Am 14. Oktober stand Rio de Janeiro ganz im Zeichen der internationalen Sicherheitspolitik, als die Internationale Sicherheitskonferenz „Forte de Copacabana“ stattfand, organisiert von der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS), dem Brasilianischen Zentrum für Internationale Beziehungen (CEBRI) und mit Unterstützung der Delegation der Europäischen Union in Brasilien. Die Konferenz zählte mehr als 500 Teilnehmer aus Politik, Militär, Diplomatie, Presse und Wissenschaft. Benannt ist sie nach der Militärbasis Copacabana, die einst zur Sicherung der Guanabara-Bucht errichtet wurde und 2004 die erste „Forte de Copacabana“-Konferenz beherbergte.
Die 13. Ausgabe der internationalen Sicherheitskonferenz trug den Titel „Might and Right in World Politics“, widmete sich also dem Spannungsfeld von internationalem Völkerrecht und dem aktuell viel kommentierten Erstarken der Geopolitik, also dem Gesetz des Stärkeren in den internationalen Beziehungen. Angesichts zunehmender und, mit Blick auf die involvierten Akteure und Phänomene, neuartiger Krisen auf der internationalen Bühne ist die Problemlösungsfähigkeit des einzelnen Nationalstaats immer deutlicher begrenzt. Umso wichtiger erscheint aus der Perspektive der KAS als deutscher politischer Stiftung, Brasilien noch stärker als bisher als Partner zu gewinnen: Immerhin ist Brasilien die viertgrößte Demokratie der Welt und das größte Land Lateinamerikas. Außerdem verbindet Brasilien als einziges Land Lateinamerikas mit Deutschland eine „Strategische Partnerschaft“, und auch wirtschaftlich pflegen Europa und Brasilien enge Beziehungen.
Grundlage für eine noch engere Partnerschaft ist gegenseitiges Verständnis, daher die Notwendigkeit des internationalen Dialogs. Im Closed-Door-Workshop am Tag vor der für das interessierte Fachpublikum geöffneten Konferenz beschrieben allerdings selbst brasilianische Experten die außen- und verteidigungspolitische Ausrichtung ihres Landes als unklar und widersprüchlich: So verbindet Brasilien Pragmatismus und das Prinzip der Nicht-Einmischung mit weitreichenden globalen Ambitionen. Das mag dadurch bedingt sein, dass Brasilien als Teil eines Kontinents, der seit 1941 (mit einem kurzen Wiederaufflammen 1995) keine bewaffneten zwischenstaatlichen Konflikte mehr gesehen hat, weit entfernt ist von den aktuellen Krisenherden der Welt.
So war es auch als weitere Aufwertung der brasilianisch-europäischen Beziehungen zu werten, dass Brasiliens Verteidigungsminister Raul Jungmann die Internationale Sicherheitskonferenz „Forte de Copacabana“ zum Anlass nahm, die erste öffentliche Rede seit seinem Amtsantritt zu halten. Jungmann, der schon unter Präsident Fernando Henrique Cardoso Bundesminister für ländliche Entwicklung war (1996-2002), stellte die verteidigungspolitische Strategie der neuen Regierung von Präsident Michel Temer vor. Diese steckt erstens, wie schon das verteidigungspolitische Weißbuch Brasiliens, die Einflusssphäre des Landes als das Gebiet von Südamerika, Antarktis, Südatlantik und Westafrika ab. Zweitens sprach sich der Verteidigungsminister für eine stärkere interministerielle Koordination aus: Indem er die vier Kernelemente der neuen verteidigungspolitischen Strategie als „Verteidigung, Demokratie, Diplomatie und Entwicklung“ benannte, verwies er auf die Notwendigkeit, Verteidigungspolitik mit Rechtsstaatlichkeit, Außen-, Wirtschafts- und Sozialpolitik zu koordinieren. Schließlich sprach er sich dafür aus, Brasilien zur „Smart Power“ zu machen, also Verteidigungskapazitäten („hard power“) mit wirtschaftlich-kulturellem Erfolg („soft power“) zu verbinden.
Der Minister gab außerdem bekannt, dass die Regierung erwäge, auch weiterhin das Militär in der Stadt Rio de Janeiro einzusetzen. Ursprünglich sollte diese Maßnahme nur ausnahmsweise und zeitlich begrenzt während der Olympischen Sommerspiele 2016 die Sicherheitslage in der Stadt verbessern, doch auch nach Ende der Spiele steht Rio vor großen Herausforderungen: Angesichts gravierender Haushaltsprobleme des Bundesstaats ist die Bezahlung öffentlicher Angestellter, zu denen auch die Polizei zählt, nicht sichergestellt. Mit dem Rücktritt des städtischen Sekretärs für öffentliche Sicherheit José Mariano Beltrame erklären zudem viele das Projekt der „Unidades de Polícia Pacificadora“ (UPPs, dt. befriedende Polizei-Einheiten), in dem Sondereinheiten der Militärpolizei Favelas befrieden sollten, für gescheitert.
Anschließend thematisierten Experten aus Brasilien und Europa drei sicherheitspolitische Themenschwerpunkte: Das Verhältnis von Macht und Recht in den internationalen Beziehungen angesichts neuer Herausforderungen wie Terrorismus; das Zusammenspiel von Sicherheit und wirtschaftlichen Kapazitäten; und die Wiederherstellung des Friedens in Postkonfliktstaaten. Auf diesem letzten Panel berichtete der EU-Sondergesandte für den Friedensprozess in Kolumbien Eamon Gilmore von seinen Erfahrungen. Als Ire kommt er aus einem Land, das mit der Irish Republican Army (IRA) Erfahrungen mit innerstaatlichen paramilitärischen Auseinandersetzungen gemacht hat. Nachdem das ausgehandelte Friedensabkommen für Kolumbien knapp zwei Wochen vor der Sicherheitskonferenz von der kolumbianischen Bevölkerung abgelehnt wurde, suchte Gilmore nach Gründen für die Ablehnung. Seiner Meinung nach hat dieses Friedensabkommen das Potenzial, weit über Kolumbien hinaus der internationalen Gemeinschaft zu zeigen, dass „politische Ideale ausschließlich mit friedlichen Mitteln durchgesetzt werden müssen“. Nun müsse das Abkommen überarbeitet werden – und zwar schnell, bevor sich das „window of opportunity“ von Seiten der UN und der FARC wieder schließe.
Fukuyamas Prophezeiung, das Modell der freiheitlichen Demokratie habe sich global durchgesetzt und somit sei das "Ende der Geschichte" erreicht, in der Euphorie der Überwindung des kalten Kriegs entstanden, würden sich heute wohl nur wenige anschließen. Vielmehr geraten der Frieden und die liberale Demokratie angesichts neuer Bedrohungen weltweit immer stärker in Bedrängnis – und das traditionelle verteidigungspolitische Instrumentarium wird aufgrund neuartiger Bedrohungen gleichzeitig immer weniger brauchbar. Die XIII. Internationale Sicherheitskonferenz „Forte de Copacabana“ zeigte vor diesem Hintergrund aktuelle Herausforderungen, aber auch Lösungsmöglichkeiten für sicherheitspolitische Strategien in Europa und Brasilien auf.
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