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דוח אירועים

Aufstachelung zum Völkermord

Die Rolle der Medien am Beispiel Ruanda

Am 20. Januar 2013 veranstaltete das Minerva Center for Human Rights an der Hebräischen Universität Jerusalem gemeinsam mit der KAS Israel einen Gastvortrag zur Rolle der ruandischen Medien vor dem Völkermord und in dessen Verlauf. Herr Dr. Zachary D. Kaufman (George Washington University) referierte über dieses Thema und das Prinzip der „Social Entrepreneurship“ als gegenwärtige Reaktion darauf. Der sehr anschauliche Vortrag bot ein Beispiel dieses Prinzips anhand der 2012 eingeweihten Kigali Public Library, in deren Kuratorium Dr. Kaufman – selbst ein social entrepreneur – tätig ist.

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Der Völkermord in Ruanda 1994 ist womöglich das eindrücklichste Beispiel der Neuzeit für einen derart massiven Einsatz der Medien als Waffe, dass infolgedessen schätzungsweise eine Million Menschen ums Leben kamen. Die mediale Aufwiegelung der Hutu gegen die Tutsi durch die Hutu-Regierung wurde daher auch mit dem „Media Trial“ vor dem Internationalen Strafgerichtshof für Ruanda verfolgt. Vor den einhundert Tagen des Völkermordes und während dieser Zeit spielten Radio und Printmedien die entscheidende Rolle, um die Hutu aufzuhetzen und sogar spezifische Anweisungen zur Tötung von Tutsi zu geben. Der schreckliche Erfolg dieser medialen Hasskampagne lässt sich auf eine hohe Analphabetenrate in der Bevölkerung zurückführen, auf die weite Verbreitung von Radios und die Tatsache, dass die Menschen wenig Möglichkeit hatten, um Fakten und „Nachrichten“ auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen.

So seien die örtlichen Medien in einer ersten Phase des Völkermordes für die Aufhetzung der Bevölkerung verantwortlich gewesen, meinte Dr. Kaufman. Dabei hätten vor allem „Kangura“, eine französischsprachige Zeitung, „Radio Rwanda“ und „RTLM – Radio Télévision Libre des Mille Collines“ die entscheidende Rolle in der Stigmatisierung, Entmenschlichung und Dämonisierung der Tutsi gespielt. RTLM habe sich außerdem durch schwungvolle Musik, Interviews und Tratsch und Klatsch großer Beliebtheit erfreut. Die Radiosendungen hätten „Nachrichten“ gesendet, die von der Bevölkerung nicht geprüft werden konnten. Den Tutsi wurden dabei entmenschlichende Namen gegeben und der Planung eines Völkermordes an den Hutu bezichtigt. Der Aufhetzung als erstem Schritt sei eine bewusste „Orchestrierung“ des Völkermordes gefolgt worden: Erstens seien die Hutu dazu gedrängt worden, die Tutsi zu töten; zweitens seien spezifische Anleitungen gegeben worden, wie dies zu machen sei; drittens seien spezifische Informationen über Aufenthaltsorte von einzelnen Personen oder Gruppen gesendet worden. Mit der über Radio und Zeitung verbreiteten Parole „Die Gräber sind noch nicht voll“ sollten die Hutu noch weiter angestachelt werden.

Ohne auf die hochproblematische Thematik der humanitären Intervention im Fall Ruandas einzugehen, sprach Dr. Kaufman gleichwohl denkbare Reaktionen an. So wäre es möglich gewesen – und auch überlegt worden – die Radiostationen entweder zu beschädigen oder ganz zu zerstören. Argumente gegen ein solches Verfahren bestünden einerseits in der generellen Ablehnung von humanitären Interventionen und beriefen sich andererseits auf das Recht auf Redefreiheit. Allerdings spreche dagegen wiederum, dass es die Möglichkeit der Abschwächung gegeben hätte und auch der Redefreiheit Grenzen gesetzt seien. Die Problematik sei mit der Frage vergleichbar, ob die Alliierten während des Holocaust die Bahnlinien nach Auschwitz hätten bombardieren sollen.

Die ausschlaggebende Rolle, welche die Medien im Kontext des Völkermordes spielten, führte dann auch dazu, dass sich der Hauptprozess der Strafverfolgung gegen Medienfunktionäre richtete. Die drei Angeklagten wurden dabei zu lebenslänglich bzw. 35 Jahren Haft verurteilt. Die lebenslänglichen Urteile wurden später revidiert und in 32 bzw. 30 Jahre umgewandelt. Daran könne man sehen, dass die Beweislage in einem Prozess, der sich gegen Medien richtet, sehr schwer nachvollziehbar ist. Dennoch habe dieses Strafverfahren einen Präzedenzfall für das Völkerstrafrecht geschaffen.

Dr. Kaufman ging darüber hinaus auch auf die justizielle Aufarbeitung des Völkermordes im Allgemeinen ein. Der Internationale Strafgerichtshof sei mit dem außerordentlich schwierigen Problem konfrontiert gewesen, dass ungefähr die gleiche Zahl an Opfern und Tätern bestünde. An dieses Problem wurde mit der Einrichtung von lokalen Gerichten herangegangen, in welchen die Dorfältesten die Urteile fällten. Diese Gerichte seien dazu da gewesen, den Gemeinden die Möglichkeit zu geben, sich am Prozess der Gerechtigkeitsfindung und Versöhnung im Land zu beteiligen. In den meisten Fällen, die nicht Völkermord oder Vergewaltigung behandelten, bestand das Strafmaß in gemeinnützigem Dienst oder Entschädigung.

Die Frage stelle sich nun noch, was mit der enormen Menge an Gerichtsmaterial zu tun sei. Dr. Kaufman unterstützte die Idee, dieses für eine Gedenkstätte zu verwenden. Obwohl einige Ruander es vorgezogen hätten zu vergessen, habe der Internationale Gerichtshof seine Prioritäten gesetzt: die Hintergründe der Verbrechen zu erforschen und die Täter strafrechtlich zu verfolgen. Leugnung könne zu einer Wiederholung führen: Die Massaker an und die Vertreibung von Tutsis in den späten Fünfziger- und Sechzigerjahren seien nie wirklich ans Licht gekommen. Gedenken und Erziehung würden Ruanda helfen, sich – auch teilweise – von seinen tiefen Wunden zu erholen.

Ferner ging Dr. Kaufman in seinen Vortrag auch auf das Konzept des Social Entrepreneurship („Sozialunternehmertum“) ein. Dieses Konzept sei durch Bill Drayton geprägt worden, der mit „Ashoka“ 1980 eine Organisation gründete, welche soziale Unternehmer unterstützt. Die Organisation gründe auf der Überzeugung, dass „die stärkste Kraft für Veränderung in der Welt eine neue Idee in den Händen eines führungsstarken sozialen Unternehmers ist“. Die so genannten „Philanthro-Kapitalisten“ würden dabei ihr geschäftliches Können für soziale Projekte einsetzen und auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten – „sei es for-profit, non-profit oder eine Kombination aus beiden“. Historisch könne man die sozialen Unternehmer bis zu den ersten Missionaren zurückführen, was auf das umfassende Konzept des Sozialunternehmertums hinweise. Eine „Erneuerung dieses Geistes“ könne man heute deutlich sehen.

Eine Fallstudie des Sozialunternehmertums im Kontext des Vortragthemas stellte Dr. Kaufman mit der Kigali Public Library vor. Ziel dieses Projektes sei es, freien Zugang zu Information und Wissen bereitzustellen. Das System der öffentlichen Bibliothek sei neu in Ruanda und solle die Demokratie dort stärken. Dabei zitierte er Andrew Carnegie, der in der öffentlichen Bibliothek die „Wiege der Demokratie“ sah. Dr. Kaufman ließ das Publikum am Entstehungsprozess der Bibliothek teilhaben, veranschaulichte diesen mit Bildern und beantwortete Fragen zur Vorgehensweise. Tatsächlich habe sich auch schon einiges getan, was sich deutlich an der von 47 auf 80 Prozent gestiegenen Alphabetisierungsrate zeige. In den Beständen der Bibliothek wurde bewusst auch eine Abteilung zur Geschichte Ruandas eingerichtet. Die in der belgischen Kolonialzeit eingeführte Klassifikation nach Rasse habe zu der tiefen Kluft zwischen den Hutu und Tutsi geführt, welcher die Stärkung einer gemeinsamen nationalen Identität durch geschichtliche Erziehung entgegenwirken möchte.

Im Anschluss an den Vortrag beantwortete der Referent die zahlreichen Fragen und erläuterte einzelne Thesen genauer. Ein besonderer Beitrag kam von einer ruandischen Teilnehmerin, die sich in der Fragrunde bei Dr. Kaufman für seine Anstrengungen in ihrem Heimatland bedankte.

Von Herrn Dr. Zachary D. Kaufman herausgegeben erschien kürzlich das Buch „Social Entrepreneurship in the Age of Atrocities: Changing our World“, Cheltenham, Camberley und Northampton MA 2012 (Edward Elgar Publishing).

Elena Müller

Hinweis:

Das von Dr. Kaufmann behandelte Thema war auch Gegenstand einer Tagung der KAS Israel und des Jerusalem Center for Public Affairs (JCPA) im November 2011 über veränderte Formen der Aufhetzung zu Terror und Gewalt (siehe hier). Von besonderem Interesse ist hier der Vortrag von Gregory S. Gordon zum Thema „Incitement in Rwanda: The Path to Genocide“.

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