Meta was? Der Versuch einer Definition
Die erste Ära der Digitalisierung war die sogenannte Mainframe-Ära in den 1960er Jahren, bei der die ersten Computersysteme aus Großrechenanlagen bestanden. Danach kam die Ära des Personal Computer (PC) und Internets ab den 1980er Jahren, gefolgt von der Mobile und Cloud-Ära seit den Millenniumjahren bis heute. Das Metaverse gilt innerhalb dieses Zeitstrahls als die neueste Stufe. Historisch lässt sich der Begriff auf den Sciencefiction-Roman Snow Crash aus den 1990er Jahren zurückführen, der in erster Linie die Technologie begehbarer und virtueller 3D-Welten beinhaltete. In der aktuellen öffentlichen Debatte übernimmt der Begriff jedoch noch eine weitere Funktion. Angelehnt an den besagten Sciencefiction-Roman beschreibt Metaverse einerseits technologische Anwendungen, die virtuell erleb- und begehbare 3D-Welten ermöglichen. Andererseits ist der Begriff mit der Annahme verknüpft, dass das Metaverse eine neue und womöglich die finale Stufe der Digitalisierung einleitet. Der Vordenker von digitaler Zukunft, Mathew Ball, beschreibt die Technologie folgendermaßen: „Das Metaverse ist ein stetig wachsendes und interoperables Netzwerk aus in Echtzeit berechneten, virtuellen und dreidimensionalen Welten.“[1] Für ihn beginnt mit dem Metaverse eine neue Ära der kommerziellen Digitalisierung und Nutzung von Computernetzwerken.[2]
Im Mittelpunkt dieser neuen Ära steht die Transformation von der rein zweidimensionalen Interaktion mit digitalen Anwendungen, hauptsächlich über Touch-Displays, hin zu dreidimensionalen und immersiven Welten. Wie auch in den medialen Entwicklungen zuvor[3] ersetzt das Metaverse aber nicht alles Vorherige, sondern ergänzt und baut auf ihm auf. Ähnlich wie auch das Smartphone nicht den Computer als Endgerät vollständig verdrängte, ist das Metaverse nicht das neue Internet. Wahrscheinlicher ist, dass das Metaverse sowie die dafür notwendige Hardware ein wesentlicher Bestandteil davon werden, wie wir zukünftig das Internet erleben. Möglich macht dies die Technologien der Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR).
Dreidimensionale Interaktion im Metaverse: der Körper als Eingabegerät
Virtual Reality bezeichnet die Darstellung einer virtuellen Umgebung inklusive ihrer frei programmierbaren physikalischen Eigenschaften in Echtzeit. Über sogenannte VR-Brillen können Nutzerinnen und Nutzer diese Umgebung betreten und vor allem erleben. Aktuelle Modelle von VR-Brillen werden wie ein Helm angezogen und besitzen Kopfhörer für ein immersives Erlebnis. Wer also über eine VR-Brille eine virtuelle Umgebung betritt, muss den eigenen Kopf drehen, um sich darin umzuschauen und Geräusche zu lokalisieren, also zum Beispiel eine Gesprächsperson direkt anschauen, um sie zu verstehen. Die dabei dargestellte Umgebung lässt sich zudem um interaktive Objekte erweitern und mit entsprechenden Controllern manipulieren. Dadurch können sich Besucher des Metaverse nicht nur durch die digitale Welt bewegen, sie sollen dort auch Dinge anfassen können wie in der analogen Welt. Durch die VR-Brille expandiert der virtuelle Raum zu einem Ort, der mehr Köperteile und Sinne für die Navigation beansprucht als bisher. Im Ergebnis steht die dreidimensionale Interaktion, also die umfassendere Einbindung des Körpers als Eingabegerät.
Der japanische Elektrohersteller Sony hat bereits 2016 eine VR-Brille inklusive dazugehörigen Videospielen zum Verkauf angeboten.[4] Das mittlerweile von Meta Platform Inc. aufgekaufte Unternehmen Oculus begann ebenfalls als Hersteller von VR-Brillen im Videospielsektor und vertrieb seine Geräte schon im März 2013.[5] Preislich liegen die auf dem freien Markt erwerblichen VR-Brillen bei 300 Euro aufwärts. Hinzu kommen noch weitere Anschaffungskosten wie eine Videospielkonsole oder ein Computer, um die VR-Brillen entsprechend anzuschließen. Neben Meta gehören vor allem US-amerikanische und chinesische Akteure zu der Liste hochdotierter Tech-Unternehmen, die sowohl die Entwicklung, als auch den Vertrieb von für Metaversen notwendige Technologie vorantreiben: Nvidia (USA), Microsoft (USA), Tencent (China) und Alibaba Cloud (China), um nur einige zu nennen.[6]
VR & AR – von der analogen in die digitale Welt
Augmented Reality, zu Deutsch „erweiterte Realität“, beschreibt hingegen technologische Anwendungen, bei der sich Objekte der analogen Welt in die digitale projizieren lassen und umgekehrt. Das schwedische Möbelhaus und Einrichtungsunternehmen IKEA bietet beispielsweise eine App an, um virtuelle Abbildungen ihrer Möbel im Eigenheim zu platzieren.[7] Über die Smartphone-Kamera wird dafür ein bestimmter Bereich des Zimmers abgescannt und in die App geladen. Diese berechnet anschließend die Größe des Bereichs, um dann maßstabsgetreu den digitalen Zwilling des gewünschten Möbelstücks in dem gescannten Bereich darzustellen. Nutzerinnen und Nutzer der App können sich dann mit der vorgehaltenen Smartphone-Kamera dem Möbelstück nähern und es von verschiedenen Winkeln aus betrachten. Die AR-Technologie funktioniert aber auch in umgekehrter Weise und erlaubt, Gegenstände der analogen Welt in einen virtuellen Raum „hochzuladen“. Für Marketingzwecke, gerade im Mobile-Ökosystem, sind AR-Anwendungen eine bereits erprobte und genutzte Methode. Für Deutschland beziffert sich die Anzahl aktiver Nutzerinnen und Nutzer von Augmented-Reality-Anwendungen im Jahr 2021 auf fast 13 Millionen. Prognosen für 2023 gehen von einem Wachstum bis zu 21 Millionen Nutzerinnen und Nutzer aus.[8]
In Kombination miteinander bilden VR und AR das technologische Fundament, um den digitalen Raum dreidimensional erlebbar zu machen und gleichzeitig Objekte der analogen Welt sowie unsere intuitiven Interaktionen mit diesen Objekten in den digitalen Raum zu übertragen. Noch ist diese Verschmelzung aus analogem und digitalem in der Entwicklung, aber Vorstufen und erste Prototypen des Metaverse erlauben Einblicke in die Funktionalität und Praktikabilität.
Verspielte Prototypen: Fokus auf Unterhaltung, wenig alltagstauglich
Metaversen sind aktuell vorrangig reine Unterhaltungsprodukte. Als Beispiel für eine Vorstufe des Metaverse sei auf das erfolgreichste Videospiel Grand Theft Auto (GTA) Online verwiesen. Dieses Spiel bietet eine großflächige digitale Welt, in der sich Menschen mit ihren Avataren treffen, verschiedene Tätigkeiten miteinander oder gegeneinander ausüben und Dinge besitzen, die andere sehen und erleben können. Die dafür zur Verfügung stehenden Gebäude, Autos, Flugzeuge und mehr lassen sich entweder im Spiel verdienen oder mit echtem Geld kaufen. Mit dieser Spielidee hat GTA Online seit Markteinführung im Jahr 2013 fast acht Milliarden US-Dollar umgesetzt und ist somit das erfolgreichste kommerzielle Unterhaltungsprodukt der Welt.[9] Es lässt sich aber nur eingeschränkt mit VR-Brillen bedienen.
Vollständigere Metaversen, die einen ersten Eindruck davon vermitteln, wie virtuelle 3D-Welten im Sinne eines vollständigen Metaverse aussehen und welche Interaktionsmöglichkeiten sie bieten könnten, sind Sandbox [10] und Decentraland[11]. Diese Prototypen sind ebenfalls in erster Linie Spielewelten, in denen Nutzer und Nutzerinnen aus der Ich-Perspektive heraus die Umgebung erleben. In diesen Wirklichkeiten lassen sich zwar Grundstücke kaufen, um darin beispielsweise eine Vernissage der eigenen digitalen Kunst zu veranstalten, Yogastunden zu geben oder mit Freunden einen Highscore zu erspielen. Alle diese Interaktionsmöglichkeiten dienen jedoch primär der Unterhaltung und deuten jenseits davon auf wenig Anschlussfähigkeit für den Alltag hin. Hinzu kommt, dass eine VR-Brille sowohl für Sandbox als auch für Decentraland nicht notwendig ist. Beide Produkte verweisen also mehr auf die Potenziale des Metaverse, als diese konkret zu manifestieren. Von den praktischen Einsatzmöglichkeiten, wie sie Meta in ihrem Werbevideo [12] zum Metaverse versprechen, scheint die Technologie noch
weit entfernt.
Kein Grund für politischen Aktionismus
„Das Metaversum mag nur virtuell sein – aber es wird einen realen Einfluss haben“[13], so wirbt Zuckerberg aktuell für die angeblich bevorstehende Revolution des Internets. Dieser These stehen sinkende Umsätze, fallende Aktienkurse und ein Personalabbau von über
11.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern entgegen.[14] Gleichzeitig zeigt der Blick auf den aktuellen Stand erstens, dass sich diese noch in einem sehr jungen Zustand technologischen Entstehens befindet und zweitens, dass die breite Annahme durch Nutzerinnen und Nutzer jenseits der Videospielanwendungen alles andere als sicher ist. Hierin ein Scheitern des Metaverse zu sehen, verkennt jedoch das ökonomische Potenzial: Allein in Deutschland verdoppelte sich der Umsatz durch Computer und Videospiele von 3,5 Milliarden Euro (2018) auf 6,2 Milliarden Euro (2021).[15] Folglich wäre allein die Etablierung des Metaverse in der Unterhaltungsbranche bereits ein beachtlicher Erfolg. Gleichzeitig ist zu konstatieren, dass die umfassende Verwandlung der digitalen Welt, wie sie Technologieunternehmen proklamieren, weiterhin fraglich bleibt.
Andere Entwicklungsmöglichkeiten bietet das Metaverse hingegen im Bereich der Kommunikation, insbesondere der Pädagogik. Auch die Konrad-Adenauer-Stiftung experimentiert mit den Anwendungsalternativen des Metaverse und erprobt derzeit, wie sich virtuell erlebbare Räume als neue Plattform für die politische Bildung nutzen lassen. Im Fokus steht die Suche nach dem Mehrwert von immersiven Welten als Kommunikationsweg für politische Inhalte. Ob ein digitaler Seminarraum im Metaverse effizienter Informationen vermittelt als das Miteinander in Präsenz, bleibt abzuwarten. Aber den Mauerfall mit einer VR-Brille live nachzuempfinden, anstelle sich diesen einfach nur als Video im Internet anzuschauen, macht das Metaverse für die politische Bildung mindestens reizvoll.
Der Handlungsimperativ für die Politik lautet somit: Bitte keinen Aktionismus! Vielmehr
volle Konzentration auf die Themen, die Digitalpolitik bereits vor den Metaverse Ankündigungen gut gemacht hat. Umfassende Vorbereitung im Bereich Urheberrecht, Privatsphäre, Datenschutz und Cyber-Security sind daher der beste Weg, sich für die möglichen Herausforderungen des Metaverse adäquat zu wappnen. Selbst wenn das Metaverse die revolutionäre Neuheit ist, wie es uns IT-Unternehmen und deren Marketingabteilungen versichern wollen, kennt die Politik bereits die relevanten Themen und hat die dafür erforderlichen Instrumente.[16]
[1] https://bigthink.com/series/the-big-think-interview/why-the-metaverse-matters/ (letzter Aufruf: 08.11.2022).
[2] https://www.zeit.de/digital/internet/2022-10/matthew-ball-metaverse-digitalisierung-virtual-reality (letzter Aufruf: 08.11.2022).
[3] Krotz, Friedrich, Mediatisierung. Fallstudien zum Wandel von Kommunikation, Wiesbaden 2007, S. 37.
[4] https://blog.de.playstation.com/2016/03/15/playstation-vr-preis-und-verffentlichungsfenster-enthllt/ (letzter Aufruf: 08.11.2022).
[5] https://about.fb.com/news/2014/03/facebook-to-acquire-oculus/ (letzter Aufruf: 08.11.2022).
[6] https://www.fortunebusinessinsights.com/blog/top-metaverse-companies-10720 (letzter Aufruf: 08.11.2022).
[7] https://www.ikea.com/de/de/this-is-ikea/corporate-blog/ikea-place-app-augmented-reality-puba55c67c0 (letzter Aufruf: 08.11.2022).
[8] https://www2.deloitte.com/de/de/pages/technology-media-and-telecommunications/articles/augmented-reality.html (letzter Aufruf: 08.11.2022).
[9] https://taketwointeractivesoftwareinc.gcs-web.com/node/29031/html#ie0126d45781343aa913847b9665c7de4_37 (letzter Aufruf: 08.11.2022).
[10] https://www.sandbox.game/en/ (letzter Aufruf: 08.11.2022).
[11] https://decentraland.org (letzter Aufruf: 08.11.2022).
[12] https://www.youtube.com/watch?v=Uvufun6xer8 (letzter Aufruf: 08.11.2022).
[13] https://about.meta.com/de/metaverse/impact/ (letzter Aufruf: 08.11.2022).
[14] https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/facebook-konzern-meta-entlaesst-11-000-mitarbeiter-etwa-
13-prozent-betroffen-a-4da2cba3-df30-437b-b30d-8b81017dca47 (letzter Aufruf: 21.11.2022).
[15] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/317808/umfrage/umsatz-im-markt-fuer-computer-und-videospielein-deutschland/ (letzter Aufruf: 08.11.2022).
[16] Mehr hierzu: http://www.kas.de/eudatasummit2022 (letzter Aufruf: 08.11.2022).
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Über diese Reihe
Die Reihe informiert in konzentrierter Form über Analysen der Konrad-Adenauer-Stiftung zu relevanten aktuellen Themen. Die einzelnen Ausgaben stellen zentrale Ergebnisse und Empfehlungen eigener und externer Expertinnen und Experten vor, bieten Kurzanalysen von rund fünf Seiten und nennen KAS-Ansprechpartnerinnen.