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Joachim Heise spricht leise, aber deutlich und mit einer angenehmen Färbung, die seine Herkunft aus dem Thüringischen verrät. Seine Familie gibt ihm bei seinem Eintritt in das Leben zwei Prägungen mit, die ihm in dem atheistischen „Arbeiter- und Bauernstaat“ bereits in der Grundschule in Nordhausen Schwierigkeiten bereiten werden: Heises Eltern sind Akademiker, also Angehörige der so genannten „Intelligenz“ und noch dazu überzeugte evangelische Christen. Als er sich 1958 konfirmieren lässt, ignoriert er das staatlich verordnete atheistische Ritual der Jugendweihe und macht seine oppositionelle Haltung zum DDR-Regime erstmals öffentlich. Heise darf das Abitur ablegen, doch insbesondere im Berufsleben eckt er immer wieder an. Der studierte Diplom-Ingenieur, der einen Abschluss an der renommierten Bergakademie Freiberg erwirbt, wird in seinem Betrieb hautnah mit den beiden Grundprobleme der sozialistischen Verwaltungswirtschaft konfrontiert: Die ambitionierten Fünfjahrespläne entbehren jeglicher realer Grundlage und der so genannte „sozialistische Wettbewerb“ erscheint ihm als „Farce“. Heise durchbricht diese Gegebenheiten verbal, irgendwann kann er seine Meinung nicht mehr für sich behalten: „Ich wollte nicht mehr lügen!“, so fasst er diese Zeit zusammen.
Er ist er nicht bereit, der Staatspartei SED beizutreten, obwohl eine Mitgliedschaft angesichts seiner wichtigen Position für selbstverständlich gehalten wird. Der Austritt aus der „proletarischen Kampfgruppe“ seines Betriebes sorgt für weiteren Unfrieden. Heise und seine Frau treffen 1980 die Entscheidung, einen Antrag auf Ausreise in die Bundesrepublik zu stellen. Von nun an bekommt er die Härte des Regimes in aller Konsequenz zu spüren. Von einem Tag auf den anderen wird er im Betrieb sämtlicher Funktionen enthoben, muss aber gleichwohl täglich an seinem Arbeitsplatz erscheinen, um die Zeit abzusitzen. Die Bearbeitung seines Ausreiseantrags verzögert sich immer weiter. Heise möchte die Dinge beschleunigen und sucht deshalb mehrfach die Ständige Vertretung der Bundesrepublik in Ost-Berlin auf. Derweil sammelt das MfS eifrig Informationen wegen etwaiger Verstöße des Ausreisewilligen gegen Strafgesetze der DDR. Als er schließlich im Mai 1983 in einen Hungerstreik tritt, greift die Stasi zu. Heise wird in das Untersuchungsgefängnis des MfS in Erfurt verbracht. Bei „Politischen“ wie ihm führt die Staatssicherheit auch die weiteren Verhöre, Heise soll vor dem Gerichtstermin gestehen, von einem Ermittlungsverfahren nach rechtsstaatlichen Prinzipien kann dabei keine Rede sein. Die entscheidenden Verhöre muss er ohne jeglichen rechtlichen Beistand im Juni und Juli 1983 über sich ergehen lassen: „Meine Verhöre waren im Juli beendet, meinen Rechtsanwalt sah ich erstmals im August!“ Im September 1983 kommt es zur Verhandlung, doch das Urteil steht schon vorher fest. Heise wird wegen „Nachrichtenübermittlung“, „Agententätigkeit“ und „Widerstand gegen die Staatsgewalt“ zu drei Jahren Gefängnis verurteilt und tritt seine Strafe im Zuchthaus Cottbus an. Im Juni 1984 wird er von der Bundesrepublik freigekauft und darf mit 80 weiteren ehemaligen politischen Häftlingen über das damalige Karl-Marx-Stadt die DDR Richtung Gießen verlassen. Heise fasst in der Bundesrepublik Fuß und lebt 18 Jahre lang in Hessen. Doch die Sehnsucht nach der Heimat lässt ihn nicht los. Als einer von wenigen freigekauften Häftlingen aus der DDR kehrt er im Jahre 2002 zurück und lässt sich im heimatlichen Nordhausen nieder.
Den Mut und das Bewusstsein, sich von der Stasi nicht brechen lassen zu wollen, merkt man ihm vor allem bei der Antwort auf die Frage eines Schülers an, wie es denn ist, heutzutage den ehemaligen Verfolgern von der Staatssicherheit zu begegnen? „Wieso? Dann müssen die doch auf den Boden gucken und nicht ich!“ Heise ist jedoch nicht in einer einfachen Opfer-Täter-Dichotomie gefangen. Er plädiert vielmehr für einen reflektierten, den Zusammenhang des Einzelfalls berücksichtigenden den Umgang mit ehemaligen Mitarbeitern des MfS. Heute engagiert er sich für das Menschenrechtszentrum in Cottbus, das in dem ehemaligen Zuchthaus arbeitet, in dem er einst einsaß. Sein abschießender Appell an die Schüler ist deshalb von der Wirkung eines individuellen Vorbilds durchdrungen. Es ginge darum, die demokratischen Verhältnisse, die jüngeren Generationen „in die Wiege“ gelegt wurden, aktiv auszugestalten und wenn nötig zu verteidigen.
Wir danken der Sparda-Bank Hannover-Stiftung für die großzügige finanzielle Unterstützung!
Disediakan oleh
Politisches Bildungsforum Bremen
Tentang seri ini
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