דוח אירועים
Die Idee zum Dialogprogramm entstand im Jahr 2015, vor dem Hintergrund der aufflammenden Debatte um massenhafte Zuwanderung und steigenden Antisemitismus in Deutschland. Mit der Maßnahme wurde das Ziel verfolgt, gegenseitige Vorurteile ab-, sowie ein nachhaltiges Netzwerk zwischen muslimischen Deutschen auf der einen Seite und israelischen Entscheidungsträgern auf der anderen Seite aufzubauen.
Das fünftägige Dialogprogramm wurde durch ein Briefing durch Stiftungsbüro-Leiter Dr. Michael Borchard eingeläutet, in welchem er insbesondere auf die Sicherheitslage in Israel, die politische Landschaft, sowie auf den aktuellen Stand der deutsch-israelischen Beziehungen einging.
Am darauffolgenden Morgen begrüßte die Gruppe den Leiter des Auslandsbüros in Ramallah, Marc Frings zum Gespräch. Er berichtete zur politischen und sozialen Lage in der West Bank, dem Gazastreifen sowie Ostjerusalem und führte die Gruppe im Anschluss zu den heiligen Stätten in der Jerusalemer Altstadt.
Beim daran anschließenden Austausch mit Qadi Dr. Iyad Zahalka, dem obersten Richter am Scharia-Gerichtshof von Jerusalem, informierte sich die Delegation über das juristische System in Israel. Als einziger westlicher Staat vereint der jüdische Staat sowohl zivile, als auch religiöse Rechtssprechung in einem. Dabei kommt den religiösen Gerichtshöfen der nebeneinander existierenden Glaubensrichtungen die exklusive Gerichtsbarkeit in familiären Belangen zu. Qadi Zahalka betonte, die Sharia stehe "nicht im Kontrast zur Moderne" - vielmehr könne das System dabei helfen, eine Brücke zwischen den Menschen im Land zu schlagen und Spannungen zwischen Religion und Staat zu verringern. Im Hinblick auf das Thema Migration rief er neu eingewanderte Minderheiten dazu auf, den "Loyalitätsvertrag" mit der Aufnahmegesellschaft zu respektieren. "Wenn du in Rom bist, verhalte Dich wie die Römer - in Deutschlands, verhalte Dich wie ein Deutscher".
Der erste Programmtag endete mit einem Besuch und geführten Rundgang in der Gedenkstätte Yad Vashem. Die Gruppe zeigte sich tief bewegt und beeindruckt von den Eindrücken und gaben ihren Gedanken und Gefühlen in einem anschließenden Reflexionsgespräch Ausdruck.
Mit einem Besuch der Max Reyne Hand-in-Hand-School in Jerusalem wurde am Folgetag das Programm des zweiten Besuchstages eingeläutet. Noa Yammer, die verantwortliceh Kommunikationsreferentin der Schule, erläuterte bei einem Rundgang über das Schulgelände das singuläre Konzept der Einrichtung: Während die Kinder der unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen in Israel traditionell getrennt und nach an Religion und Ethnie angepasstem Lehrplan unterrichtet werden, bietet die Hand-in-Hand-School gemeinsamen, zweisprachigen Unterricht für jüdische und arabische Schüler an. Hierdurch sollen Barrieren abgebaut und die friedliche Koexistenz gefördert werden. Durch den gemeinsamen Schulbesuch entstenden Freundschaften fürs Leben, so Yammer, zudem übertragen Absolventen der Schule das Modell oft auf ihre Universitäten, indem sie Muslime und Juden dort zusammenbringen. Im Gespräch mit zwei israelisch-arabischen Schülerinnen erfuhr die Delegation aus erster Hand, wie positiv sich das Schulkozept auf die offene Geisteshaltung der Schüler auswirkt.
Im Zuge des anschließenden Besuchs in der Knesset hatte die Gruppe die Gelegenheit zum Austausch mit den weiblichen Abgeordneten MK Ksenia Svetlova (Zionistische Union), welche als russischstämmige Israelin vor allem auf das Thema Einwanderung Integration einging, und Merav Ben Ari (Kulanu). Beide Abgeordneten gingen auf die Problematik einer weitgehend fehlenden Einwanderungspolitik der israelische Regierung hinsichtlich nicht-jüdischen Immigranten und Asylsuchenden ein. Hier gebe es erheblichen Nacholbedarf, waren sich Svetlova und Ben Ari einig. Jedoch habe sich mittlerweile die Herangehensweise der Regierung hinsichtlich der Kulturen der jüdischen Einwanderer gewandelt, so Svetlova. Während Immigranten bis vor nicht allzu langer Zeit angehalten waren, "ihre Kultur am Flughafen zurückzulassen", respektiere man heute die Beibehaltung anderer Bräuche als Bereicherung. Sie setze sich zudem für verüflichtende Schulstunden gegen Rassismus in der israelischen Gesellschaft ein.
Der zweite Programmteil, welcher sich auf die Region Tel Aviv und Umgebung konzentrierte, begann mit einem ausführlichen Briefing der stellvertretenden Botschafterin Monika Iwersen. Nicht nur aktuelle inner-israelische Themen standen auf der Tagesordnung, sondern auf der Stand der Beziehungen zur Türkei, ein Thema das sowohl für die Delegation, als auch für die Gesandte selbst von besonderem Interesse ist.
Zum Abschluss des intensiven Tagesprogramms tauschte sich die Gruppe mit dem deutschstämmigen Journalisten und Buchautor Dr. Gil Yaron aus. Yaron ging vor allem auf die Fragmentierung innerhalb der israelischen Gesellschaft ein, insbesondere unter den verschiedenen jüdischen Strömungen.
Der dritte Programmtag wurde durch einen Vortrag zum Thema Radikalisierung und Jihadismus des renommierten Terrorismus-Forschers Prof. Assaf Moghadam am Interdisciplinary Center (IDC) Herzliya eröffnet. Prof. Moghaddam erläuterte zunächst das theoretische Konzept des Jihadismus und ging auf die unterschiedlichen Akteure ein. Opfer jihadistischer Gewalt seien vor allem Muslime, achtmal mehr als nicht-Muslime. Zudem sei Religion oftmals nicht der Grund für die Hinwendung von Individuen zu extremistischer Gewalt, sehrwohl aber werde sie meist als moralische Grundlage missbraucht, so der Experte. Religiöse Muslime seien laut Studien zudem nicht höher gefährdet, in deas jihadistische Milieu abzurutschen als nicht-religiöse Muslime. Die EU sei lage aufgrund eines "Covenant of Security" mit den dort lebenden Muslimen von islamisischem Terror verschont geblieben - dies habe sich jedoch durch das militärische Eingreifen im Irak geändert. Im Hinblick auf des Hauptakteur in der terroristischen Arena, den „Islamischen Staat“, sei eine zunehmende Fokussierung von der Levante-Region auf den Westen festzustellen.
Im Rahmen einer gemeinsamen Konferenz mit dem Konrad Adenauer Program for Jewish-Arab Cooperation (KAP) an der Tel Aviv University informierten sich die Teilnehmer über Unterschiede ind Gemeinsamkeiten zwischen Israel und Deutschland im Bereich der Integration und Identität junger Migranten. Zwei der Delegationsteilnehmer, Ayse Cindilkaya und Cihan Sügür, teilten als Panelisten ihre Sichtweisen mit israelischen Experten und Publikum.
Zum Abschluss des Programmtages diskutierte die Delegation mit der Sicherheitsexpertin Dr. Emily Landau, welche zum Thema Nuklearwaffenin der Nahost-Region am renommierten Institute for National Security Studies (INSS) forscht, über das Für und Wieder zum umstrittenen Nuklearabkommen zwischen dem Iran und der 5+1-Gruppe im vergangenen Jahr. Das Abkommen habe die Entwicklung von Nuklearwaffen im Iran lediglich verzögert, nicht aufgehalten, so Landau. Zudem habe der Mullah-Staat hierdurch zusätzlich Zeit für die Forschung dazugewonnen - und sei damit als einziger Gewinner aus dem Deal hervorgegangen.
Der vierte Programmtag stand am Morgen ganz unter dem Thema "Start-Up Nation". Bei passendem Setting, in den Räumen eines beliebten und modernen Coworking-Space-Büros, erläuterte CreatorsLab-Leiterin Monika Rozalska die kulturellen und politischen Faktoren für den Wandel Israels vom Orangen-Exporteur zum weltweit führenden High-Tec-Standort. Nirgendwo anders in der Welt werden pro Kopf so viele Start-Ups gegründet, so viele Investitionen in Forschung und Entwicklung getätigt, so viel Privatkapital in junge Unternehmen investiert, so Rozalska. Im Anschluss hatte die Gruppe die Gelegenheit zum Austausch mit Patricia Lahy-Engel, Leiterin von Gvahim/The Hive, einer Organisation welche Neueinwanderer bei der Gründung eines eigenen Start-Ups unterstützt.
Im Gespräch zum Thema "Wasser in der Region- Von der Konfliktursache zu einem Instrument für regionale Zusammenarbeit und Stabilität" erläuterte EcoPeace-Mitarbeiterin Mira Edelstein am Nachmittag das einzigartige Konzept des KAS-Partners, welcher israelische, palästinensische und jordanische Stakeholder an einen Tisch bringt, um eine gemeinsame Lösung für die Wasserknappheit in der Grenzregion zu finden.
Zu Ende des Dialogprogramms nahm sich der deutschstämmige Sprecher der israelischen Streitkräfte (IDF) Maj. Arye Shalicar die Zeit zu einem intensiven Austausch mit der Gruppe. Er legte den Fokus nicht nur auf die aktuellen externen sicherheitspolitischen Herausforderungen für Israel im Norden und Süden ein, sondern ging auch auf Gefahren im Inneren ein.
Im abschließenden Gespräch mit Dr. Michael Borchard hatten die Teilnehmer am Abreisetag die Gelegenheit, das Programm Revue passieren zu lassen und Feedback zu geben. Es wurde vielfach betont, wie wichtig die durch das Programm ermöglichten Begegnungen für das gegenseitge Verständnis gewesen sind und dass es nun gelte, das Erfahrene weiter zu transportieren und den Dialog auch in Deutschland fortzusetzen. Besonders beeindruckete hier das Statement einer au dem Libanon stammenden Teilnehmerin, welche durch ihr familiäres Umfeld und Kriegserfahrungen in ihrer Jugend sehr einseitig geprägt worden war: Das Programm sei ein wichtiger Beitrag gegen den "Krieg im Kopf" und müsse weiterhin jährlich fortgesetzt werden. Es sei ihr wichtig, die Erfahrung in ihrer Community zu teilen und sich für ein ausgewogeneres Bild Israels einzusetzen. "Ich habe die weiße Flagge gehisst, bei mir ist Frieden".
Eine Fortsetzung des Programms ist für den Herbst 2017 geplant.