Den Kommunikationswissenschaftler
Für Professor Dr. Frank Brettschneider von der Universität Hohenheim hat die CDU eine ihrer besten Kampagnen überhaupt gezeigt. Maßgeblich für das gute Ergebnis war am Ende vor allem das hervorragende Themenmanagement. „Der Wahlkampf ist nicht die Zeit, von der eigenen Position zu überzeugen. Der Wahlkampf ist die Zeit ein Angebot zu den Themen zu machen, die die Menschen interessieren“, sagte Brettschneider. Hier habe die CDU viele Pluspunkte sammeln können, auch weil Streitthemen bereits nach der Wahl 2009 abgeräumt worden seien.
Anders als bei der Union lief bei der SPD bekanntermaßen nicht alles rund. Und obwohl Peer Steinbrück eine überraschend gute Figur beim TV-Duell machte, verpuffte auch dieses vermeintliche Momentum. Statt über die Inhalte zu reflektieren, konzentrierten sich die Medien am Tag danach auf die Deutschlandkette und die Moderation von Stefan Raab. Das Duell sei daher anders als bei früheren Wahlkämpfen dieses Mal nicht entscheidend gewesen.
Auch Strategie, Personal, Themen und Umsetzung der anderen Parteien bilanzierte Brettschneider. Er stellte vor allem der FDP und den Grünen ein vernichtendes Zeugnis aus. „Die Grünen haben die selbtsvernichtendste Kampagne gefahren, die ich je erlebt habe“, so Brettschneider. Insbesondere die Strategie, statt auf den eigenen Markenkern - Umwelt und Ökologie - auf soziale Themen und Steuerpolitik zu setzen, habe sich als „völlig falsch“ erwiesen.
Den Politikwissenschaftler
Als Fluch und Segen zugleich bezeichnete Professor Dr. Thorsten Faas den Einfluss der Demoskopie auf die Wahlentscheidung. Mit einigen Sorgenfalten habe er die zunehmende Medienhysterie um aktuelle Umfragedaten beobachtet. Er rief zwei Kerneigenschaften der Demoskopie in Erinnerung: Sie messe nicht, sondern konstruiere eine Wirklichkeit, die viel fluider und wackliger ist, als wir glauben.
Den Verdacht der Manipulation wies Faas wenig überraschend zurück. Bis heute sei sich die Forschung darüber uneins, ob es überhaupt einen Effekt von Umfragen auf die tatsächliche Wahlentscheidung gebe. Was der Wahlkampf 2013 aber bewiesen habe ist, dass es offenbar einen schmalen Korridor gibt, in dem eine Mobilisierung oder Demobilisierung möglich ist. Als Beispiel nannte Faas die FDP. Lange Zeit sahen die Demoskopen die Liberalen „stabil“ bei sechs Prozent. Eventuell sei das ausschlaggebend dafür gewesen, dass die Partei anders als etwa bei den Landtagswahlen in Niedersachsen keine Leihstimmen bekommen habe.
Den Kommunikator
Auf die Frage, ob das Thema Gerechtigkeit zum Wahlkampfschlager tauge, antwortete Dr. Knut Bergmann mit einem klaren „Jein“. Zwar habe es erneut die Wähler auf der emotionalen Ebene angesprochen, blieb aber insgesamt 2013 diffus. Das habe auch daran gelegen, weil die Union in diesem Politikfeld stark gegenüber der SPD, die dieses Thema traditionell besetzt hat, aufgeholt habe. Die Sozialdemokraten wiederum hätten diese Karte zum Beispiel mit den Themen bezahlbare Energien und Mietpreisbremse viel stärker spielen können. Dass das nicht gemacht worden sei, bezeichnete Bergmann als „Fehler der Kampagnenmanager“.
Den Netzexperten
Zusammen mit der KAS und dem Vodafone Institut haben die Ludwig-Maximilians-Universität und die Universität Münster anlässlich des Bundestagswahlkampfes untersucht, wie politische Kommunikation im Social Web funktioniert. Professor Neuberger und Jennifer Wladarsch nutzten die IKPK, um erste Ergebnisse ihrer Analyse vorzustellen. Ihr vorläufiges Fazit: Social Media ist kein Sensor für das, was gewählt wird. Insbesondere bei Twitter speisen sich die Beiträge aus der Berichterstattung in den klassischen Medien, wenn auch mit einer anderen Gewichtung. So kommt es, dass die Resonanzräume zwischen Social Media und den Massenmedien quasi deckungsgleich sind. Das Forscherteam stellt zudem eine gewisse Ereignisgetriebenheit fest. Viele Tweets gebe es vor allem dann, wenn ein konkreter Anlass vorliege. Bei Themen, wie der Eurokrise, die seit Monaten fester Bestandteil der massenmedialen Berichterstattung sind, sei das so nicht festzustellen.
Beleuchtet man erfolgreiche Tweets näher, so haben die Forscher festgestellt, dass diese selten die reine Nachricht kommunizieren. Vielmehr seien solche Beiträge am meisten weiterempfohlen worden, die teils bitterböse und zynisch das aktuelle Geschehen kommentiert haben.
Für Neuberger stellt der Onlinewahlkampf 2013 insgesamt eine Professionalisierung gegenüber 2009 dar. Der Effekt politischer Social Media Nutzung sei dabei aber noch sehr gering. Trotzdem solle man nicht die indirekte Wirkung von Twitter unterschätzen. Für viele Journalisten sei der Kurznachrichtendienst mittlerweile ein fester Anlaufpunkt zur Recherche geworden.
Die Praktiker
Bei der IKPK 2012 hatte sich vor allem ein Trend herauskristallisiert: Hausbesuche. Vier junge Wahlkreiskandidaten, die dieses Instrument in ihren Kampagnen eingesetzt hatten, sprachen jetzt von einer sehr wertvollen Art des Direktkontakts. Christina Kampmann, Kandidaten der SPD in Bielefeld, nannte es das „einzige Instrument, um Menschen zu erreichen, die sich abgehängt fühlen“. Lars Zimmermann, Kandidat der CDU in Pankow, ging sogar so weit, dass er den Direktkontakt als den qualitativsten überhaupt bezeichnete und damit gleichzeitig die Bedeutung des Social Media-Wahlkampfes relativierte. Twitter und Facebook dürften nicht überbewertet werden. Er habe die Erfahrung gemacht, dass es ein großes Interesse an einer inhaltlichen Debatte gebe, die auf Twitter und Facebook nicht uneingeschränkt möglich sei. Sein Erfolgsrezept sei gewesen, mit so vielen Menschen wie möglich direkt zu sprechen. Trotzdem, so Dr. Marcel Klinge, Kandidat der FDP im Schwarzwald-Baar-Kreis, sei heute das eine ohne das andere nicht mehr denkbar. So sieht es auch Sven-Christian Kindler, Kandidat der Grünen in Hannover. Der Online-Wahlkampf sei ideal zur Ergänzung und zur Begleitung, etwa indem man Bilder der Hausbesuche poste oder beobachte, welche Debatten sich entwickeln.
Am zweiten Tag der IKPK wird der Europawahlkampf im Mittelpunkt stehen. Unter anderem werden dann David McAllister und Professor Paolo Mancini in die Diskussion einsteigen.
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