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Berlin, das zweifellos reichste Labor städtischen Wohnens weltweit, hervorgegangen aus der größten Mietskasernenstadt der Welt, hat vom Reformwohnungsbau des ausgehenden 19. Jahrhunderts bis zur Neuen Heimat und den Trabantenstädten alles durchgespielt, was dem visionären Hirn einfallen kann. Berlin ist aber auch die Stadt, die sich bis heute unfähig zeigt, aus den Erfahrungen Konsequenzen für die Zukunft zu ziehen.
Seit Walter Gropius, der große Vereinfacher, 1927 mit der Dammerstocksiedlung in Karlsruhe bewiesen hatte, dass man Wohnungen schneller und billiger bauen kann, wenn man sie aus dem urbanen Organismus entfernt und alles weglässt, was über die bloße Zweckerfüllung hinausgeht, seither betreibt man wider besseres Wissen ,Wohnungsbau‘.
Die Bombardierung und weitgehende Zerstörung des historischen Zentrums von Berlin wurde von Anfang an nicht begriffen als Aufforderung zum Wiederaufbau, sondern als historische Chance, endlich die neue Stadt der Moderne zu verwirklichen.
Dagegen wird Touristen in Florenz kaum auffallen, dass die „Brückenköpfe“, die Stadtquartiere an beiden Enden, des Ponte Vecchio vollkommen neu erstanden sind nach der Sprengung durch deutsche Truppen. Innerhalb von fünf, sechs Jahren wurde hier eine Stadtstruktur in zentraler Lage wiederhergestellt, nicht nur mit hoher Dichte, öffentlich gefördertem Wohnungsbau, sondern auch modernen Wohnstandards, nachdem eine Debatte der Stadtgesellschaft von höchster Intensität stattgefunden hat.
So ist der Florentiner Wiederaufbau in seiner Verschmelzung einer mittelalterlichen Haustypologie, wie wir sie von den Fresken Masaccios in der Kirche Santa Maria Del Carmine kennen, mit dem Wohnungsbau des ‚International Style‘ der fünfziger Jahre ein ganz und gar unheroisches Weiterbauen der verletzten Stadtstruktur.
Hans Kollhoff ist ein deutscher Architekt und emeritierter Universitätsprofessor. Er betreibt Ateliers in Berlin, Den Haag und Florenz.
Über die Reihe
Sehnsuchtsort für die einen, Enge und Stress für die anderen – unser Bild von Städten bewegt sich zwischen den Polen Utopie und Moloch und verändert sich unaufhörlich. Die Veranstaltungsreihe „Quer durch die Stadt“ fragt, was Städte ausmacht, wie Menschen in Städten zusammenleben und welche Konflikte und Zeitfragen in Städten sichtbar werden.
Städte sind Verdichtungsräume in denen verschiedene Anschauungen und Wirklichkeitsvorstellungen aufeinandertreffen und Kompromisse ausgehandelt werden müssen. Wie gestaltet sich die Willensbildung in Städten und zu welchen Ergebnissen kommt sie? Welchen Einfluss haben Prozesse in der Stadt auf die Landes- und Geopolitik? Besitzen Städte die eigentliche politische Macht und was macht diese aus?
Lassen Sie uns gemeinsam nach den Grenzen der Stadt und der Bedeutung von Stadtplänen fragen sowie über Wohnraum, Resilienz und Proteste im urbanen Kontext nachdenken!