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Rückblick
Im seit Jahren andauernden Disput um Chinas Aktivitäten im Südchinesischen Meer hatten die Philippinen 2013 unter Präsident Benigno Aquino III einen mutigen Schritt gewagt: Man hatte den Ständigen Schiedshof in Den Haag angerufen und um Klärung gebeten. Streitpunkte waren vor allem die überlappenden Besitzansprüche auf die Spratly-Inseln und das Scarborough-Riff. Das Hauptargument der Philippinen: Die sogenannten "9-Strich-Linie" (9-dash-line), mit welcher China seine Territorialansprüche im Südchinesischen Meer untermauert und ca. 80% der See für sich beansprucht, sei illegitim, da sie gegen das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (United Nations Convention on the Law of the Sea, UNCLOS) verstoße.
Entschieden werden sollte in Den Haag zwar nicht über tatsächliche territoriale Souveränitätsfragen, sondern über Chinas Besetzung und Kontrolle von Riffen wie Fiery Cross, Cuarteron, Subi, McKennan, Johnson South, Gaven, Mischief und Scarborough – oder: die Legitimität der von China angeführten 9-Strich-Linie.
Im Oktober 2015 erklärte der Schiedshof seine Zuständigkeit und konnte somit das Verfahren beginnen – trotz Chinas Weigerung, an der Verhandlung teilzunehmen oder ihr Ergebnis anzuerkennen. China hatte stets auf bilaterale Gespräche in dieser Angelegenheit gedrängt. Deutschland und auch die USA hatten die Vorgehensweise der Philippinen im Schiedsverfahren bekräftigt.
Der Schiedsspruch und seine Implikationen
Am 12. Juli legte der Ständige Schiedshof nun seinen Schiedsspruch als 500-seitiges Dokument vor. Die fünf Richter gaben den Philippinen in fast allen Punkten Recht:
- Die chinesische 9-Strich-Linie ist keine Anspruchsgrundlage für Territorialansprüche jedweder Art.
- Die von China beanspruchten Inseln stellen kein Anrecht auf eine ausschließliche Wirtschaftszone (mit 200-Meilen-Radius um selbige) dar.
- China hat sich durch Entsendung von Schiffen in die ausschließliche Wirtschaftszonen der Philippinen unrechtmäßig verhalten.
- Peking hat durch die Zerstörung von Korallenriffen im Rahmen seiner Bauarbeiten der Umwelt geschadet.
- Die Errichtung künstlicher Inseln durch die Volksrepublik China hätte während des Schiedsverfahrens eingestellt werden sollen.
Reaktionen aus Manila
Erwartungsgemäß wurde der Schiedsspruch aus den Den Haag mit großer Freude seitens aller Entscheidungsträger, Medien und Zivilgesellschaft aufgenommen. Sogar die vietnamesische Community im Lande gratulierte per Zeitungsanzeige. Nichtsdestotrotz schlägt die Regierung um Präsident Duterte leise Töne an. Seitens Präsident und Außenminister ist die Rhetorik von Mahnungen zu "Nüchternheit", "Zurückhaltung" und "Besonnenheit" geprägt .
Der philippinischen Regierung ist bewusst, dass es keine Umsetzungsinstanz gibt, die China zu einer Reaktion oder Anerkennung des Schiedsspruches zwingen könnte. Der neue Präsident Rodrigo Duterte hatte sich bereits im Wahlkampf in Sachen Südchinesisches/Westphilippinisches Meer flexibel positioniert. Duterte ist als Pragmatiker bekannt und hatte bereits vor dem Schiedsspruch angedeutet, dass er sich bilaterale Verhandlungen mit der VR China vorstellen könne. Stimmen, die nun medial ein starkes Auftreten gegenüber Peking fordern, stellen eine Minderheit dar.
Ausblick
Wirtschaftlich besteht zwar durchaus eine große Abhängigkeit von China, hinsichtlich des Handelsvolumens mit der Volksrepublik liegen die Philippinen allerdings weit hinter südostasiatischen Nachbarn wie Thailand, Malaysia, Indonesien und Vietnam. Was Direktinvestitionen aus China betrifft, nehmen die Philippinen innerhalb der ASEAN sogar den vorletzten Platz ein. Da Präsident Duterte plant, die Investitionsbeschränkungen für ausländische Investoren zu lockern, kommt dem Anwerben chinesischer Direktinvestitionen in Zukunft eine bedeutendere Rolle zu. Zudem ist der Großtteil philippinischer Wirtschaftsmagnaten chinesischstämmig. Diesen ist an besseren Wirtschaftsbeziehungen mit China durauchs sehr gelegen. Ein besonderes Interesse der philippinischen Regierung gilt auch der neuen AIIB (Asian Infrastructure Investment Bank). Die Philippinen haben zwar schon die Beitrittsurkunde unterzeichnet, das Parlament in Manila muss den Beitritt aber noch ratifizieren. Im Rennen um Infrastrukturfördermittel muss es also im Interesse der Regierung Duterte liegen, künftig in der von China dominierten AIIB nicht benachteiligt zu werden.
Was nunmehr die konkrete Vorgehensweise gegenüber China angeht, ist die philippinische Regierung nicht nur für bilaterale Verhandlungen in naher Zukunft offen, sondern hatte auch schon Wochen vor dem Schiedsspruch öffentlich gemacht, dass man sich die Nutzung der betroffenen Territorien „kooperativ“ vorstellen könne. Dies würde de facto mit Zugeständnissen an die VR China verbunden sein. Eine Sorge der Regierung stellt jedoch der Bereich Fischerei und die konkrete physische Sicherheit der philippinischen Fischer in den betroffenen Gebieten dar.
Besondere Aufmerksamkeit gilt nun auch dem Verhältnis beider Staaten zu den USA; zu denen die Philippinen als ehemalige Kolonie ein traditionell enges Verhältnis pflegen. Präsident Duterte hatte allerdings schon vor seiner Wahl im Mai deutlich gemacht, dass seine Bindung an die USA keineswegs so eng sein würde wie die seines Vorgängers. Außenminister Yasay hatte bereits vor dem Schiedsspruch angekündigt, sich einen künftigen selbstbewussteren Umgang mit China nicht von Dritten diktieren zu lassen:
„Those who are concerned about ensuring freedom of navigation and maritime security in the place, they seem to project the impression that if the decision will come out and it would be in our favor, they would like for us to make stronger statements.”
Ohne die Staaten konkret zu nennen, war jedoch klar, dass er auf die Rolle der USA und Japans anspielte.
Angesichts der zurückhaltenden Rhetorik nach dem Achtungserfolg in Den Haag ist weiter davon auszugehen, dass eine für Peking und Manila gesichtswahrende Lösung in Form eines Kompromisses seitens der Duterte-Regierung möglich ist. Mit einer bilateralen Klärung der entsprechenden Konfliktthemen käme Duterte dem ursprünglichen Wunsch der VR China nach. Zudem wurde der Fall vor dem Schiedshof von seinem Vorgänger Aquino, zu dem Duterte deutlichen Abstand wahrt, eingebracht. Dies eröffnet beiden Staaten die Möglichkeit zu einem Neustart in Fragen des Südchinesischen Meers. Duterte, der erst vor zwei Wochen als Präsident vereidigt wurde, genießt die bestmöglichen Popularitätswerte und breite parlamentarische Unterstützung. Somit besitzt er das Mandat, nun Verhandlungen mich Peking aufzunehmen. Die Philippinen, welche 2017 den Vorsitz der ASEAN übernehmen, könnten so – gestärkt durch Den Haag, aber dennoch kompromissbereit – eine Vorreiterrolle in Sachen Konfliktlösung im Südchinesischen Meer einnehmen.
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