דוח אירועים
Antworten auf diese komplizierten Fragen suchten die Teilnehmer der Plenumsdiskussion der Konrad-Adenauer-Stiftung im Rahmen des 3. Internationalen Schriftsteller-Festivals in Jerusalem, insbesondere im Hinblick auf die Ereignisse des „Arabischen Frühlings“. Die Konrad-Adenauer-Stiftung gehört seit Anfang an zu den Partnern des Schriftsteller-Festivals und bringt eine politische Perspektive in die literarische Veranstaltung. Michael Mertes, Leiter des KAS-Büros in Israel, betonte in seiner Begrüßung die positiven Aspekte des Arabischen Frühlings, wies aber auch darauf hin, das es keinen Automatismus für Fortschritt in der Geschichte gibt.
Im Verlauf der Plenumsdiskussion diskutierten die teilnehmenden Schriftsteller aus Europa und dem Nahen Osten die positiven und negativen Aspekte der neuesten Entwicklungen in der arabischen Welt. Zu den Teilnehmern gehörten:
- Eli Amir, prominenter israelischer Schriftsteller, im Irak geboren, spricht fließend arabisch und hat viele Beziehungen und einen großen Erfahrungsschatz im Hinblick auf die arabische Welt;
- Boualem Sansal, algerischer Schriftsteller, lebt zur Zeit im Exil in Frankreich und erntete dort wegen seines Vergleichs zwischen den arabischen Diktaturen und dem nationalsozialistischen Regime starken Widerspruch;
- Aleksandar Hemon, ein junger Schriftsteller, stammt ursprünglich aus Bosnien, lebt seit 1992 in den USA. Die Spannungen zwischen der europäischen und muslimischen Kultur kennt er aus eigener Erfahrung;
- Lukas Bärfuss, ein Schweizer Schriftsteller und Dramaturg, beschäftigt sich mit Geschichten von Menschen aus Konfliktregionen
Die Teilnehmer des Symposiums hatten unterschiedliche Meinungen zu dieser Frage, so dass sich eine lebendige Diskussion entwickelte. Eli Amir erklärte, dass in arabischen Autokratien das Einkommen und der soziale Status der Intellektuellen oft eng mit dem herrschenden Regime verbunden seien. In solchen Ländern müssten Fachleute sich einer Berufsgenossenschaft anschließen. Aus diesem Grund bestehe die Gefahr, seine Arbeit zu verlieren, wenn man sich öffentlich gegen das Regime äußere. Als Beispiel nannte er das Schicksal von Ali Salem, dem Nachfolger des berühmten ägyptischen Schriftstellers Nagib Mahpuz, der sofort seinen Arbeitplatz verlor, als er sich für einen Dialog mit Israel aussprach.
Amir glaubt, dass ein Zusammenschluss mehrerer arabischer Intellektueller ein starkes Signal an die Regierenden hätte senden können, und sie sich damit vor Repressalien hätten schützen können. Seiner Meinung nach ist die Kraft des Schreibens enorm – der Stift kann somit als Waffe eines Schriftstellers dienen. Er ist der Ansicht, dass es keinen demokratischen politischen Wandel geben kann, solange die Intellektuellen sich nicht aktiv für die demokratischen Werte einsetzen.
Diese Meinung wurde von Boualem Sansal geteilt. Er argumentierte, dass die intellektuellen Eliten oftmals als „Verräter“ gesehen werden, da sie ihr komfortables Leben nicht durch regierungskritische Äußerungen in Gefahr bringen wollen. Eine öffentliche Kritik des Regimes, sei es auch nur indirekt durch die Kunst, mache den Schriftsteller zum „Volksfeind“, weil er die bestehende Ordnung verletze. Sansal räumte ein, dass es bei politischen Konflikten meist nicht nur eine Wahrheit gibt, aber er forderte, dass die Intellektuellen den Mut und die Kraft aufbringen müssten, um für ihre Überzeugungen einzustehen. Solange ein Schriftsteller untätig bleibe, werde er zu einem Mittäter der Diktatur.
Nach Ansicht Sansals ist es eine allgemeinmenschliche Verpflichtung, gegen Ungerechtigkeiten zu kämpfen – nicht nur um das eigene Leben zu retten, sondern auch das der nachfolgenden Generationen. Zivilcourage sei ein zentraler Faktor für eine Verbesserung der politischen Situation, so Sansal. In diesem Zusammenhang zitierte er den algerischen Journalisten und Dichter Tahar Djaout, der sagte: „Wenn du sprichst, wirst du sterben. Wenn du nicht sprichst, wirst du auch sterben. Also sprich und stirb.“ 48 Stunden danach wurde Djaout tatsächlich ermordet.
Aleksandar Hemon dagegen, der selbst aus Bosnien geflüchtet ist und nun in den USA lebt, argumentierte, dass man aus einem sicheren Land heraus nicht von den Intellektuellen im Nahen Osten mit moralisch erhobenem Zeigefinger verlangen könne, sich in Opposition zu begeben und damit möglicherweise in tödliche Gefahr zu bringen. Seiner Ansicht nach ist es vielmehr Aufgabe der Intellektuellen, die Geschehnisse genau zu beobachten und in Büchern, Filmen oder in anderer Form festzuhalten. Das Selbstverständnis eines Schriftstellers sei es, Geschichten von einzelnen Menschen zu erzählen, nicht die politische Entwicklung der Nation zu dokumentieren.
Auch Lukas Bärfuss sprach sich dagegen aus, dem Schriftsteller die künstlerische Freiheit zu nehmen und von ihm zu verlangen, politisch Stellung zu beziehen. Schweigen kann seiner Ansicht nach auch als eine bewusste Entscheidung interpretiert werden. Er nannte hier als Beispiel die Neutralität der Schweiz in der Geschichte. Er betonte jedoch, dass oftmals Angst der Grund für das Schweigen sei. In diesem Zusammenhang erwähnte er Heiner Müllers Aussage, es gebe auch so etwas wie ein Menschenrecht auf Feigheit. Obwohl er mit den anderen Teilnehmern der Diskussion übereinstimmte, dass es eine Pflicht sei, sich gegen Unrecht aufzulehnen, betonte er, dass dies die Aufgabe eines jeden Bürgers sei, nicht nur die des Schriftstellers. In erster Linie müsse ein Schriftsteller als Künstler verstanden werden und nicht als Politiker.
Dem widersprach Amir, der meinte, ein Schriftsteller schulde es sich selbst und der nachfolgenden Generation, für die richtige Sache zu kämpfen. Als Beispiel für ein erfolgreiches politisches Engagement von Schriftstellern nannte er die zionistische Bewegung. Im Hinblick auf die Entwicklungen in der arabischen Welt sagte er, die Revolutionen könnten nur erfolgreich sein, wenn sie Unterstützung von den gebildeten und einflussreichen Teilen der Bevölkerung bekämen. Amir forderte, dass auch Europa dazu nicht schweigen sollte, da es sich nicht nur um einen lokalen Umbruch handele, sondern um eine Revolution mit globaler Bedeutung. Werte wie menschliche Würde, die auf dem Spiel stünden, gingen auch Europa an, so Amir. Laut Amir mangelt es in Europa an einem grundlegenden Verständnis der arabischen Welt. Der politische und soziale Wandel könne nicht in kurzer Zeit durch Proteste erreicht werden, wie oftmals angenommen, sondern müsse aktiv und dauerhaft von Europa unterstützt werden.
Auch Sansal sieht eine große Gefahr darin, dass das durch die Revolution entstandene politische Vakuum zu einem Sieg der Islamisten führen werde. Für die Islamisten sei der Mensch zuerst Muslim statt Mensch – in Sansals Augen liegt genau darin das Scheitern des „Arabischen Frühlings“, dass am Ende die Islamisten die Früchte der Revolution ernten. Er wundert sich, warum die im Exil lebenden arabischen Intellektuellen, die keiner direkten Gefahr ausgesetzt seien, sich nicht stärker für ihre Landsmänner einsetzten.
Für die israelisch-arabischen Beziehungen ist der Ausgang der arabischen Revolutionen nach Ansicht Amirs von großer Bedeutung. Er äußerte sich enttäuscht, dass gerade die arabischen Intellektuellen, die zu den Entwicklungen in ihren Ländern schwiegen, gegenüber Israel scharfe Kritik verlauten ließen. Gerade weil er den Dialog mit der arabischen Welt suche, wünsche er sich, dass mehr arabische Intellektuelle es wagen, sich genauso kritisch gegenüber ihren eigenen Regierungen zu äußern.
Smadar Perri fasste als Moderatorin die Diskussion zusammen und deutete daraufhin, dass die teilnehmenden Schriftsteller aus dem Nahen Osten die Aufgabe der Schriftsteller eher politisch sähen, während die europäischen Schriftsteller sich lieber als Künstler betrachteten und das Recht einforderten, unpolitisch sein zu dürfen. Die Frage zum politischen Engagement von Intellektuellen sollte jedoch weder schwarz noch weiß betrachtet werden. Für die Zuschauer der Diskussion in Jerusalem war es äußerst lehrreich, die Bandbreite an Meinungen von Schriftstellern kennen zu lernen. Auch wenn kein Mensch – ob Schriftsteller oder nicht – bei solchen Fragen moralisch neutral bleiben kann, so gelten doch besondere Maßstäbe für diejenigen, denen der Stift als Waffe zur Verfügung steht.
Palina Kedem und Motje Seidler
Medienecho:
Turning the page on the third Jerusalem writers festival, Vorbericht zum KAS Israel-Panel in Haaretz online vom 10. Mai 2012:
„Most writers, particularly those invited from abroad, will be participating in two or three different programs. Instead of giving details about each individual session, I have tried below to describe most of the visiting authors, and noted a few of the lineups that sound especially promising.
One of them, titled ‘Europe and the Middle East,’ will be moderated by Smadar Peri, Yedioth Ahronoth’s Arab affairs commentator. That title may be somewhat misleading, since Peri will be talking with Aleksandar Hemon, Lukas Barfuss, Boualem Sansal and, she says, an additional panelist from the Arab world, whose identity will remain a secret even during and after the session itself. The purpose of such anonymity is to protect the writer back home, where participation in an event in Israel presumably would not be looked upon kindly.
In contrast, Algerian novelist Sansal seems already to be reconciled to life as ‘an exile in his own country,’ as he was described several years ago at a writers’ festival in Germany. Not only does he write in French, but his best-known work, ‘The German Mujahedin,’ published in the U.S. in 2009 (and in the U.K. that same year, as ‘An Unfinished Business’), draws a clear parallel between National Socialism and radical Islam. When asked by a German interviewer in 2009 if his critique of Muslim society wasn’t overstated, he responded, ‘On the contrary.’
Both ideologies, he claimed, embrace ‘the concept of conquering − the conquering of souls, but also of territories’ and ‘the idea of extermination, the extermination of all those who do not submit to the ideology of (in the latter case) Islamism.’ Little wonder, then, that Sansal’s work is translated into Hebrew but not Arabic.
Aleksandar Hemon is the highly acclaimed Sarajevo native who found himself stranded in the U.S. while visiting there in 1992, when civil war broke out back home in Bosnia-Herzegovina. Within several years he was writing and publishing in English, and to date he has published three books, including, most recently, the novel ‘The Lazarus Project,’ and lots of journalism. His fiction has an autobiographical component, in which he intertwines a story that sounds much like his own with that character’s investigation of the senseless killing of real-life Jewish immigrant Lazarus Averbuch in turn-of-the-20th-century Chicago.
Barfuss is a successful playwright in his native Switzerland (and also internationally), but in Israel will likely be asked to talk about his novel ‘100 Days,’ a scathingly critical look at the work of Swiss development officials in Rwanda in the run-up period to the 1994 genocidal conflict there. Neither Africans nor Europeans come out looking good in the book, but the author’s sharpest criticism is reserved for his fellow Swiss, who, having convinced themselves they were doing good, contributed a lot to the conditions that made civil war inevitable.“