Dreizehn Gedichte hat der Bingener Künstler Gernot Blume vertont, sie sind historische Zeugnisse, vom Holocaust, von Krieg, Vertreibung und Emigration. Sie eröffnen den Schülerinnen und Schülern an diesem Vormittag des 20. März eine andere Art, sich mit der Geschichte des Zweiten Weltkriegs und dem massenhaften Mord an Jüdinnen und Juden zu beschäftigen. Mit den Mitteln der Kunst soll gelingen, was seit jeher eine zentrale Aufgabe politische Bildungsarbeit ist: die unbegreiflichen Gräuel des Holocaust fassbar zu machen.
Blume singt die Gedichte und spielt dazu eigens komponierte Stücke auf dem Flügel der Schule. Julie Spencer, Blumes Frau und ebenfalls Künstlerin, projiziert unterdessen die Verse gemeinsam mit selbst gestalteten Bildern an die Wand. Knapp eine Stunde lang führt der Liedermacher und Dichter durch die Biografien und Werke der jüdischen Künstlerinnen. Er verbindet dabei Schilderungen ihrer individuellen Schicksale mit Informationen über die politischen Hintergründe der überwiegend unter den Eindrücken des Holocausts und des Zweiten Weltkriegs entstandenen Gedichte.
Das Programm beginnt mit dem Gedicht „Chor der Geretteten“ von Nelly Sachs, eine Künstlerin, die selbst nur knapp mit dem letzten regulären Passagierflugzeug von Berlin nach Stockholm fliehen konnte. Es führt weiter, unter anderem zu Hilde Domin, Ingeborg Bachmann, Dagmar Nick, Mascha Kaléko, Ricarda Huch, Selma Meerbaum-Eisinger und Gerty Spies. Blume erzählt von Else Lasker-Schüler, in Wuppertal geboren, verfolgt, geflohen und in Jerusalem gestorben, der ihr jüdischer Glauben Zeit ihres Lebens Kraft gab. Er stellt Rose Ausländers Gedicht „Gemeinsam“ vor, in dem sie die Lesenden damals genauso wie die Schülerinnen und Schüler in der Aula des Gymnasiums heute dazu aufruft, das Verbindende zu suchen: „Vergesset nicht es ist unsre gemeinsame Welt“.
Dass der Kampf gegen Antisemitismus eines der zentralen Anliegen der Konrad-Adenauer-Stiftung ist, darauf wies Christian Schleicher (KAS) im Rahmen der Veranstaltung noch einmal besonders hin. Neben dem jüngst wieder gestarteten Denkt@g-Wettbewerb und regelmäßigen Zeitzeugenveranstaltungen an Schulen leisteten so auch Veranstaltungen wie die heutige einen wertvollen Beitrag zu dieser Erinnerungsarbeit.
Die einstündige Vorstellung mit anschließender Frage- und Diskussionsrunde ist einnehmend, mitreißend und dabei sowohl informativ als auch emotional bewegend. Das Programm wechselt bekannte Dichterinnen mit unbekannteren ab – die Musik ist, abhängig vom Inhalt des Gedichts, mal optimistisch, mal resigniert, mal voller Hoffnung und mal voller Angst.
„Wenn ich vergehe“ heißt das letzte Gedicht des Vormittags, es ist von Rose Ausländer. Die Sprecherin äußert darin den Wunsch, man solle ihre Geschichte auch über ihren Tod hinaus weitertragen. Angesichts des Überfalls der Hamas auf Israel am 7. Oktober ist es heute wichtiger denn je, diesem Auftrag nachzukommen.
Gerade jetzt, wenn die Politische Bildung vor dem Hintergrund eines zunehmenden Antisemitismus und den Angriffen auf die Demokratie von verschiedenen Seiten besonders unter Druck steht, kommt ihr die Verantwortung zu, nicht nur Erinnerungsarbeit zu leisten, sondern Menschen zu befähigen und zu motivieren, das demokratische Zusammenleben aktiv mitzugestalten. Für Christian Schleicher (KAS) war es wichtig, deutlich zu machen, dass es darauf ankommt, Zivilcourage zu zeigen, aufzustehen und für gemeinsame Werte einzustehen. Das, so zeigen die Reaktionen der Schülerinnen und Schüler, ist an diesem Morgen gelungen.
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