Masterplan Mobilität der Stadt Frankfurt am Main
Heiko Nickel, Leiter Strategische Verkehrsplanung, Dezernat für Mobilität der Stadt Frankfurt am Main
Die Netzwerkmitglieder setzten sich am ersten Tag mit Trends und Prognosen zur Mobilitätswende in Städten und Gemeinden auseinander. Dabei griffen die Referentinnen und Referenten auf wissenschaftliche Erkenntnisse zurück, nahmen strukturelle Rahmenbedingungen von Mobilität in den Blick und diskutierten praktische Erfahrungen aus Verkehrsversuchen und Städten.
Exkursion verdeutlicht spürbaren Handlungsdruck bei der Verkehrsplanung
Zum Auftakt des zweiten Tages führte Heiko Nickel, Leiter Strategische Verkehrsplanung, Dezernat für Mobilität der Stadt Frankfurt am Main mit zupackendem, ja geradezu ansteckendem Elan und bereichernder Überzeugungskraft durch die Stadt und erläuterte an besonderen Verkehrsknotenpunkten (Willy-Brandt-Platz), anschaulichen Schnittstellen von Städtebau und Verkehrsplanung (Zeil) bzw. am Beispiel konkreter Umgestaltungsmaßnahmen zur Förderung nachhaltiger Mobilität (Oeder Weg) den Masterplan Mobilität der Stadt Frankfurt am Main.
Nachhaltige Mobilität ist möglich
Mit diesem Plan soll der Rahmen für die effiziente, nachhaltige und zukunftsfähige Mobilität in Frankfurt gesetzt werden. Heiko Nickel erläuterte an zahlreichen konkreten Beispielen Ziele und Handlungsschwerpunkte für ein stadtverträgliches Gesamtverkehrssystem. Besonders überzeugend wurde die Notwendigkeit einer Verkehrswende bei einem Blick auf die reinen Zahlen und Fakten zum Mobilitätsbedarf in einer Pendlerstadt wie Frankfurt. Das sei reine Mathematik, so Nickel: Die Herausforderung bestehe darin, bei dem vorhandenen Verkehrsraum die Erreichbarkeit der Stadt zu gewährleisten. Während der ÖPNV es ermögliche, Menschenmassen in die Stadt zu transportieren, sei das über den Autoverkehr nicht möglich. Am Verkehrsknotenpunkt Willy-Brandt-Platz beispielsweise kämen zur täglichen Rush Hour morgens etwa 18.000 Autos mit durchschnittlich einem Fahrgast in die Stadt. Angesichts der anliegenden Hochhäuser mit je mehreren 1000 Arbeitsplätzen übersteige der Mobilitätsbedarf mehr als das Zehnfache dieser Zahl. Mit dem ÖPNV erreichten im selben Zeitraum mehr als 150.000 Personen das Stadtzentrum.
Zum Mitnehmen
1. Die Erreichbarkeit von Innenstädten ist durch den vorhandenen Verkehrsraum vorbestimmt. Pendlerstädte können die Mobilitätsbedarfe nicht decken, wenn sich der Verkehr auf den MIV konzentriert. Die natürlichen Kapazitätsgrenzen der Straßen stellen keine Herausforderung dar, wenn sich die Pendelströme auf effiziente Vekehrsmittel wie ÖPNV, Fußverkehr oder Fahrrad verteilen. Das müssen Stadt- wie Verkehrsplaner im Blick haben.
2. Stadt- und Verkehrsplanung müssen Hand in Hand arbeiten. Kommunalverwaltungen muss es gelingen, ressortübergreifend zentrale Themen voranzubringen. Es braucht eine integrierte Entwurfsplanung in der Verkehrs- und Stradtplanung. Hierbei bedarf es einer ganzheitlichen Umgestaltung öffentlicher Räume. Erlässe der Verkehrsministerien auf Landesebene geben Spielräume, um die Planung von Stadtstraßen zu verändern.
3. Die vorindustrielle Stadt der kurzen Wege gewährleistete Erreichbarkeit. Im Zuge städtebaulicher Konzepte des 19. und 20. Jahrhunderts (u.a. Charta von Athen) hat sich eine Trennung von städtischen Nutzungsflächen nach Funktionen durchgesetzt, die auch beim Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg als Orientierung galt. In der autogerechten Stadt sind die Wege länger geworden, die klare Trennung von Wohnen, Arbeiten und Handel führt heute dazu, dass Einkaufsstraßen (z.B. Zeil) nach Ladenschluss menschenleer sind. Moderne Leitbilder (z.B. Neue Leipzig-Charta von 2020) betonen mit Blick auf die Notwendigkeit, Verkehrsaufkommen und Mobilitätsbedarfe zu reduzieren, den Bedarf an kompakten, polyzentrischen Siedlungsstrukturen. Das Ziel ist somit wieder eine Stadt der kurzen Wege mit Nutzungsmischung aus Wohnen, Einzelhandel und Produktion.
4. Wir brauchen mehr Mut, zu experimentieren. Verkehrsversuche und Stadtlabore, Visualisierungen, Entwürfe und Experimente in der Straßenraumplanung können hilfreich sein, um an anschaulichen Beispielen mit Bürgerinnen und Bürgern ins Gespräch zu kommen und zu überzeugen, dass eine Neuausrichtung der öffentlichen Räume für alle gewinnbringend sein kann.
5. Notwendig ist eine transparente und ehrliche Berechnung von Verkehrskosten mit dem Ziel, den öffentlichen Raum in eine neue Balance zu bringen und die Verkehrsmittel zu fördern, die mit Blick auf Klima, Gesundheit, Flächenverbrauch und Zeit effizient sind. Das bedeutet auch, umweltschädliche Subventionen für den KfZ-Verkehr zu hinterfragen.
6. Wünschenswert ist eine Versachlichung der Debatte mit dem Ziel, zu entemotionalisieren sowie Spaltung und Konflikten entgegenzuwirken. Auch wenn Flächenumverteilung immer Konfliktfeld bleibt, muss es gelingen, die Abwägungs- und Entscheidungsprozesse für eine erfolgreiche Flächenumverteilung nachvollziehbar zu machen.
7. Es gibt nicht die eine Antwort und die eine Verkehrswende, die heute startet und morgen endet. Wir befinden uns in einem langen Prozess und hierfür braucht es kreative Antworten auf aktuelle Herausforderungen. Diskussionen sind nützlich; angesichts unterschiedlicher Bedarfe von Mobilität bei klaren Zielen wie Erreichbarkeit, CO2-Reduktion und Reduktion von MIV ist es gleichzeitig notwendig, Protest auszuhalten und in die Umsetzung zu kommen. Die repräsentative Demokratie muss handlungsfähig bleiben.
8. Die Mobilitätsbedarfe in verdichteten Städten erfordern dringendes Umdenken in der Wahl der Verkehrsmittel. Mit dem individualisierten Automobilverkehr alleine ist dieser Bedarf nicht zu decken. Fuß- und Radverkehr sowie ÖPNV sind flächeneffiziente Verkehrsmittel und müssen daher gestärkt werden.
Rahmenbedingungen von Mobilität
Tim von Winning, Bürgermeister für Stadtentwicklung, Bau und Umwelt der Stadt Ulm
Verkehrskonzept Altstadt
Tanja S. Flemmig, Leiterin Stadtplanungsamt Regensburg
Wann kommt die Verkehrswende?
Prof. Dr.-Ing. Dennis Knese, Professor für nachhaltige Mobilität und Radverkehr, Frankfurt University of Applied Sciences
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Hauptabteilung Politische Bildung
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