Am 23. Mai 1949 trat das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft, ein Meilenstein in der deutschen Geschichte und ein Garant für eine stabile und wehrhafte Demokratie. In diesem Jahr feiern wir das 75. Jubiläum dieses bedeutenden Dokuments, das die Grundwerte und Prinzipien unserer Gesellschaft festlegt.
Doch wie können wir die Werte unserer Demokratie in einer sich ständig verändernden Welt bewahren? Was sind die Auswirkungen kommunistischer Diktaturen in Deutschland und Europa, die bis heute spürbar sind? Welche Stimmen der Demokratie gab es in der frühen DDR? Und wie gestalteten sich Anspruch und politische Realität der beiden deutschen Verfassungen?
Allesamt Fragen, denen im Seminar zum Thema "75 Jahre Grundgesetz: Ostdeutsche Demokraten in der Nachkriegszeit" auf den Grund gegangen wurde.
Dr. Ulrich Mählert, Leiter Arbeitsbereich Jahresausstellungen und Kommunismusgeschichte bei der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, stellte zunächst die Wege in die deutsche Zweistaatlichkeit nach Ende des Zweiten Weltkrieges vor. Vor dem Hintergrund der damals herrschenden politischen und internationalen Rahmenbedingungen ging der Experte insbesondere die politischen Weichenstellungen ein, die zur Gründung der beiden deutschen Staaten im Jahr 1949 führten. Weiterhin ging Dr. Mählert im Rahmen seiner Vorträge auf die bürgerliche Jugendopposition in der frühen Sowjetischen Besatzungszone und der jungen Deutschen Demokratischen Republik ein. Ausgangspunkt war ein kurzer historischer Rückblick auf die NS-Zeit und die damit einhergehende Vereinnahmung der Jugend durch die Nationalsozialisten, insbesondere mittels der sog. Hitlerjugend. Gleichfalls wurde ein Überblick über den Aufbau der Jugendarbeit in der SBZ/DDR nach Ende des Zweiten Weltkrieges gegeben, wobei die FDJ und die Durchsetzung ihres Machtanspruchs hier eine zentrale Stellung eingenommen hätten.
Dr. Stefan Donth, Leiter Strategie und Zeitzeugenarchiv bei der Stiftung Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, befasste sich in seinen Vorträgen zunächst mit Methoden und Mechanismen der kommunistischen Diktaturdurchsetzung in der SBZ/DDR. Leitende Kernfragen waren „Wie entsteht eine Diktatur?“ und „Wie lässt sich eine Diktatur gegen Widerstände durchsetzen?“ vor dem Hintergrund des „Mottos“ der „antifaschistischen Umwälzung“ und dem Einfluss der sowjetischen Militäradministration. Ebenso ging der Referent auf die Besetzung von Schlüsselpositionen, auf die Stalinisierung der SED, die Durchsetzung der Planwirtschaft sowie das Mittel der Repression als weitere Mechanismen ein. Anschließend wurde ebenso das Grundgesetz als das Fundament der Bundesrepublik vorgestellt, erörtert und mit den Seminargästen diskutiert. Die Bedeutung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung wurde im Gesonderten am Beispiel des Grundrechts der Meinungsfreiheit dargestellt, dies auch in Relation gesetzt zur Verfassungswirklichkeit in der ehemaligen DDR. Eine Schlussfolgerung aus der begleitenden Diskussion war, dass ein Wertefundament für eine Demokratie unerlässlich sei.
Die frühere Ministerpräsidentin des Freistaates Thüringen, Christine Lieberknecht, befasste sich aus ihrer Perspektive als Zeitzeugin mit der Verfassung und der Verfassungswirklichkeit der ehemaligen DDR. Sie stellte insgesamt sieben Punkte vor, an denen sie den Unterschied zwischen „Schein und Sein“ festmachte und welche nach ihrer Aussage auch zum Untergang des SED-Regimes beitrugen. Im besonderen Fokus hierbei stand der Punkt Wahlen in der DDR, welche schließlich im Jahr 1989 als Katalysator für die friedliche Revolution gedient habe. In einem abendlichen Kamingespräch stellte Christine Lieberknecht darüber hinaus den sog. „Brief aus Weimar“ aus dem Jahr 1989 vor und referierte über das Politikverständnis der CDU in der DDR im letzten Jahrzehnt der Existenz des ostdeutschen Staates. Ein reger Austausch mit den Seminargästen schloss sich dem Vortrag an.
Ein gesondertes Format wurde beim Programmpunkt zur Geschichte des Kommunismus in Bulgarien angewandt. Online über Zoom zugeschaltet wurde mit Louisa Slavkova eine ortsansässige Expertin. Konkret stellte die Referentin das Kooperationsprojekt „Geschichten aus Belene“, welches einen Beitrag zur europäischen Erinnerungskultur darstelle. In der Stadt Belene selbst befand sich das größte kommunistische Arbeitslager.
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