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דוח מדינה

Cavallo zieht die Notbremse

של Frank Priess

Argentinien entscheidet sich für rigide Devisenkontrollen / Kampf gegen Steuerhinterziehung und Zahlungsunfähigkeit

Argentiniens Wirtschaftsminister Domingo Cavallo hat die Notbremse gezogen, wieder einmal, wie Kritiker nicht ohne Zynismus anmerken. Angesichts massiver Devisenabflüsse aus dem argentinischen Bankensystem - allein 500 Millionen Dollar oder Pesos täglich in der vergangenen Woche, rund 15 Milliarden im Laufe des Jahres 2001 - sah er sich gezwungen, den Bargeldverkehr drastisch einzuschränken und den Kapitalexport weitgehend zu unterbinden. Für zunächst 90 Tage dürfen die Argentinier pro Woche lediglich 250 Pesos von ihren Konten in bar abheben, ansonsten müssen sie ihre Zahlungen auf die Benutzung von Schecks oder Kreditkarten umstellen. Ins Ausland dürfen künftig maximal 1000 Dollar pro Monat mitgenommen werden, wer mit mehr Geld erwischt wird, muss mit drastischen Strafen rechnen.

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Parallel zu diesen Notmassnahmen bemüht sich die Regierung weiterhin um eine Umschuldung ihrer Verbindlichkeiten zu niedrigeren Zinsen. Auf 50 Milliarden Dollar beläuft sich nach Angaben des Wirtschaftsministers mittlerweile die Summe, die lokale Besitzer von argentinischen Schuldtiteln in dieses Programm einbeziehen. Der ungleich schwierigere Verhandlungsmarathon mit den internationalen Kreditgebern des Landes steht allerdings noch aus.

Gleichzeitig wurden die Banken angewiesen, ihre Zinsen für Termingelder drastisch zu senken, die Zinsen für Dollar- und Peso-Einlagen anzugleichen und Kredite künftig nur noch in Dollar zu vergeben. Neben anderen Anzeichen gilt dies Beobachtern als Indiz für eine schleichende Dollarisierung des Landes, die die Regierung auch nach eigenen Angaben einer insbesondere im Ausland vielfach geforderten Abwertung vorzieht.

Mit einer Delegation des Internationalen Währungsfonds wird zudem über die Freigabe bereits zugesagte Kreditlinien verhandelt, die angesichts der Nichteinhaltung argentinischer Zusagen in Frage stehen. Neben all diesen Kopfzerbrechen ist der Wirtschaftsminister dabei, für 2002 einen Haushalt aufzustellen, der den eigenen Vorgaben einer "Null-Defizit-Politik" Rechnung trägt und auf politische Zustimmung rechnen kann.

Freiwillig aber können die Maßnahmen der Regierung kaum genannt werden. Für Roberto Feletti, den Präsidenten der Banco Ciudad steht fest: "Die Kapitalflucht ins Ausland konnte so nicht weitergehen und dem System Liquidität und Solvenz entziehen. Es war eine Notmassnahme und deshalb gibt es auch Punkte, die noch nachgebessert werden müssen."

Auch andere Analysten sind sich darüber einig, dass hier die pure Panik Pate gestanden hat, es dazu aber kaum bessere Alternativen gegeben habe. Gleichwohl: "Diese überraschende Entscheidung während eines Wochenendes zeigt, dass das Land seine Fähigkeit verliert, den 1:1-Wechselkurs zwischen Dollar und Peso zu verteidigen", kommentierte umgehend das Wall Street Journal. Das Blatt zitiert darüber hinaus Gray Newman von Morgan Stanley mit seinem Pessimismus für das argentinische Bankensystem: "Wer", so fragt sich der Chefökonom für Lateinamerika, "will künftig wohl noch Geld bei einer argentinischen Bank halten?"

Das ist natürlich auch vielen Argentiniern unklar, die sich noch gut an die Maßnahmen vor rund zehn Jahren erinnern können, wo ihre Sparguthaben erst eingefroren und dann in staatliche Schuldtitel verwandelt wurden: Deren realer Wert hatte am Ende mit dem ursprünglichen Guthaben wenig gemein.

Warten auf den 91. Tag

Am politischen und Vertrauensproblem aber ändert dies alles wenig. Martin Lagos, der ehemalige Vizepräsident der Zentralbank sagt: "Machen wir uns nichts vor: Diese Maßnahmen sind Produkt eines Fiaskos der nationalen Regierung. Wie kommt man aus dieser Situation heraus? Mit Vertrauen. Wenn die Maßnahme nach 90 Tagen aufgehoben wird und sich die politische und wirtschaftliche Situation nicht geändert hat, geht der Run auf die Banken von vorn los, und das mit größerer Wucht und Begründung: Die Leute werden sagen: Sobald es geht, hole ich alles ab."

Auch wichtige Politiker wie der Gouverneur der Provinz Buenos Aires, Carlos Ruckauf, glauben nicht an eine Rückkehr zum bisherigen Verfahren: "Argentinien hat die Devisenkontrolle eingeführt. Wenn man das macht, gibt es keinen 91. Tag." Sein Kollege aus der Provinz Córdoba, Jose Manuel de la Sota beklagte sich, von all dem erst aus den Fernsehnachrichten erfahren zu haben. Die Gewerkschaften machten unmittelbar gegen die Regierung mobil, deren Rettungsplan für sie lediglich einer für die Banken ist. Deren Bonitätseinstufung haben verschiedene internationale Ratingagenturen gleichwohl deutlich zurückgenommen.

Für die Investmentbank Goldman Sachs wird es Argentinien schwer haben, mit diesen Maßnahmen "im Stil der siebziger Jahre" verlorenes Vertrauen wieder herzustellen. Die "gutartigen Maßnahmen des Einfrierens des Kapitals, der Devisenkontrolle, der teilweisen Dollarisierung und der erzwungenen Generalisierung der Nutzung der Bankwege für Finanzaktivitäten" mobilisieren ihrer Meinung nach eine noch stärkere Opposition gegen die Regierung De la Rúa im Lande selbst.

Währenddessen gehen die Steuereinnahmen weiter zurück. Im Vergleich zum Vorjahresmonat nahm der argentinische Staat im November 11,6 Prozent weniger ein. Im Gesamtverlauf des Jahres 2001 sind gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum Einnahmeverluste von 5,7 Prozent zu verzeichnen.

Die Reduzierung des Bargeldverkehrs könnte jetzt dazu führen, dass sich die Konsumausgaben der Argentinier gerade im Weihnachtsgeschäft weiter reduzieren. Die Befürchtung, dass es zu weiteren Einschnitten kommt und man das eigene Geld noch dringend brauchen könnte, konterkarierte dann die Hoffnung auf Steuermehreinnahmen, die auf die Nutzung von Schecks und das damit erreichte Schließen von Steuerschlupflöchern gegründet sind.

Kampfansage an die Steuerhinterziehung

Auf rund neun Milliarden Pesos schätzt der Chef-Berater von Wirtschaftsminister Cavallo, Horacio Liendo, den jährlichen Betrag, der Argentinien durch Steuerhinterziehung verloren geht. Dazu tragen nach seine Ansicht nicht zuletzt rund 5,2 Millionen Schwarzarbeiter bei, aber auch die gängige Praxis, bei Konsum und Dienstleistungen auf die Einforderung offizieller Rechnungen zu verzichten und so mindestens die Mehrwertsteuer zu sparen. Mit der Verpflichtung zur Nutzung von Schecks und Kreditkarten soll dem jetzt ein Riegel vorgeschoben werden. Die kürzlich eingeführte Schecksteuer ist überdies mittlerweile neben der Mehrwertsteuer der wichtigste Faktor der argentinischen Staatseinnahmen.

Allerdings trifft die drastische Reduktion der Verfügbarkeit von Bargeld einige Sektoren ganz besonders. Kleine Geschäfte und Dienstleister, z.B. die Taxiunternehmen und Zeitschriftenkioske, werden nicht ohne weiteres in der Lage sein, elektronische Zahlungssysteme anzubieten oder vergleichsweise kleine Summen per Scheck einzunehmen. Erste Anzeichen für Konsumzurückhaltung in diesen Sektoren gibt es bereits.

Für die Supermärkte und großen Ketten hingegen stellt das neue System einen Wettbewerbsvorteil dar: Im Gegensatz zum Wettbewerber der "Tante Emma Läden" sind sie auf alle bargeldlosen Zahlungsarten seit langem vorbereitet. Auch die Bekämpfung der Schwarzarbeit hat, so wichtig sie für Argentinien ist, ihre Grenze: nur durch die "Wettbewerbsfähigkeit durch Steuerverzicht" halten sich viele kleine Anbieter überhaupt im Markt. Sie sehen jetzt ihre Existenz gefährdet.

Opposition auf dem Vormarsch

In der letzten Novemberwoche ließ die oppositionelle Justizialistische Partei (PJ) die Regierung ihre Macht spüren. Im mehrheitlich von ihr dominierten Senat setzte sie die Wahl ihres Kandidaten Ramón Puerta zum neuen Senatspräsidenten durch. Da nach dem Rücktritt des Vizepräsidenten Carlos "Chacho" Alvarez im vergangenen Jahr ein Vizepräsident fehlt, ist der Senatspräsident im Falle der Abwesenheit des Präsidenten dessen Stellvertreter.

Vor diesem Hintergrund hatte die Regierung lange versucht, die Opposition zur Wahl eines Regierungsvertreters für diesen Posten zu motivieren. Als Argument dienten Gründe "guter parlamentarischer Bräuche". Der neue Vorsitzende der Radikalen Bürgerunion (UCR), Gouverneur Angel Rozas, malte sogar die Gefahr eines "institutionellen Putsches" an die Wand. Davon aber ließ sich die PJ nicht beeindrucken. Schließlich, so ihre Vertreter, habe man die Senatswahlen deutlich gewonnen und sei so hinreichend legitimiert. Auch habe man das Fehlen eines Vizepräsidenten ja nicht zu verantworten.

Ramon Puerta hatte am Ende nicht nur die Unterstützung wichtiger PJ-Gouverneure und der Senatsfraktion. Auch Ex-Präsident Carlos Menem, der in der vergangenen Woche nach dem Ende seines Hausarrestes wieder offiziell die Parteiführung übernahm, gab seine Zustimmung.

Puerta begann seine politische Karriere als nationaler Abgeordneter für seine Heimatprovinz Misiones 1987 und gewann seither alle Wahlen, bei denen er sich präsentierte: 1991 wurde er erstmalig zum Gouverneur gewählt, eine Position, die er 1995 verteidigte. 1999 wechselte er dann wieder ins nationale Abgeordnetenhaus und wurde 2001 zum Senator gewählt. Der 50jährige, der nach eigenen Angaben über ein Vermögen von rund sechs Millionen Dollar und dabei Immobilienbesitz unter anderem in Paris verfügt, ist an der Seite seiner jugendlichen Freundin auch schon mal Gast auf den Seiten von Boulevardmagazinen wie Caras. Als nationale Figur war er gleichwohl bisher weitgehend unbekannt. Was von ihm an politischer Eigeninitative zu erwarten ist, bleibt also abzuwarten.

Carlos Menem seinerseits versucht derweil, Positionen in der Partei zurückzugewinnen, nicht zuletzt in der Provinz seines Erzrivalen Eduardo Duhalde. Die "interna" der Partei für die Präsidentschaftswahlen steht damit erst am Anfang. Einen möglichen Vizepräsidentschaftskandidaten hat Menem allerdings schon: Ex-Fußballstar Diego Armando Maradona ließ wissen: "Wenn Menem möchte, dass ich ihn begleite: Ich stehe zur Verfügung."

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Olaf Jacob

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Leiter des Auslandsbüros Chile

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