Unsere Online-Veranstaltungsreihe „Europa vor der Wahl“ ging am 18. April mit Blick auf Ungarn weiter. Zugeschaltet aus Budapest war unser Kollege Michael Winzer, Leiter des Länderbüros Ungarn.
Herr Winzer begann seinen Vortrag mit grundliegenden Fakten über Ungarn. So habe das Binnenland etwa 9,6 Millionen Einwohner und lege hohen Wert auf die Staatssouveränität. Dies ließe sich mit der Geschichte Ungarn, der Unabhängigkeit von 1849 und dem Zerfall der Sowjetunion 1991 erklären. Das Christentum spiele, aufgrund des Zusammenhangs zur Staatsgründung, eine große Rolle für das Nationalverständnis und die Sprache hätte zudem eine bedeutende Wichtigkeit, da sie mit keiner anderen Sprache in der Region verwandt sei.
Herr Winzer erläuterte daraufhin, dass es seit Ende der 1990er Jahre eine zunehmende politische Polarisierung in Ungarn gebe. Nicht nur aufgrund der Finanzkrise 2008, bei der das BIP Ungarns um 7% schrumpfte und siech viele Teile der Bevölkerung verschulden mussten, sondern auch durch die sogenannte Öszöder Rede 2006 verlor die Bevölkerung das Vertrauen an die zu der Zeit herrschende sozialistische Regierung. Die darauffolgenden Proteste förderten die Unruhen und das Vorantreiben der politischen Polarisierung im Land.
Unter dem alten Wahlrecht habe folglich Victor Orbán 2010 mit seiner Partei Fidesz die Parlamentswahlen mit einer zwei Drittel Mehrheit gewonnen.
Herr Winzer ging dann darauf ein, dass dieses Jahr in Ungarn die Kommunalwahl gleichzeitig mit der Europawahl stattfinden würden. Bezüglich der EU-Ratspräsidentschaft, die Ungarn nächstes Halbjahr übernehmen werde, äußerte Herr Winzer, dass Ungarn den politischen Fokus unter anderem auf Familienpolitik, EU-Erweiterung mit Fokus auf den Westbalkan, Illegale Migration und Grenzschutz sowie EU-Verteidigung legen wolle.
Die deutsch-ungarische Beziehung stufe er als gut ein, da es zum Beispiel eine große deutsche Minderheit in Ungarn gebe. Neben politischen Konsens zwischen Deutschland und Ungarn gäbe es jedoch auch Dissens bezüglich beispielsweise der Russland-Politik Ungarns. Herr Winzer betonte hierbei jedoch, dass Ungarn zwar keine Waffen an die Ukraine liefere, Ungarn Russland jedoch auch wegen Bruch des Völkerrechtes verurteilen würde. Victor Orbán würde zwar aufgrund der Abhängigkeit von Gas-Pipelines eine recht Russland-positive Politik unterstützen, hätte jedoch alle Sanktionspakete der EU gegen Russland mitgetragen.
Auf die Frage, ob der Rechtsstaat denn in Gefahr sei antwortete Herr Winzer, dass Orbán den Rückhalt der Bevölkerung hätte. Auch die Medien seien stark polarisiert, jedoch schaffe es die Opposition nicht eine attraktive Alternative für die Bevölkerung zu schaffen, insbesondere mit dem Hintergrund der Öszöder Rede.
Nicht zuletzt appellierte Herr Winzer, dass der Dialog zwischen Ungarn und EU-Ländern wie etwa Deutschland gepflegt werden sollten und dass die Adenauer-Stiftung weiterhin eine Brückenfunktion darstellen werde.
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