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דוח אירועים

„This is not a lost case“

Auch im April diesen Jahres fanden israelische und palästinensische Vertreter aus Privatwirtschaft, Akademie, öffentlicher Verwaltung und verschiedener Nichtregierungsorganisationen zum monatlichen Treffen des Strategic Thinking and Analysis Team (STAT) zusammen, das die Konrad-Adenauer-Stiftung Israel gemeinsam mit dem Israel/Palestine Center for Research and Information (IPCRI) veranstaltet.

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Thema des Treffens war der andauernde Stillstand in den israelisch-palästinensischen Friedensverhandlungen, der inzwischen gemeinhin als „Status quo“ bezeichnet wird, und die damit einhergehenden Konsequenzen. Ferner erörterten die Teilnehmer die Frage, wie die Aussichten auf eine Zweistaaten-Lösung unter den aktuellen politischen Verhältnissen stehen, und entwickelten Ideen, wie man wieder Bewegung in den Prozess bringen und zu einer Einigung beitragen könnte.

Der Teufelskreis des gegenseitigen Misstrauens

Die Verantwortung für die festgefahrene Situation suchten die Teilnehmer auf beiden Seiten. Es gebe sowohl israelische als auch palästinensische Akteure, die vom Status quo profitieren. Einige Teilnehmer beklagten die Richtungs- und Konzeptlosigkeit der palästinensischen Führung. Dies führe verstärkt zu Frustration innerhalb der palästinensischen Bevölkerung, da einem „Diskurs der Versprechen“ meist keine Ergebnisse folgten. Während die Palästinensische Autonomiebehörde immer wieder große Ereignisse und Veränderungen, wie die Anerkennung eines Staates Palästina durch die Vereinten Nationen, ankündige, änderten sich die Tatsachen vor Ort kaum zum Positiven. Daraus resultiere eine zunehmende Distanz im Verhältnis zwischen Regierenden und Regierten. Folglich bestehe das Risiko, dass sich in der Bevölkerung eigene Dynamiken entwickelten. Jedoch sei bislang der Preis des Status quo für die Palästinenser weniger hoch als der eines bewaffneten Widerstands. Die Rivalität zwischen der radikalislamischen Hamas und der Fatah stellten zudem weitere Hürden auf dem Weg zu einer Friedenslösung dar.

Auch die politischen Narrative beider Regierungen stellten ein grundlegendes Problem dar, das zur Perpetuierung des Konfliktes beitrage. Dabei stand zum einen die „Doppelzüngigkeit“ der palästinensischen Führung in der Kritik. Während nach außen, im Dialog mit Israel oder internationalen Akteuren, eine Friedensrhetorik dominiere, werde nach innen das palästinensische Volk nicht auf ein Abkommen mit Israel vorbereitet, sondern es würden weiterhin Selbstmordattentäter öffentlich zu „Märtyrern“ verklärt.

Zum anderen lasse sich aber auch bei der derzeitigen israelischen Regierung eine Diskrepanz zwischen Diskurs und tatsächlichen Handlungen beobachten. Während Ministerpräsident Netanjahu immer wieder seine Bereitschaft zur Zweistaatenlösung bekräftige, sprächen die Entscheidungen seiner Regierung, vor allem in der Siedlungspolitik, eine andere Sprache.

Ein weiterer Grund für den Fortbestand des Status quo liege in den niedrigen Kosten, die die israelische Bevölkerung für die fortdauernde Präsenz im Westjordanland trage. Wirtschaftlich ließen sich kaum Auswirkungen spüren, zudem seien die letzten Jahre weitgehend friedlich verlaufen. Viele Israelis nähmen die Besatzung in ihrem Alltag nicht wahr.

Diese Aussage fand nicht nur Zustimmung. Bei einem Verteidigungsbudget von rund 6,9% im Jahr 2011 (vgl.Defense Technology International Januar 2011, S.52), zahle die israelische Bevölkerung sehr wohl einen beachtlichen Preis. Beispielsweise kämen Ausgaben im sozialen Bereich dadurch viel zu kurz. Dies sei auch im Rahmen der sozialen Proteste im Sommer 2011 thematisiert worden. Zudem sei einem Teil der israelischen Bevölkerung aufgrund der häufigen Raketenangriffe aus dem Gazastreifen keinesfalls ein normales Leben möglich. Auch die Ablehnung, die Israel auf internationaler Ebene entgegengebracht werde, sei eine Last für seine Bürger.

Generell lasse sich aber feststellen, dass die Besatzung in Israel nicht unbedingt als solche wahrgenommen werde, sondern vielmehr als notwendige Maßnahme, die der Sicherheit Israels diene. Weite Teile der israelischen Bevölkerung fürchteten die Folgen eines möglichen Abzuges aus dem Westjordanland. Die Entwicklungen im Gazastreifen, der inzwischen von einem radikalislamischen Regime regiert wird und von dem regelmäßig Gewalt gegen Israel ausgeht, seien vielen Israelis eine bittere „Lehre“ gewesen. Zudem fehle vielen Israelis das Vertrauen in die Palästinenserführung.

Ein grundlegendes Problem im israelisch-palästinensischen Konflikt sei, dass beide Gesellschaften fern von der Realität der anderen lebten und sich gegenseitig wenig kennen. Es bestehe kaum Interaktion, allein schon deshalb, weil es israelischen Staatsbürgern aus Sicherheitsgründen untersagt ist, in die palästinensischen Gebiete zu reisen, und nur wenige Palästinenser über eine Genehmigung verfügen, um nach Israel einzureisen. Dazu komme, dass auch die Traumata, die beide Gesellschaften in sich tragen, von der jeweils anderen nicht verstanden würden. Während die Palästinenser das Trauma des Holocaust nicht verständen, fehle in der israelischen Gesellschaft das Verständnis für das Trauma der palästinensischen Nakba¹. Eine Aussöhnungskomponente sei essentiell für jedes zukünftige Abkommen und habe in den Oslo-Abkommen gefehlt.

Weiterhin werde ein bedeutender Teil beider Gesellschaften bislang vom diplomatischen Prozess ausgeschlossen und identifiziere sich daher nicht ausreichend mit ihm. Zu diesen Gruppen gehörten bspw. die israelischen Araber, die Flüchtlinge oder die Siedler.

Regionale/Internationale Akteure

Man dürfe nicht vergessen, dass auch internationale Akteure einen Einfluss auf den Verlauf des Konfliktes hätten. Das regionale Umfeld und damit die politische Ausgangssituation hätten sich mit den Umsturzbewegungen in der arabischen Welt grundlegend verändert und könnten auch das israelisch-palästinensische Verhältnis beeinflussen. Der Vormarsch des politischen Islam in der Region sei nicht nur für Israel, sondern auch für die Abbas-Regierung eine Herausforderung. Jedoch müssten in politischen Analysen auch neue Entwicklungen wie die zunehmende Pluralisierung der Bewegung mitberücksichtigt werden. Wurde der politische Islam bislang oft von einer einzigen Partei im Untergrund vertreten, gebe es inzwischen einen politischen Machtkampf wie bspw. zwischen den Muslimbrüdern und den Salafisten in Ägypten. Ferner hätten in Ländern wie Libyen, die bis vor kurzem von Israel-feindlichen Diktatoren regiert wurden, neue politische Akteure, die durchaus zum Dialog mit Israel bereit wären, die Szene betreten. Nichtsdestotrotz sei die neue regionale Situation im Moment vor allem von Instabilität geprägt.

In Bezug auf die internationale Gemeinschaft wurde darauf verwiesen, dass Maßnahmen, die darauf ausgelegt sind, Druck zu erzeugen, oft einen kontraproduktiven Effekt hätten und dazu führten, dass beide Seiten noch hartnäckiger und sturer auf ihren Positionen beharrten. Positive Wirkung könnte die internationale Gemeinschaft erzeugen, indem sie Projekte fördere, die den Zivilgesellschaften helfen, Gemeinsamkeiten für eine Lösung zu finden.

Auf dem wirtschaftlichen Pfad zur Verständigung

Ein weiterer Diskussionspunkt war die Frage, wie wirtschaftliche Maßnahmen dazu beitragen könnten, den Status quo zu verändern und zu einem Friedensabkommen zu gelangen. In diesem Zusammenhang wurde die Idee des Economic peace, die auch vom israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu unterstützt wird erörtert. Dieser Ansatz befürwortet die Intensivierung wirtschaftlicher Beziehungen und die Förderung der palästinensischen Wirtschaft, um beide Seiten über eine geschäftliche Partnerschaft einander anzunähern. Wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit könnten nicht nur das Verhältnis der Bevölkerungen, sondern auch der Regierungen positiv beeinflussen. Die Entwicklung der palästinensischen Privatwirtschaft sei zudem von essenzieller Bedeutung auf dem Weg zu einem eigenständigen Staat.

Auf dem wirtschaftlichen Pfad zur Verständigung müssten jedoch noch zahlreiche Hürden überwunden werden, für die beide Seiten mitverantwortlich seien. So seien palästinensische Unternehmer weitgehend abhängig von israelischen Genehmigungen. In diesem Bereich ständen nach wie vor Sicherheitsbedenken über ökonomischen Interessen. Vor allem die Zollabfertigung mit den israelischen Behörden berge viele Schwierigkeiten. Der Einsatz palästinensischer Zollbeamter könnte helfen, eine Brücke zwischen beiden Parteien zu bauen. Aber auch der Mangel an arabischsprachigen Informationen und Unterlagen für Handelsprozeduren in Israel stelle ein Hindernis für palästinensische Geschäftsleute dar. Eine israelische Vertreterin der öffentlichen Verwaltung, die in diesem Bereich aktiv ist, bekräftigte aber, dass an diesem Punkt gearbeitet werde, um zukünftig den Handel zu vereinfachen. Angehörige israelischer Ministerien erklärten jedoch auch, wie ihre Initiativen zur Förderung der palästinensischen Wirtschaft häufig an der palästinensischen Bürokratie scheiterten. So scheiterte bspw. die von den israelischen Behörden unterstützte Errichtung eines neuen palästinensischen Gewerbeparks im Westjordanland bislang daran, dass sich die palästinensische Verwaltung nicht mit den Landbesitzern über die notwendigen Enteignungen einigen konnte. Oft fehle überdies die Bereitschaft, mit Israelis zusammenzuarbeiten.

„Take it further and change political reality“

Nach einer tiefgehenden Analyse der aktuellen politischen Situation sprachen die Teilnehmer schließlich darüber, wie die STAT-Treffen dazu genutzt werden könnten, gemeinsam auf eine Zweistaaten-Lösung hinzuarbeiten. Alle Teilnehmer seien sehr gut vernetzt und könnten Akteure in Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft erreichen. Es bestand Konsens darüber, dass über den diplomatischen Weg momentan nur schwer Fortschritte zu erzielen seien und den Zivilgesellschaften daher eine Schlüsselrolle zukäme. Man müsse den Austausch fördern und auch die Medien der anderen Seite in den Dialog einbinden, da diese die Meinungsbildung grundlegend beeinflussten. Auch an den Inhalten der Lehrpläne müsste grundlegend gearbeitet werden, besonders die Geschichtsschreibung und die Darstellung des anderen dienten oft der Perpetuierung des jeweiligen Feindbildes. In einem nächsten Treffen sollten konkrete Handlungsschritte erarbeitet werden. Ein Teilnehmer bot seinen israelischen Gesprächspartnern aber schon zum Ende dieser Veranstaltung an, eine Tour durch das Westjordanland zu organisieren, um die dortigen Realitäten aufzuzeigen.

¹Unter Nakba (= Katastrophe) verstehen die Palästinenser die israelische Staatsgründung. Im damit einhergehenden arabisch-israelischen Krieg mussten viele arabische Einwohner ihr Land aufgeben und flohen, mit der Hoffnung auf eine baldige Rückkehr, in arabische Länder.

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