Reportage sui paesi
Die Gerüchteküche brodelte seitdem das politische Kolumbien Mitte Januar 2010 seine Aktivitäten wieder aufgenommen hatte. Je nach Stimmungslage streute die Opposition Gerüchte, wonach das Referendum durch eine regierungsabhängige Mehrheit im Verfassungsgericht durchgewunken werde oder aber dass Chancen bestünden, eine Mehrheit gegen das Referendum zustande zu bringen. Demgegenüber verkündete die Regierung in ihren Kreisen, man habe die Mehrheit sicher, und das Referendum werde am 13. März, d.h. einen Tag vor den Kongresswahlen stattfinden. Gestützt wurde dieser Regierungsoptimismus durch eine kurz zuvor veröffentlichte Stellungnahme des Procuradors, der für das Referendum keine verfassungsrechtlichen Hindernisse sah, allerdings die Sicherstellung der Chancengleichheit zwischen einem wiederkandidierenden Staatspräsidenten und den übrigen Präsidentschaftskandidaten anmahnte.
Währenddessen hüllte sich das Verfassungsgericht in professionelles Schweigen.
Nun ist es amtlich: Der berichterstattende Richter hat in einem Urteilsenwurf seinen Richterkollegen die Ablehnung des Referendums empfohlen. Dies bedeutet noch nicht, dass damit auch die endgültige Entscheidung des Verfassungsgerichts bindend vorweggenommen ist, die Richter haben nun 60 Arbeitstage (26. April) für die abschliessende Beratung. Allerdings wird nicht erwartet, dass das Verfassungsgericht diese Frist ausschöpft.
Gründe für die Ablehnungsempfehlung
Die Spekulationen über das Beratungsvotum waren auch von unterschiedlichen Erwartungen darüber geprägt, ob sich das Verfassungsgericht auf die Prüfung allein materiellrechtlicher (Verfassungs)fragen beschränkt, oder auch verfahrensrechtliche Streitpunkte aufgreift, und damit gleichsam die gesamte Geschichte des Referendums unter die Lupe nimmt.
Der berichterstattende Richter hat sich für letzteres entscheiden. Sein ablehnendes Votum stützt sich im Wesentlichen auf folgende Argumente:
- Verletzung der finanziellen Obergrenze zur Durchführung des Referendums: Die Initiatoren des Referendums von 2008 überschritten zur Sammlung der Unterschriften die vom Wahlgerichtshof vorgegebenen Finanzierungsgrenzen um das Sechsfache, Beiträge von Einzelpersonen überschritten die Grenze bis zum Dreißigfachen. Nach Vorlage der Unterschriften wurde das Gesetzgebungsverfahren ohne das erforderliche Zertifikat des für die Finanzierungskontrolle zuständigen Registradors eingeleitet. Dieses Zertifikat, so das ablehnende Votum des Berichterstatters, stellt jedoch einen Schutzmechanismus der Demokratie dar, der verhindern soll, dass Partizipationsformen wie die Einleitung eines Referendums sich nicht in ein Instrument von Gruppen verwandelt, die aufgrund ihrer finanziellen Möglichkeiten sich „des Volkswillens bemächtigen“.
- Änderung des Textes: Im Verlauf der parlamentarischen Beratung wurde der Ursprungstext des Referendums geändert. Die erste Fassung hätte eine unmittelbare Wiederwahl nicht zugelassen, sondern nur eine mittelbare nach Ablauf einer Wahlperiode. Damit habe der Kongress die ihm vom Prinzip der partizipativen Demokratie auferlegten Grenzen verletzt. Die Identität zwischen ursprünglichem Volksbegehren und dem für das entscheidende Referendum geplanten Fragestellung sei nicht mehr gegeben.
- Keine ausreichende Mehrheit im Kongress: Bei der Abstimmung im Kongress nahmen fünf Abgeordnete teil, die aufgrund ihres Parteiwechsels und der damit einhergehenden Suspendierung ihres Stimmrechts nicht hätten teilnehmen dürfen. Die Gesetzesinitiative verfügte daher nicht über die erforderliche parlamentarische Mehrheit.
- Sondersitzungen verfahrenswidrig: Ende 2008 war der Gesetzgebungsprozess des Referendums wegen drohenden Fristablaufs gefährdet. Die vor diesem Hintergrund erfolgte Einberufung von Sondersitzungen des Kongresses durch den Staatspräsidenten im Dezember 2008 war verfahrenswidrig.
Morgenluft für Opposition - Neue Konfliktlinie in der Konservativen Partei
Das ablehnende Votum hat in den Reihen der Opposition die Hoffnung gestärkt, nun doch noch, in welchen Konstellationen auch immer, gleichsam auf der Zielgerade des Wahlkampfes ernsthaft in die Entscheidung eingreifen zu können. Dennoch werden zentrale Fragen wie bspw. die nach Vorwahlkoalitionen erst nach einem endgültigen Urteil des Verfassungsgerichts entschieden werden.
Während die Opposition Morgenluft wittert, hat sich für die Konservative Partei eine neue Konfliktlinie ergeben. Einen Tag nach Veröffentlichung der ablehnenden Empfehlung des Verfassungsrichters trafen der Präsidentschaftskandidat in spe und gleichzeitig Parteivositzender der Uribe-Partei „de la U“, der ehemalige Verteidigungsminister Manuel Santos und Andès Felipe Arias, ehemaliger Landwirtschaftsminister und einer der beiden aussichtsreichsten Prä-Kandidaten der Konservativen Partei für das Amt des Staatspräsidenten, mit Präsident Uribe zusammen. Die nicht zum ersten Mal ventilierte Option einer gemeinsamen Spitzenkandidatur des uribistischen Koalitionslagers nahm damit auch in der Öffentlichkeit Gestalt an: Santos Präsidentschaftskandidat mit Arias als Vize-Präsident – die „de la U“ und die Konservative Partei erneut in einer Wahlkoalition vereint.
Arias lud auch den Präsidentschaftskandidaten des Cambio Radical, Vargas Lleras, zu einer Rückkehr in eine uribistische Koalition ein, wurde mit einer Antwort jedoch auf einen späteren Zeitpunkt vertröstet. Cambio Radical war Teil der aktuellen Regierungskoalition, Vargas Lleras scherte jedoch wegen seiner ablehnenden Haltung gegenüber der Wiederwahl Uribes aus.
Dieses öffentliche Procedere wurde teilweise mit Überraschung zur Kenntnis genommen, waren die Hauptdarsteller doch die beiden Politiker, die bislang am vehementesten die Wiederwahl Uribes unterstützten und nun allein aufgrund eines ablehnenden Empfehlungsvotums eines Richters in aller Öffentlichkeit an anderen Optionen bastelten. Vor allem Arias schien vergessen zu haben, dass die Konservative Partei ihre „Consulta Popluar“, eine Art offener primaries, zur Bestimmung ihres Präsidentschaftskandidaten am 14. März, zeitgleich mit den Kongresswahlen, abhalten will.
Die Desautorisierung von Arias folgte denn auch auf dem Fuss. Der konservative Parteivorsitzende erklärte, dass solche Absprachen vor dem 14. März nicht getroffen würden und danach allein der Parteivorstand befugt sei, eine solche Entscheidung zu treffen.
Das Problem liegt jedoch nicht etwa in einer Missachtung von Geschäfts- und Verfahrens- oder innerparteilichen Hackordnungen. Der Kern ist strategischer Natur und dürfte massive Auswirkungen auf die Auseinandersetzungen der „Consulta Popular“ der Konservativen Partei haben.
Da die Chancen, die Konservative Partei in ein uribistisches Vorwahlbündnis mit einem gemeinsamen, im Zweifel nicht von ihr gestellten Spitzenkandidaten einzubinden, mit Arias als Gewinner der „Consulta Popular“ am grössten sind, geht das Lager seiner gefährlichsten Kontrahentin Sanín davon aus, dass die Partei „de la U“ und das uribistische Lager alles versuchen werden, die Entscheidung zugunsten von Arias zu beeinflussen. Demgegenüber stellt Sanìn offensichtlich darauf ab, in der „Consulta Popular“ auf die Unterstützung des Oppositionslagers rechnen zu können.
Der ehemalige Staatspräsident und Parteichef der Konservativen Partei, Andrés Pastrana, hat zwar eine öffentliche Festlegung auf Sanín vermieden, jedoch davor gewarnt, die Konservative Partei in die Hände von Santos zu geben. Die Partei müsse mit einem eigenen Kandidaten in den ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen gehen. Wenn Arias dies nicht wolle, solle er die Partei verlassen.
Der schon jetzt schonungslos geführte Wahlkampf zwischen Noemi Sanìn und Felipe Arias hat damit eine weitere Dimension erhalten, die die innerparteiliche Auseinandersetzung noch erbitterter werden lässt. Die Befürchtung, dass dadurch lange nachwirkende Wunden zwischen den Lagern geschlagen werden, ist nicht unbegründet.
Die Entscheidung der Konservativen Partei über ihren Präsidentschaftskandidaten ist, ein Scheitern des Referendums vorausgesetzt, auf dem besten Wege, zur wichtigsten strategischen Vorentscheidung des bevorstehenden Präsidentschaftswahlkampfes zu werden.
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Auslandsbüro Kolumbien
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