単行本
Familienbilder
Die Bedeutung der Familie hat zugenommen. 72 Prozent sind der Meinung, dass man eine Familie braucht, um glücklich zu leben. Mädchen haben eine höhere Familienorientierung als Männer und wünschen sich häufiger Kinder. 76 Prozent der Mädchen und 69 Prozent der Jungen sehen die Notwendigkeit von Familie, um glücklich zu sein. 46 Prozent der Mädchen sind der Ansicht, dass man eigene Kinder braucht, um glücklich leben zu können (Jungen 42 Prozent). 62 Prozent wünschen sich eigene Kinder. Doch reflektieren die Jugendlichen auch die ungünstigen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die ihrer Ansicht nach der Realisierung eines Kinderwunsches entgegenstehen.
Bildung
Nach Pisa zeigt sich erneut, dass die Bildungswelten immer stärker auseinanderfallen. Bei dem schulischen Lebensweg hat die soziale Herkunft große Auswirkungen auf die Startchancen der Jugendlichen. Der Bildungsgrad der Eltern hat einen wesentlichen Einfluss auf den Schulabschluss der Jugendlichen. 74 Prozent der Jugendlichen, deren Eltern einen höhern Schulabschluss haben, streben ebenfalls einen höheren Abschluss an, oder haben ihn erworben. 24 Prozent der Jugendlichen, deren Eltern ein niedriges Bildungsniveau aufweisen, streben nach oder erwerben einen höheren Abschluss. Nüchtern bewerten die Jugendlichen die Aussicht auf die Erfüllung ihrer beruflichen Wünsche. Nur noch 50 Prozent der Jugendlichen, die eine Hauptschule besuchen, sind bei diesem Thema zuversichtlich. Innerhalb von 4 Jahren ist die Angst vor Verlust des Arbeitsplatzes, bzw. keinen Arbeits- Ausbildungsplatz zu finden drastisch gestiegen (von 55 auf 69 Prozent).
Politik
Positiv hat sich das politische Interesse entwickelt. Seit 1991 ist das Interesse an Politik kontinuierlich gesunken (von 57 Prozent 1991 auf 34 Prozent 2002). Dieser Abwärtstrend ist gestoppt und ein leichter Aufschwung ist zu verzeichnen (39 Prozent). Aber auch hier findet sich ein starker schichtabhängiger Einfluss auf die Einstellungen der Jugendlichen. Während 86 Prozent der Hauptschüler wenig politisches Interesse haben, sind es bei Gymnasiasten 61 Prozent, bei Studierenden 32 Prozent. Dahinter verbirgt sich jedoch auch ein Alterseffekt. Je älter die Jugendlichen werden, desto größer ist das Interesse an Politik. Extreme politische Positionen finden kaum Zustimmung. Nur eine Minderheit ordnet sich den extremen Polen auf der Rechts-Links-Skala zu. Bedenklich ist jedoch das geringe Vertrauen, das den Problemlösungskompetenzen der Parteien entgegengebracht wird. 40 Prozent glauben, dass keine Partei in der Lage ist, die Probleme in Deutschland zu lösen. Es zeigt sich eine hohe Unzufriedenheit mit der Praxis der Demokratie. Das Potenzial unzufriedener Jugendlicher hat sich leicht erhöht (von 29 auf 34 Prozent). Auch hier zeigt sich, dass die fehlende Demokratiezufriedenheit eng mit den eingeschränkten gesellschaftlichen Chancen und prekären Lebenslagen verbunden ist. Grundsätzlich sind die Jugendlichen mit der Demokratie als Staatsform jedoch zufrieden. 82 Prozent in den alten und 73 Prozent in den neuen Ländern halten die Demokratie für eine gute Staatsform. Der Politikverdruss richtet sich auf Politiker.
Distanz zur Politik geht jedoch nicht mit der Absage an gesellschaftliches Engagement einher. Das Aktivitätsniveau ist gleich hoch wie 2002. 33 Prozent geben an, oft für soziale oder gesellschaftliche Zwecke oder ganz einfach für andere Menschen aktiv zu sein. 42 Prozent sagen sie würden sich gelegentlich engagieren. 25 Prozent antworten mit nie. 40 Prozent sind in einem Verein, 23 Prozent in der Schule/Hochschule, 15 Prozent in der Kirchengemeinde aktiv. Am Ende der Skale stehen politische Parteien und Gewerkschaften, bei denen nur 2 Prozent aktiv sind.
Religion
Breiter als bei früheren Jugendstudien wird das Thema Religion behandelt. In der Pressekonferenz wurde betont, dass es trotz der starken medialen Präsenz von Jugendlichen beim Tod des Papstes Johannes Paul II, dem katholischen Weltjugendtag keine Renaissance der Religion gebe. Auch wenn die Öffentlichkeit darüber spekuliert. Als wichtigstes Ergebnis kristallisiert sich heraus, dass die Jugendlichen nur eine mäßige Beziehung zu kirchlich-religiösen Glaubensvorgaben haben. 30 Prozent der Jugendlichen glauben an einen persönlichen Gott, 19 Prozent sagen es gebe eine überirdische Macht, 28 Prozent glauben nicht, dass es einen persönlichen Gott oder eine überirdische Macht gibt und 23 Prozent wissen nicht, was sie glauben sollen. Bei Jugendlichen, die konfessionell gebunden sind, sind diese Wert nicht deutlich erhöht. 41 Prozent der katholischen Jugendlichen glauben an einen persönlichen Gott, bei den evangelischen sind es 30 Prozent. Glaubensunsicherheit und Glaubensferne sind bei Jugendlichen stärker ausgeprägt als in der gesamten Bevölkerung. Wenn Jugendliche religiös sind, dann halten sie am ehesten an der klassischen Vorstellung eines persönlichen Gottes fest. In der Bevölkerung gibt es eher eine Tendenz zu einer abstrakten höheren Macht. Überdurchschnittlich stark ist der Glaube an einen persönlichen Gott bei Ausländern (52 Prozent) und Deutschen, die nicht in Deutschland geboren sind (44 Prozent). Die Jugendstudie unterscheidet 3 Gruppen: die westliche Mehrheitskultur, die als mäßig religiös eingestuft wird, die ostdeutsche Teilkultur, die nur in geringem Maße religiös ist (die allerdings eine kleine intensive religiöse Teilkultur einschließt) und die Jugendlichen mit Migrationshintergrund (islamisch, christlich-orthodoxe, katholische und evangelische Jugendliche). Bei den Migranten werden 61 Prozent der Jugendlichen als religiös klassifiziert, bei den Westdeutschen 53 Prozent und bei den Ostdeutschen 21 Prozent.
Auch para-religiöse Glaubensformen sind stark verbreitet. So sagen bspw. 46 Prozent „Schicksal und Vorbestimmung beeinflusst mein Leben“, 24 Prozent nennen Engel und gute Geister. Doch heißt das nicht automatisch, dass Menschen, die den klassischen Glaubensinhalten fern stehen bevorzugt nach einer Ersatzreligion suchen. Es ist eher so, dass die diejenigen die nicht glauben, auch para-religiöse Erscheinungen ablehnen und bei denjenigen, die glauben den höchsten Anteil an para-religiösen Glauben aufweisen.
Die Kirche als Institution kann insgesamt auf das prinzipielle Wohlwollen vieler Jugendlicher bauen. 69 Prozent sagen sie finden es gut, dass es die Kirche gibt. Allerdings sind die Kirchen auch mit Kritik konfrontiert. 65 Prozent sagen, dass die Kirche auf die Fragen, die sie wirklich bewegen, keine Antworten hat.
Religion und Werte
Die Shell-Jugendstudie widerspricht der These, dass Religionsferne der ostdeutschen Jugendlichen und die religiöse Beliebigkeit der westdeutschen Jugendlichen dazu führe, dass das Wertesystem der Jugend immer instabiler und schwächer werde. Das Wertesystem der Jugendlichen ist über die Zeit stabil und positiv ausgerichtet. Auch bei religionsfernen Jugendlichen zeigt sich, dass diese der Kirche am fernsten stehenden Jugendlichen ein Wertesystem haben, das sich kaum von dem der anderen Jugendlichen unterscheidet. Von einem Werteverfall kann somit nicht die Rede sein. Familie und Freundeskreise übernehmen in dieser Gruppe die stützende Funktion, die Religion und Kirche nicht mehr innehaben.
(1) 2.532 Interviews von Jugendlichen zwischen 12 und 25 Jahren. Face-Face-Interviews