カントリーレポート
Es tut sich viel in Japan. Premierminister Shinzo Abe‘s LDP bemüht sich aus einem Zustimmungs- und Umfragetief herauszukommen. Die großen Tageszeitungen Japan Times und Jiji Press berufen sich auf Umfrageergebnisse in der Bevölkerung, die auf stetig sinkendes Vertrauen in die Regierung und Zustimmung für Shinzo Abe hindeuten. Zuletzt sanken die Zustimmungswerte für Abe unter 30%. Als Gradmesser für die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der LDP-Regierung generell und mit Premierminister Abe im Speziellen, galt die Präfekturparlamentswahl in Tokio Anfang Juli, bei der die LDP ein historisch schlechtes Ergebnis einfuhr. Von den 127 zu besetzenden Sitzen im Tokioter Abgeordnetenhaus konnte die LDP lediglich 23 Plätze ergattern. Als Governeurin wurde Yuriko Koike im Amt bestätigt, die mit ihrer neu gegründeten Partei Tomin First no Kai („Vereinigung Präfekturbürger zuerst“) 79 Sitze gewinnen konnte.
Viele Wähler in Tokio berichteten, dass sie mit ihrer Stimme gegen die „arrogante“ LDP wählten und gleichzeitig die bisherige Arbeit der in Tokio sehr beliebten Koike unterstützten.
Abe äußerte sich zum Wahlergebnis, indem er sagte, dass er und die LDP sich dieser „äußerst negativen Beurteilung“ annehmen werden. Er kündigte nach der beschämenden Präfekturwahl in Tokio an, viele seiner Kabinettsposten neubesetzen zu wollen. Diese Kabinettsumbildung fand nun Anfang des Monats statt.
Bemerkenswert hierbei ist außerdem, dass die großen Oppositionsparteien bis jetzt kein Kapital aus dem Negativtaumel der LDP schlagen konnten. Die Demokratische Partei (DP) findet nach wie vor keine profilverschaffenden Themen. So schnitt auch die DP in der Tokioter Präfekturwahl schlecht ab. So schlecht sogar, dass sich die sympathische Parteiführerin Reno veranlasst sah, persönliche Konsequenzen aus der Niederlage zu ziehen und ihren Rücktritt erklärte.
Das „neue“ Kabinett
Um die Regierung zu stabilisieren und gleichzeitig der Bevölkerung das Vertrauensgefühl in die Politik und die LDP wiederzugeben, tat Shinzo Abe genau das, was jeder bereits erwartete: Unbeliebte und skandalumwobene Minister wurden entlassen; altbekannte Gesichter wurden zurück ins „neue“ Kabinett geholt. Die Veteranen sollen es also richten. So zum Beispiel der „neue“ Verteidigungsminister Istunori Onodera: er hatte den Posten bereits 2012 inne und soll nun das Verteidigungsministerium umstrukturieren. Das Ministerium samt ehemaliger Ministerin waren zuletzt in Negativschlagzeilen geraten, als aufgedeckt wurde, dass die Ministerin persönlich veranlasst haben soll, dass unliebsame interne Einsatzberichte der japanischen Selbstverteidigungsstreitkräfte im Südsudan geheim gehalten werden sollen.
„Neuer“ Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur ist Yoshimasa Hayashi. Auch er hatte seit 2008 mehrere Ministerposten inne, darunter das Portfolio für Landwirtschaft, später für Verteidigung, und Wirtschaft- und Handel. Das Bildungsministerium war zuletzt ebenfalls von Skandalen geplagt. Anfang des Jahres fand Shinzo Abe sich inmitten eines Skandals um einen ultra-nationalen Kindergartenbetreiber aus Osaka wieder, der behauptete, Abe und seine Frau hätten großzügige Spenden an Schulen des Betreibers gegeben. Abe kündigte im März bereits an, dass er zurücktreten würde, sollten ihm die Beschuldigungen und persönlichen Verflechtungen nachgewiesen werden können. Offiziell wies die Regierung stets alle Anschuldigungen zurück. Nachdem sich Abe erfolgreich aber nicht unbeschadet von dem Skandal distanzieren konnte, war er nur wenige Monate später erneut direkt in einen Skandal im Einflussbereich des Bildungsministeriums verwickelt. Anfang dieses Jahres wurde der „Kake Education Institution“, ein Betreiber privater Universitäten, der Zuschlag vom Bildungsministerium gegeben, eine neue veterinäre Fakultät in einer von der Regierung gekennzeichneten „Sonderstrukturzone“ Japans zu bauen. Brisant hierbei: der Direktor der „Kake Institution“ ist ein alter Jugendfreund des Premierministers Shinzo Abe. Die „Kake Institution“ musste sich für den Zuspruch des Bauvorhabens direkt beim Ministerium bewerben. Abe und sein Jugendfreund der Kake-Direktor waren 2016 während des Bewerbungsverfahrens mehrmals zusammen golfen. Oppositionsparteien und Stimmen aus der Bevölkerung sehen hier klare Anzeichen der Vetternwirtschaft. Für den Premierminister ist es also von existentiellem Interesse, dass der „neue“ Bildungsminister Hayashi das Ministerium bereinigt und den Skandal, in den Abe persönlich involviert zu sein scheint, endgültig aufklärt.
Auch der neu ernannte Außenminister, Taro Kono, ist bereits kabinetterfahren. Er war zuvor Minister für administrative Reform. Kono hat LDP-intern ein sehr gutes Standing und wird immer öfter als einer der möglichen Nachfolger Shinzo Abe’s für den Premierministerposten gehandelt. Er gilt dennoch nicht als enger Vertrauter Abe’s und weist in vielen Kernpunkten politische Distanz zu Abe auf. Durch seine Ernennung zum Außenminister wurde signalisiert, dass die „neue“ LDP inklusiver ist, als die erfolgsverwöhnte und endfremdete alte LDP.
13 der insgesamt 19 Minister in Abe’s Kabinett hatten in der Vergangenheit bereits Ministerposten inne. Abe begründete die Entscheidung, altgediente Akteure in sein Kabinett zu berufen damit, dass er ein „ergebnisorientiertes“ Kabinett aufstellen wolle, um die dringenden Fragen und drängenden Probleme effektiv lösen zu können.
Die neue Bedrohungslage durch die DPRK
Und tatsächlich gibt es nicht nur innenpolitische Herausforderungen, die Abe und der LDP Kopfschmerzen bereiten. Auch außenpolitisch ist 2017 bis jetzt ein besonders „heißes“ Jahr für Nordostasien und Japan. Nordkorea testete erstmals erfolgreich Raketen mit interkontinentalen Kapazitäten. Dies wird von Japan als ernstzunehmende Bedrohung eingestuft. In dem Anfang August vom Verteidigungsministerium veröffentlichten jährlichen „Defense White Paper“ erklärt das Ministerium, dass das Regime in Nordkorea eine „neue Bedrohungsstufe“ erreicht habe. Das Ministerium bestätigte außerdem auch die internationale Experteneinschätzung, dass es sich bei der Rakete, die Nordkorea am 4. Juli getestet hatte, tatsächlich um eine ICBM (Intercontinental Ballistic Missile) gehandelt hatte. Auch betonte das Verteidigungsministerium im aktuellen „White Paper“, dass zu befürchten sei, dass das Regime in Nordkorea bereits ein kleines Arsenal an Nuklearsprengköpfen entwickelt habe.
Die japanische Regierung nimmt die verschärfte Bedrohungslage in Nordostasien ernst. Letzte Woche trafen sich Außenminister Kono und Verteidigungsminister Onodera in Washington mit ihren US-Kollegen Tillerson und Mattis zu einer „2+2“ Sicherheitskonferenz. Dies ist die erste Konferenz dieser Art seit 2015. In einer Veröffentlichung verurteilten die Minister die nordkoreanischen Provokationen aufs Schärfste und betonten, dass die Region sich nun mit einem neuen Bedrohungsszenario konfrontiert sieht. Verteidigungsminister Onodera bat die USA um Unterstützung bei Nippons Plan, die landbasierte Version des Aegis-Raketenabwehrsystems in Japan zu installieren. US-Verteidigungsminister Mattis begrüßte das japanische Vorhaben. Die beiden Verteidigungsminister stimmten weiterhin überein, dass die US-Japanische Verteidigungsallianz verstärkt werden müsse.
Stabilität verzweifelt gesucht
Die Region ist auch diesen Sommer fest im Griff der nordkoreanischen Provokationen und Eskalationsdrohungen. Japan braucht vor dem Hintergrund dieser sicherheitspolitischen Herausforderungen eine stabile Regierung. Innenpolitische und innerparteiliche Skandale ließen Shinzo Abe keine andere Wahl, als mit einem „neuen“ Kabinett, bestehende aus „alten“ Ministerveteranen Stabilität in die Administration zu bringen. Abe’s neue Minister sollen und können die schlechten Umfragewerte des Premierministers jedoch nicht wieder nach oben bringen; das neue Kabinett soll lediglich den Abwärtstrend in den Zustimmungswerten aufhalten. Es scheint als sei die Talfahrt der LDP vorerst aufgehalten. Die neuen Außen- und Verteidigungsminister haben sich gleich zu Beginn stark positioniert und mit ihren US-Counterparts wichtige und „ergebnisorientierte“ Kooperationen vereinbart. Premier Abe versucht sich immer noch so unbeschadet wie möglich aus den Skandalen, die sich um ihn ranken, zu befreien. Da die Opposition aber weder Profil noch Biss hat, bleibt dem Premierminister und seiner Partei genug Zeit und Raum, die internen Skandale hinter sich zu lassen.
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