Judul tunggal
ANTALYA, 14. April. Die Badestadt Antalya an der türkischen Südküste mag vom Krisengebiet im
Nahen Osten weit entfernt liegen. Doch die Mobiltelefone lassen keinen Moment die Verbindung
abbrechen - die je zehn Israelis und Palästinenser bringen den Konflikt direkt an den Konferenztisch.
Als die Konrad-Adenauer-Stiftung im April 2001 erstmals dieselbe Gruppe von Ministerialbeamten und
Gelehrten zusammenrief, begann ein "Krisen-Dialog in tragischer Zeit", wie ein Teilnehmer sich erinnert.
Die Teilnehmer mißtrauten sich; jetzt aber wird über die Zukunft beraten. Dem politischen "Fahrplan"
des "Quartetts" aus Amerika und EU, UN und Rußland, der dieser Tage veröffentlicht werden soll,
wollen die Konferenz-Teilnehmer einen parallelen Wirtschaftsplan zur Seite stellen.
Das ist keine einfache Sache. Zwar ist man inzwischen miteinander vertraut, zudem sagt jeder nur seine
"eigene Meinung". Aber wird sich ein israelischer Offizier von seinen militärischen Vorgaben entfernen
können? Werden die beiden hohen Beamten aus dem Außenministerium etwas anders meinen als ihr
Minister Schalom? Bei den Palästinensern ist ein bisheriger stellvertretender Minister und Ratgeber von
PLO-Chef Arafat der Wortführer. Während sich Arafat in Ramallah gegen die Liste des designierten
Ministerpräsidenten Abbas aufbäumt, spricht sein Ratgeber in Antalya von den notwendigen Reformen.
Er ist sich dabei mit der Schwiegertochter von Abbas einig, die als Juristin viele Verhandlungen mit den
Israelis begleitet hat. "Würden Sie sich so schnell von ihren Aufgaben trennen, wie es von Arafat
verlangt wird, wenn Sie vierzig Jahre lang das Sagen gehabt hätten", gibt sie zu bedenken und bittet für
Arafat um Geduld.
Die Teilnehmer wissen also nicht, ob ihre Ideen von ihren Ministern gutgeheißen werden. So gibt es bei
den israelischen Beamten vor allem eine Prämisse: Der wirtschaftliche "Fahrplan" müsse mit dem
politischen parallel laufen. Er könne nur in Kraft treten, wenn israelische Sicherheitsbedenken beseitigt
seien. Das trifft auf den Widerspruch der Palästinenser. Mit dem "Fahrplan" würden die alten Pläne des
amerikanischen Senators Mitchell, des CIA-Direktors Tenet und des Sonderbotschafters Zinni
weiterentwickelt, sagen sie. Die Vertragserfüllung werde mit Hilfe eines Monitor-Systems überprüft,
also von einer "dritten Seite", der sich Israelis und Palästinenser beugen müßten. Das sei entscheidend,
gibt ein Israeli zu bedenken: "Ich kann mir kaum vorstellen, daß sich Israel diese lebenswichtige Frage
aus der Hand nehmen läßt."
Die Palästinenser haben andere Bedenken. Zwar wissen sie, daß für ihre wirtschaftliche Zukunft eine
Zollunion mit Israel das Beste wäre, genauso wie ein gemeinsamer offener Markt und möglichst viele
Arbeitsplätze für die palästinensischen Arbeitnehmer in Israel. Doch die Stimmung auf der Straße geht in
Richtung einer Trennung. An dem sogenannten Paris-Protokoll, das 1994 die Beziehungen zwischen
den beiden Wirtschaftseinheiten regelte, wird viel Kritik geübt. "Das liegt auch daran, daß die
Palästinenser damals noch kaum Ahnung von dieser Thematik hatten", äußert ein israelischer Ökonom.
Er gibt aber zu: "Das Prinzip einer Verkopplung der beiden Wirtschaftskreisläufe bleibt für die
Palästinenser lebenswichtig, gerade wenn sie einen überlebensfähigen Staat bilden wollen." Man kann
sich nun darauf einigen, daß die Wirtschaftsbeziehungen in der ersten Phase wieder auf den Stand
gebracht werden müssen, den es vor Ausbruch der "zweiten Intifada" Ende September 2000 gab. Aber
für Weiteres müsse erst einmal die Regierung in Ramallah gebildet sein. Schließlich wird ein neues
Treffen vereinbart.
Am Samstag hatte der designierte Ministerpräsident Abbas dem PLO-Chef in Ramallah seine
Kabinettsliste vorgelegt. Der soll sie kurz studiert und auf den Boden geworfen haben. Am Sonntag
kam es zu einem zweiten Treffen Arafats mit Abbas. Doch davor hatte Arafat seine Fatah-Getreuen
gegen Abbas aufgebracht, und die hatten die Exekutivrats-Sitzung abgesagt, die das Kabinett schon
gutheißen sollte. Abbas' Schwiegertochter in Antalya bleibt trotzdem gelassen: "Die Liste ist ein Paket,
entweder so oder gar nicht." Wohl zwanzig Minister sollen zum neuen Kabinett gehören. Um Arafat
entgegenzukommen, setzte Abbas sich selbst als Innenminister ein; der erste Kandidat für dieses Amt,
der von Arafat abgelehnte Oberstleutnant Dahlan, der frühere Sicherheitschef in Gaza, soll Minister
ohne Geschäftsbereich werden. Gedemütigt sah sich Arafat auch dadurch, daß seine beiden Getreuen,
die bisherigen Fachminister Erekat und Rabbo, auch nur noch Minister "ohne Geschäftsbereich" sein
sollen; Arafats eigentlicher Kandidat für den Posten des Ministerpräsidenten, al- Masri, ein Millionär
aus Nablus, soll nur Energieminister werden. Masri, Erekat und Rabbo wollen ihre Posten nun gar nicht
erst antreten. In Antalya gibt der Arafat-Berater zu bedenken, es wäre gut, wenn möglichst viele
Personen keine Verantwortung mehr übernähmen, die mit der "militärischen Intifada" in Verbindung
gebracht werden. Es komme nun eine Generation aus dem Mittelstand an die Macht, der am meisten in
den vergangenen Jahren gelitten und nie für den Kampf gegen Israel Sympathie gehegt habe. Diese
Gruppe aber habe es schwer, sich gegen den Kreis der Militanten in Arafats Fatah durchzusetzen, die
sich jetzt um die Früchte ihres Kampfes gebracht sähen.
Schließlich kommt Azzam Schawwa, ein jungen Mann aus einer ehrwürdigen Gaza-Familie, in die
Runde in Antalya und gibt bekannt, daß er den Posten des Wirtschaftsministers angenommen habe.
Sein Vertrauter werde sein Generalsekretär. "Wir werden arbeiten, bis die Fingernägel brechen", sagt
er, "und der wirtschaftliche Fahrplan steht nun in etwa fest."
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