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In einer Zeit, in der viele unserer europäischen Nachbarn mit hohen Arbeitslosenquoten und einer anhaltend stagnierenden Wirtschaft zu kämpfen haben, hat es Deutschland geschafft, gestärkt aus der Krise hervorzugehen. Dr. Michael Borchard, Leiter der Hauptabteilung Politik und Beratung, zeichnete in seiner Einführung die beeindruckende Entwicklung der deutschen Wirtschaft vom „Sick Man of Europe“ zu „Europe's Engine“ nach.
Raimund Becker, Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit, unterstrich diese positive Entwicklung mit beeindruckenden Zahlen. Deutschland gelinge es heute erstmals die Sockelarbeitslosigkeit deutlich zurückzudrängen. 2005 hatte die Langzeitarbeitslosigkeit einen bedrohlichen Höchststand von 11,7 Prozent erreicht – seitdem gehe sie zwar langsam aber stetig zurück. Diese Entwicklung, so Becker, sei unter anderem den weitreichenden Arbeitsmarktreformen im Zuge der Agenda 2010 zu verdanken.
Der Fraktionsvorsitzende der CDU in NRW, Karl-Josef Laumann MdL, fügte dem hinzu, dass neben den Hartz-Reformen vor allem auch verantwortungsvolle Gewerkschaften und ein innovatives Unternehmensmanagement zu der positiven Entwicklung beigetragen haben. Aber, so Laumann, gerade die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe könne als „Quantensprung“ in der Arbeitsmarktpolitik bezeichnet werden.
Gleichzeitig störte es Laumann allerdings, dass man es den Deutschen nicht ansehe, dass es dem deutschen Arbeitsmarkt so gut gehe. Es seien viele neue Beschäftigungsverhältnisse entstanden, die sich vielfach durch schlechte Bezahlung und Arbeitsbedingungen auszeichneten.
Niedriglohnsektor
Herr Dr. Borchard hatte bereits in der Begrüßung auf diese Entwicklung aufmerksam gemacht. Der so genannte Niedriglohnsektor macht heute 20 Prozent aller Beschäftigten aus. Jeder fünfte, so Borchard, ist für einen Stundenlohn von unter 9,50 Euro beschäftigt. Laumann sieht diese Entwicklung mit Unbehagen. Es gäbe heute einfach einige Sektoren auf dem Arbeitsmarkt, die nicht durch die Tarifpartner reguliert werden. Gerade Dienstleistungen, die nicht im globalen Wettbewerb stehen, seien von niedrigen Löhnen betroffen. Dass es heute Branchen gibt, in denen seit zehn Jahren kein Tarifvertrag mehr gilt, mache es notwendig über Alternativen nachzudenken. Eine gesetzliche Lohnuntergrenze könne die Arbeitsmarktordnung sinnvoll ergänzen.
Der Unternehmer Ahlberg sieht sowohl Mindestlöhne als auch die Tarifautonomie kritischer. Er sei selbst in der Lage faire Löhne mit seinen Mitarbeitern auszuhandeln, dazu brauche er weder Staat noch Gewerkschaften. Hilfskräfte verdienen in seinem Unternehmen deutlich über 10 Euro die Stunde.
Martin Wilde, Hauptgeschäftsführer des Bunds Katholischer Unternehmer, sieht einen Mindestlohn ebenfalls kritisch. Er verwies auf das ökonomische Prinzip: Ein Mindestlohn verteuere die betroffenen Waren und Dienstleistungen, wodurch die Nachfrage zurückgehe und Arbeitsplätze in den betroffenen Branchen wegfallen würden.
Minijobs
Ingrid Sehrbrock, stellvertretende Vorsitzende des DGB, kritisierte die zunehmende Verbreitung geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse. Seit 2003 ist deren Bedeutung für den deutschen Arbeitsmarkt gestiegen. Mittlerweile üben 7,38 Millionen Menschen einen so genannten Minijob aus. Gerade für Frauen, so Sehrbrock, seien diese Jobs eine Falle, denn sie sind nicht sozialversicherungspflichtig und bergen dadurch ein großes Risiko der Altersarmut. Der DGB habe deshalb einen Reformvorschlag vorgelegt, der vorsehe alle Beschäftigungsverhältnisse ab dem ersten Euro sozialversicherungspflichtig auszugestalten.
Karl-Josef Laumann sieht die Minijobs weniger kritisch. Diese unkomplizierte Form des Arbeitsvertrags sei sowohl für Arbeitnehmer als auch für Unternehmen sehr wertvoll. Arbeitnehmer können durch sie neben ihrer eigentlichen Beschäftigung zusätzlich Geld für außerordentliche Ausgaben verdienen. Gerade für Rentner sei der Minijob eine gute Möglichkeit noch mit einem Bein im Arbeitsleben zu bleiben. Für Unternehmen sei der Minijob ebenfalls sehr wichtig, denn er biete die nötige Flexibilität.
Flexibilität
Flexibilität – hier war sich das Podium einig – sei für im globalen Wettbewerb stehende Unternehmen unbedingt nötig, um Auftragsspitzen und -einbrüche auszugleichen. Gerade für Unternehmen, die „just-in-time“ produzieren, sei Flexibilität existenznotwendig. Diese Auffassung teilte auch Karl-Josef Laumann, jedoch merkte er an, dass es mit der Flexibilität in Deutschland übertrieben wurde. Man müsse berücksichtigen, dass den Arbeitnehmern auch die notwendige Sicherheit gegeben wird, der für einen Lebensentwurf mit Familie notwendig sei. Ingrid Sehrbrock unterstrich diesen Punkt und fügte hinzu, dass nicht nur Unternehmen Flexibilität benötigen, sondern auch ihre Arbeitnehmer – Nur dann seien Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren.
Zeitarbeit
Ähnlich differenziert wurde auch das Thema Zeitarbeit betrachtet. Sie sei wichtig für den deutschen Arbeitsmarkt, darin waren sich alle Podiumsteilnehmer einig. Es habe in der Vergangenheit jedoch einzelne Unternehmen gegeben, die Regelungen ausgenutzt hätten, so Martin Wilde. Diese „schwarzen Schafe“ repräsentieren jedoch nicht die gesamte Branche. Die Mehrzahl der Unternehmen würde aber faire Arbeitsbedingungen anbieten.
Auch Laumann betonte die wichtige Funktion der Zeitarbeit für den Arbeitsmarkt. Allerdings, so Laumann, sei es nicht zu rechtfertigen, warum bei gleicher Produktivität ein geringerer Lohn gezahlt werde. Keinem Arbeitnehmer könne man dies vermitteln. Nach einer gewissen Einarbeitungszeit müsse daher „Equal Pay“ verwirklicht werden.
Fachkräftemangel
Zum Ende der Diskussion lenkte der Moderator Karl-Sebastian Schulte, stellvertretender Generalsekretär des Zentralverbands des deutschen Handwerks, das Augenmerk auf eine andere Facette der aktuellen Situation auf dem deutschen Arbeitsmarkt: Den Fachkräftemangel. Der Arbeitsmarktexperte Raimund Becker bestätigte, dass in einigen Branchen bereits heute Probleme bestünden, offene Stellen neu zu besetzen – und das, obwohl Deutschland momentan einen Höchststand der Beschäftigung verzeichnet. Der richtige Fachkräfte- bzw. Arbeitskräftemangel würde daher erst noch bevorstehen und ab 2015 seine Wirkung zeigen. Das „Job Wunder von morgen“ hänge daher davon ab, ob es uns gelingt, mehr Menschen für den Arbeitsmarkt fit zu machen. Wichtig sei dabei unter anderem, die Abbrecherquoten in Schulen, Ausbildung und Universitäten zu reduzieren, die Erwerbstätigkeit von Frauen zu erhöhen und Zuwanderung zu erleichtern.
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