine unmittelbare Folgekandidatur, wenn man sich bereits in einem gewählten Amt befindet. Das demokratische System Panamas zeichnet sich dadurch aus, dass sein Wahlgesetz vor den nationalen Wahlen über einen Prozess der sozialen Konsultation überprüft und aktualisiert und schließlich von der Nationalversammlung genehmigt wird. Für die Wahlen 2024 erfolgte die Anpassung des Wahlgesetzes im Februar 2023. Der Kandidat mit den meisten Stimmen gewinnt den Sitz. Jede politische Partei kann einen Vertreter für ihre Kandidatur aufstellen. Wenn es vorkommt, dass zwei oder mehr Parteien eine Allianz bilden und denselben Kandidaten aufstellen, werden die Gesamtstimmen beider Gruppierungen zusammengezählt, um einen einzigen Vertreter zu bestimmen. Zudem besteht in Panama die Möglichkeit der "Freien Bewerbung", bei der Einzelpersonen ihre Kandidatur ohne offizielle Unterstützung einer politischen Partei präsentieren können.[1] Bürger, die unter dieser Modalität an den Präsidentschaftswahlen 2024 teilnehmen wollten, mussten der Obersten Wahlbehörde (Tribunal Electoral) mindestens 39.296 Unterschriften vorlegen, also mindestens zwei Prozent der Gesamtzahl der bei den vorherigen Wahlen abgegebenen Stimmen. Die drei Kandidaten, die als erste diesen Schwellenwert mit gültigen Unterschriften erreichen und außerdem vollständige Berichte über Einnahmen und Ausgaben vorlegen, erhalten das Recht zur Teilnahme an den allgemeinen Wahlen. Die wohl wichtigste Besonderheit des panamaischen Wahlsystems ist aber, dass es keine Stichwahlen vorsieht. Alle Kandidaten, die im ersten und einzigen Wahlgang die einfache Mehrheit erhalten, sind gewählt, sowohl als Bürgermeister, Abgeordnete als auch als Staatspräsident.

Panama verfügt über ein Mehrparteiensystem, das sich dadurch kennzeichnet, dass nahezu alle neun derzeit registrierten Parteien der politischen Mitte angehören. Durch den bewussten Verzicht auf Partei- oder gar Wahlprogramme lassen – wenn überhaupt - nur die Aussagen der jeweiligen Parteiführer darauf schließen, ob sich deren Parteien eher etwas mehr rechts oder mehr links von der politischen Mitte befinden, bzw. eher mehr konservativ, liberal oder sozialdemokratisch einzuschätzen sind. Panamaer urteilen in diesem Zusammenhang eher gefühlsbestimmt und sowohl historischen als auch familiären Traditionen verhaftet. Umso erstaunlicher ist die Zahl der Mitglieder in den Parteien: Etwa 1,7 der 3,2 Millionen Wahlberechtigten sind eingeschriebene, beim Obersten Wahlgericht registrierte Parteimitglieder. Die gängigste Erklärung für dieses Phänomen ist der traditionelle Klientelismus in Panama und die damit verbundene Hoffnung, mit der Mitgliedschaft in einer Partei ökonomische Vorteile, insbesondere einen Arbeitsplatz zu erlangen.


Die Parteienlandschaft in Panama

Bis in die frühen 2000er Jahre hatten zwei politische Mehrheitskräfte die politische Landschaft Panamas dominiert und sich häufig die Regierungsgeschäfte in die Hände gegeben, da in der 120-jährigen Geschichte Panamas eine direkte Wiederwahl der regierenden Partei so gut wie nie vorgekommen ist: die seit 2019 regierende PRD (Partido Revolucionario Democrático) und die PAN (Partido Panameñista), Regierungspartei 2014-2019.

In den letzten 20 Jahren hat sich das Parteienspektrum jedoch diversifiziert. Mittlerweile kann von vier Parteien gesprochen werden, die den politischen Ton angeben, was sich auch in der Präsenz dieser Parteien in der Nationalversammlung widerspiegelt[2]:

  • Partido Revolucionario Democrático PRD, (Mitte-links): verfügt über 35 Abgeordnete und eine Mitgliedschaft von 725.415; gegründet vom ehemaligen General Omar Torrijos Herrera im Jahr 1979. Sie repräsentiert auch das Erbe der Diktatur, die Panama von 1968 bis 1989 erlebte. Die Partei ist Mitglied in der Sozialistischen Internationalen.
  • Partido Panameñista PAN, (Mitte/Mitte-rechts): acht Abgeordnete und eine Mitgliedschaft von 246.988; gegründet 1963 vom ehemaligen Präsidenten Harmodio Arias. Die PAN stand viele Jahrzehnte für eine eher nationalistische Politik, die aber durch Präsident Varelas (2014-19) Öffnungspolitik nach China stark aufgeweicht wurde. Die Partei ist Mitglied in der CDI (Center Democrat International).
  • Cambio Democrático CD (liberale Mitte): verfügt über 18 Abgeordnete und eine Mitgliedschaft von 301.615; gegründet vom ehemaligen Präsidenten Ricardo Martinelli (2009-2014). CD ist es eine politische Partei des liberalen Zentrums und der nationalen Einheit, die freies Unternehmertum und Wohlfahrt als Alternative zu traditionellen Parteien wie PRD und Partido Panameñista fördert.
  • Movimiento Liberal Republicano Nacionalista MOLIRENA, (national-liberal): hat fünf Abgeordnete und eine Mitgliedschaft von 83.111. Sie wurde 1982 offiziell als politische Partei anerkannt und entwickelte sich als Allianz der traditionellen Oligarchie, die sich gegen die Regierung der Militärs wandte.

Andere im politischen Panorama Panamas anerkannte politische Parteien sind:

  • Partido Alianza, (Liberaler Nationalismus, Mitte): Mitgliedschaft von 24.125; gegründet im Jahr 2018 von José Muñoz Molina.
  • Partido Popular, (Mitte): Mitgliedschaft von 18.733; gegründet im Jahr 1956, bis 2000 Partido Democrata Cristiano, ist Mitglied der Organisation Demócrata Cristiana de América (ODCA) und der CDI. Die traditionell eher kleine Partei verlor 2019 ihren einzigen Sitz im nationalen Parlament und kämpft bei den kommenden Wahlen ums politische Überleben. Dies war für die Partei auch der strategische Grund, als Kandidaten für die Präsidentschaftswahlen den ehemaligen Präsidenten Martin Torrijos von der PRD zu nominieren.
  • Partido Alternativa Independiente Social PAIS, (religiös fundamentalistisch): Mitgliedschaft von 22.849, als politische Partei im Jahr 2021 anerkannt. Da die Verfassung einen laizistischen Staat vorsieht, strebt die Partei eine neue verfassungsgebende Versammlung an.
  • Realizando Metas (RM) (Partei zur Wahl Martinellis): Mitgliedschaft von 230.344; gegründet 2023 vom ehemaligen Präsidenten Ricardo Martinelli, der von seiner eigenen Partei CD nicht mehr nominiert wurde.
  • Movimiento Otro Camino MOCA, (Mitte): Mit einer Mitgliedschaft von 38.280 wurde MOCA im Jahr 2022 von Ricardo Lombana gegründet, der 2019 als unabhängiger Präsidentschaftskandidat auf dem dritten Platz landete. MOCA stuft sich als politisches Zentrum mit einer wertkonservativen Tendenz ein.[3]

 

Die Präsidentschaftskandidaten und ihre Chancen für die Wahlen 2024

Insgesamt acht Kandidaten bewerben sich 2024 um die Präsidentschaft, davon drei in freier Kandidatur, also unabhängig von den registrierten Parteien. Trotz der Komplexitäten und Herausforderungen des politischen Umfelds haben einige Anwärter die vorherrschende Aufmerksamkeit in den Meinungsumfragen erlangt. Die schillerndste Figur ist dabei Ricardo Martinelli, Staatspräsident von 2009 bis 2014, der zugleich die Rolle der entscheidenden Unbekannten einnimmt. In zwei schwere Korruptionsfälle verwickelt, wurde er im Juli 2023 von einem panamaischen Gericht wegen Geldwäsche im als „New Business“ bekannt gewordenen Fall des Kaufs eines Medienkonzerns zu zehn Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Der oberste Gerichtshof bestätigte im Oktober 2023 dieses Urteil. Martinelli dürfte deshalb eigentlich nicht kandidieren. Auch seine beiden Söhne saßen drei Jahre wegen Geldwäsche im Zusammenhang mit dem internationalen Odebrecht-Skandal hinter guatemaltekischen und U.S.-amerikanischen Gittern und kehrten erst im Januar 2023 nach Panama zurück. Martinellis Anwälte versuchen nun, eine Aufhebung des Urteils im Rahmen eines Kassationsverfahrens beim Obersten Gerichtshof zu erreichen. Trotz seiner kriminellen Machenschaften führte Martinelli die Umfragen über Monate hinweg an, teils mit weitem Abstand zu seinen Verfolgern. Fragt man die Menschen auf der Straße nach dem Grund seiner Beliebtheit, heißt es, dass es während der Regierungszeit Martinellis im ganzen Land Arbeit und Geld gegeben habe. Bis vor kurzem entschuldigte dies sogar sein korruptes Verhalten. Mit den jüngsten Protesten gegen den weiteren Betrieb einer der größten Kupferminen der Welt haben jedoch viele der traditionellen politischen Führer deutlich an Renommee und Unterstützung in der Bevölkerung eingebüßt. Doch auch künftig muss mit Martinelli gerechnet werden, zumindest so lange seine Kandidatur im Raum steht.

José Gabriel Carrizo, aktuell Vizepräsident und offizieller Kandidat der regierenden Partido Revolucionario Democrático (PRD), stand bis vor den bereits erwähnten Massenprotesten ebenfalls prominent im Wettbewerb. Allerdings sind seine Aussichten für die Präsidentschaftswahlen deutlich geschwunden, da die Bevölkerung seine Regierung für die Ausarbeitung des Konzessionsvertrags mit der kanadischen Betreibergesellschaft verantwortlich macht. Zudem stehen der von Partido Popular aufgestellte ehemalige Staatspräsident Martin Torrijos (2004-2009) und die unabhängige Kandidatin und derzeitige Parlamentsabgeordnete Zulay Rodríguez in direkter Konkurrenz zu Corizo, da sie ebenfalls der PRD angehören. Als glückliche Dritte könnten entweder Ex-Staatspräsident Torrijos oder der politische Neuling Ricardo Lombana mit seiner 2022 gegründeten Partei Movimiento Otro Camino (MOCA) aus dem Rennen hervorgehen: der erste, weil er vor allem für PRD-Anhänger eine Alternative zum offiziellen PRD-Kandidaten Carrizo darstellt, der zweite, weil er noch kein gewähltes Amt innegehat hat und für viele Bürger deswegen der einzig wirklich saubere Kandidat ist.

Hier ein Kurzüberblick der Präsidentschaftskandidaten und Parteiallianzen:

  • José Gabriel Carrizo (PRD, in Allianz mit MOLIRENA): Carrizo unterstützt die Fortsetzung des von Präsident Laurentino Cortizo vorangetriebenen Regierungsplans, während er sich für eine Erhöhung ausländischer Investitionen als Mittel zur Stärkung der panamaischen Wirtschaft ausspricht.[4] Allerdings gilt die aktuelle Regierung als trägste und untätigste seit langer Zeit.
  • Rómulo Roux (CD, in Allianz mit Panameñista PAN): Seine zentralen Themen sind Sicherheit, Förderung des wirtschaftlichen Wachstums, wesentliche Verbesserung der öffentlichen Dienstleistungen und Durchführung von Reformen in den Strukturen der gesetzgebenden Versammlung.[5] Über Monate blieb unklar, welcher der beiden Parteiführer als Präsidentschaftskandidat ins Rennen gehen würde. Der Vorsitzende der PAN und ehemalige Bürgermeister von Panama-Stadt, José Isabel Blandón, kandidiert nun als Vizepräsident.
  • Ricardo Lombana (MOCA): belegte mit 18,78 Prozent als unabhängiger Kandidat 2019 den dritten Platz bei den Präsidentschaftswahlen. Er zeichnet sich durch seinen Schwerpunkt auf Transparenz und den Kampf gegen Korruption aus, seine Wählerbasis konzentriert sich auf enttäuschte Wähler der traditionellen Parteien.[6]
  • Ricardo Martinelli (Realizando Metas, in Allianz mit Partido Alianza): konzentriert sich auf die umfassende Verbesserung der Infrastruktur und der öffentlichen Dienstleistungen sowie auf die Verbesserung staatlicher Bildungseinrichtungen vom schulischen bis zum universitären Niveau. Darüber hinaus schlägt er Gehaltsregulierungen für Vertreter verschiedener politischer Institutionen und eine Erhöhung der internationalen Investitionen zur Stimulierung des wirtschaftlichen Wachstums des Landes vor.[7] Hier war von Anfang an klar, dass Martinelli diese Koalition anführen würde. Die kleine Partido Alianza dient eher als Steigbügelhalter.
  • Martin Torrijos (PRD, aber von Partido Popular aufgestellt): Sein Fokus liegt darauf, wie man zum zweiten Mal die durch Korruption finanziell stark angeschlagene Sozialversicherungskasse retten, ein paritätisches Kabinett einrichten, Patronage und Korruption bekämpfen und gleichzeitig neue gerechte Normen für alle schaffen kann, mit der Prämisse, dass "wer es tut, es bezahlt".[8] Partido Popular ging einen unerwarteten, aber strategisch erfolgversprechenden Weg, mit Martin Torrijos einen ehemaligen Präsidenten als Kandidaten zu nominieren. Während der Regierungszeit von Torrijos 2004 bis 2009 wurde das Amt des Vizepräsidenten ebenfalls von der Partido Popular gestellt. Allerdings hat sich Torrijos keineswegs „einkaufen“ lassen, sondern gleich eine Vizepräsidentschaftskandidatin aus den Reihen der PRD mitgebracht.
  • Andere Kandidaten: Die verbleibenden Kandidaten, denen sehr geringe Chancen zugesprochen werden, sind die Abgeordnete Zulay Rodríguez (ebenfalls von der PRD), der ehemaligen Handelsminister Melitón Arrocha und die linkspolitische Professorin Maribel Gordon.

In der momentan aktuellsten Umfrage von Gallup Panama, die vom 17. bis 25. Oktober 2023 durchgeführt wurde, gaben 40 Prozent der Panamaer an, für den ehemaligen Präsidenten Ricardo Martinelli zu stimmen. Rómulo Roux, Martin Torrijos und Ricardo Lombana würden jeweils bei sieben Prozent landen, Vizepräsident José Gabriel Carrizo bei nur zwei Prozent. Allerdings fiel diese Umfrage mit dem Beginn der Massenproteste zusammen, die erst am 28. November endeten und deren Auswirkungen noch in keiner Weise von der Umfrage wiedergegeben werden. Diese Ereignisse haben zu neuen, ausgesprochen kritischen Meinungen über die Performance der aktuellen Regierung und der Abgeordneten in der Nationalversammlung von Panama geführt.

 

Panama gegen Bergbau: eine wahlentscheidende Wende[9]

Nach dem ersten Konzessionsvertrag unter Präsident Martín Torrijos mit dem kanadischen Bergbaugiganten First Quantum Minerals im Jahr 2003 zur Erschließung der enormen Kupfervorkommen und der Inbetriebnahme der Mine im Jahr 2019 stand 2023 eine Verlängerung des Konzessionsvertrags um weitere 20 Jahre an. Der im März von der Regierung veröffentlichte Vertragsentwurf stieß bereits auf heftige Kritik. Insbesondere die Überlassung von Hoheitsrechten inklusive der Überflugsrechte an die kanadische Firma wurden in keiner Weise von der Bevölkerung akzeptiert. Aufgrund der Geschichte des Panamakanals, bis Ende 1999 im Besitz der USA, reagierten die Panamaer bei dieser Frage besonders sensibel. Da die Regenzeit lange auf sich warten ließ und sehr wenig Niederschläge brachte, musste die Regierung am 31. Mai den Umweltnotstand ausrufen. Der Kanal benötigt ebenfalls viel Frischwasser, weil bei Öffnen der Schleusen stets Wasser ins Meer fließt. Wegen der Wasserknappheit musste die Durchfahrt der Schiffe zeitweise von 36 auf 32 täglich beschränkt werden. Da die riesige Tagebaumine mit einer Größe von 12.000 Hektar gigantische Mengen an Wasser verbraucht, wandelte sich im Frühjahr und Sommer der Protest gegen Inhalte der Konzession immer mehr in eine komplette Ablehnung des Bergbaus in Panama, vor allem getragen von Umwelt- und indigenen Organisationen. Im Oktober wollte die Regierung Tatsachen schaffen:  Der überarbeitete Konzessionsvertrag wurde in der Rekordzeit von drei Tagen vom Parlament genehmigt. Danach begannen die Massenproteste im ganzen Land, wie es sie vorher seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben hatte. Die Regierung sah sich im Zugzwang. Mit der Verkündigung, künftig keine Bergbauvorhaben mehr zuzulassen, glaubte Präsident Cortizo, die aufgebrachte Bevölkerung beruhigen zu können. Aber erst die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes am 28. November morgens, dass der Konzessionsvertrag in 25 Punkten verfassungswidrig sei, beendete die Massenproteste mit einem landesweiten Freudenfest auf allen Straßen, da am 28. November zugleich die Unabhängigkeit von Spanien gefeiert wird. Als nächster Schritt stehen nun die Verhandlungen darüber an, wie die kanadische Minengesellschaft entschädigt, die Mine schrittweise geschlossen und Arbeit für 8000 Mineros gefunden wird.

 

Fazit und Perspektiven

Die panamaische Gesellschaft befindet sich in einem komplexen politischen Erneuerungsprozess, denn der offene Protest gegen die Mine wurde unterschwellig immer mehr zu einer Kampfansage gegen die extreme Korruption im Land. Das Vertrauen nicht nur in die aktuelle Regierung, sondern in die gesamte traditionelle politische Elite ist schwer erschüttert. Im Moment wagt niemand eine Prognose für die Wahlen im Mai. Die Erfolgsaussichten schwanken je nach Strategien, politischer Geschichte und individuellen oder gemeinsamen Agenden der Kandidaten. Die Unsicherheit über Ricardo Martinellis Kandidatur fügt dem Vorwahlkampf ein destabilisierendes Element hinzu. Die großzügigen Hilfen von Privatunternehmen zur Finanzierung von Präsidentschaftskampagnen, wie die Unterstützung von Minera Panamá S.A. für die Kampagne des derzeitigen Vizepräsidenten José Gabriel Carillo, wird von der Bevölkerung nicht mehr toleriert.

Rein rechnerisch könnte bei acht Kandidaten und einem Wahlrecht, das nur einen Wahlgang vorsieht, der neue Präsident mit 12,5 Prozent plus eine der abgegebenen gültigen Stimmen gewählt werden. Panama braucht aber gerade jetzt eine Regierung, die von einer breiten Mehrheit getragen wird. Diese Erkenntnis veranlasste jüngst den langjährigsten der drei Magistraten des Obersten Wahlgerichts und Direktor des Generalplans für Wahlen (Plan General de Elecciones), Eduardo Valdés Escoffery, zu der Empfehlung, einen zweiten Wahlgang in Form einer Stichwahl einzuführen, um dem gewählten Präsidenten mehr Legitimität zu geben.[10] Sollte dies so entschieden werden, werden die Karten neu gemischt.

 

 

[1] Tribunal Electoral (2023) Manual-y-anexo-de-Libre-Postulacion.pdf (tribunal-electoral.gob.pa)

[2] Tribunal electoral (2023) Partidos Políticos - Tribunal Electoral (tribunal-electoral.gob.pa)

[3] Tribunal Electoral (2023) Inscritos en partidos políticos - Tribunal Electoral (tribunal-electoral.gob.pa)

[4] La Estrella de Panamá (2023) Plan de gobierno de Gaby Carrizo será participativo, 

[5] Panamá Hoy (2023) Rómulo Roux: ¡Un candidato con propuestas! - Panama Hoy

[6] MOCA (2023) Ricardo Lombana anuncia 10 primeras propuestas - MOCA (otrocamino.org)

[7] La Estrella de Panamá (2023) Martinelli: 'Realizando Metas y Alianza, vamos a ganar las elecciones

[8] TVN (2023) Martín Torrijos: Martín Torrijos: 'En solo 293 días, Tu Decisión 2024

[9] Siehe hierzu auch Länderbericht KAS Panama, Ein Volk verliert seine Geduld, November 2023; Ein Volk verliert seine Geduld - Auslandsbüro Panama - Konrad-Adenauer-Stiftung (kas.de)

[10] La Estrella de Panamá, “Conviene la segunda vuelta para darle más legitimidad
al presidente de la República”, p. 4A, 26.12.2023

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Winfried Weck

Winfried Weck (2020)

Leiter des Regionalprogramms "Allianzen für Demokratie und Entwicklung mit Lateinamerika" ADELA und des Auslandsbüros Panama

winfried.weck@kas.de +507 387 4470

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