Schon immer
1653. In einem Taufbuch einer kleinen deutschen Gemeinde wird aus einer Anna Jacob ein Hans Jacob. Hans illustriert, was Menschen mit inter- und transgeschlechtlicher Identität seit Jahrzehnten betonen: Trans* ist kein modernes Phänomen.
2024, Berlin. Prof. Dr. Gerhard Schreiber von der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg widerlegt in seinem Vortrag „Trans* in Theologie und Neurowissenschaften“ zwei zentrale, hartnäckige Mythen über Menschen mit transgeschlechtlicher Identität:
1. Das Thema betreffe nur einige wenige Menschen.
2. Trans* sei ein neuer Trend.
Lucie G. Veith vom Bundesverband Intergeschlechtliche Menschen e.V. thematisiert anschließend im Seminar Intergeschlechtlichkeit, besonders auch die Operationen an intergeschlechtlich geborenen Menschen, durch welche sie oft lebenslange irreversible Schäden davontrugen. Lucies Lebensgeschichte hat viele Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Seminars berührt.
Axel Hochrein war knapp 20 Jahre Bundesvorsitzender des Lesben- und Schwulenverbandes Deutschland (LSVD) und ist aktuell im Vorstand der Hirschfeld-Eddy-Stiftung aktiv, die sich weltweit für die Stärkung der Rechte queerer Menschen einsetzt. Im Seminar lenkt Hochrein den Blick auf die Inhaftierung zehntausender schwuler Männer zwischen 1871 und 1994 auf Grundlage des Paragrafen 175 StGB. Die Nationalsozialisten verschärften das Gesetz und inhaftierten schwule Männer in Konzentrationslagern. Die Überlebenden mussten, sofern sie ihre Haftstrafe noch nicht abgesessen hatten, nach dem Krieg wieder ins Gefängnis. Diesmal in der freien, demokratischen Bundesrepublik Deutschland. Die Bundesrepublik übernahm zunächst den Paragrafen in der nationalsozialistischen Fassung. Erst 1994 wurde er abgeschafft. Es dauert dann nochmal bis 2017, ehe die letzten nach Paragraph 175 StGB Verurteilten rehabilitiert wurden.
Besonders bewegend für uns Teilnehmerinnen und Teilnehmer war auch die Lebensgeschichte des schwulen DDR-Flüchtlings Mario Röllig, der uns durch die Gedenkstätte Hohenschönhausen führte.
Auch jetzt
2017 erklärte die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel die Entscheidung über die „Ehe für alle“ zur Gewissensfrage – ohne Fraktionszwang. Die Mehrheit der Abgeordneten im Bundestag stimmte dafür. Ein erfreuliches Ergebnis langjähriger Bemühungen. Dank gebührt hierfür auch der LSU, einer Interessenvertretung innerhalb der CDU, die sich für die Rechte queerer Menschen einsetzt. Seit den ersten inoffiziellen Treffen 1997 setzte sie sich auf Parteitagen, auf lokaler, nationaler und europäischer Ebene sowie im persönlichen Kontakt für Gleichberechtigung und Anerkennung queerer Menschen ein. Alexander Vogt, ehemaliger Bundesvorsitzender der LSU und Altstipendiat, berichtet im Seminar über die nicht immer reibungsfreie, aber oftmals auch überraschend erfolgreiche Geschichte der Entwicklung der Rechte von LSBTIQ* in Deutschland sowie ihrem Verhältnis zur deutschen Christdemokratie.
Auch heute gibt es in manchen Fragen unterschiedliche Perspektiven – zum Beispiel beim Selbstbestimmungsgesetz der Ampelkoalition aus diesem Jahr, das die Situation transgeschlechtlicher Menschen adressiert. Die Union stimmte gegen den Gesetzesvorschlag. Miriam Kempte, Beisitzerin des LSU Bundesvorstandes, erläutert diese Entscheidung anhand des Hausrechtsparagraphen, dem Offenbarungsverbot und dem Abstammungsrecht. Auch der Schutz von Frauen sei nach wie vor unzureichend umgesetzt. Trotzdem beschreibt sie das Selbstbestimmungsgesetz als Meilenstein.
Während sich die Situation queerer Menschen in Deutschland weiter verbessert, droht homosexuellen Menschen immer noch in 11 Ländern die Todesstrafe, in 27 Ländern können sie zu lebenslanger Haft verurteilt, in weiteren 30 Ländern bis zu acht Jahre inhaftiert werden. Weltweit versuchen populistische Regime und Parteien hart erkämpfte Rechte wieder zurückzudrängen. Mikhail Tumasov, ehemaliger Vorsitzender des russischen LSBT-Netzwerkes, der vor einigen Jahren mit seinem Ehemann nach Deutschland fliehen musste, schlägt den historischen Bogen der Homosexuellenfeindlichkeit in seiner Heimat vom Mittelalter bis hin zu Putin. Er erzählt von den harschen Folgen für sein Leben und die großen Herausforderungen seiner Flucht.
Für immer
Als Stipendiatin habe ich gelernt, dass es noch Vieles zu verändern gilt – weltweit ebenso wie in Deutschland. Diskutiert haben wir u.a. eine mögliche Ergänzung des Artikel 3 des Grundgesetzes um das Merkmal „sexuelle Identität“ und eine Neuregelung des Abstammungsrechts – besonders (aber nicht ausschließlich) für Zwei-Mütter-Familien. Fest steht für mich auch: Es braucht ein stärkeres Bewusstsein für die zunehmende Hassgewalt gegenüber queeren Menschen, es braucht Sichtbarkeit und Diversität in allen Bereichen. Damit wir endlich erfüllen, was das christliche Menschenbild von uns allen fordert: „Menschen so akzeptieren, wie sie sind!“, wie Miriam Kempte, eine Referentin des Seminars, fordert.
Ein Seminarbericht von Gloria Timm, Stipendiatin der Studienförderung der Konrad-Adenauer-Stiftung und Teilnehmerin des Kompaktseminars „Sexuelle Identität und Menschenwürde – in Deutschland und weltweit“ in Berlin.
Leitung: Dr. Dominika Borowicz, Referentin der Konrad-Adenauer-Stiftung.
Disediakan oleh
Hauptabteilung Begabtenförderung und Kultur
Tentang seri ini
Konrad-Adenauer-Stiftung dengan karya-karya dan pusat-pusat pendidikannya serta kantor-kantornya di luar negeri menyelenggarakan setiap tahun beribu-ribu buah acara tentang topik yang beraneka-ragam. Di dalam situs www.kas.de, kami memberitakan secara aktuil dan eksklusif bagi Anda tentang kongres, peristiwa, dan simposium dll. yang terpilih. Di samping ringkasan isi, Anda di situ memperoleh juga bahan tambahan seperti gambar, naskah ceramah, serta rekaman video dan audio.