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Fostering Security: NATO’s Reflection on the Southern Neighbourhood

von Louis Bout, Dr. Olaf Wientzek
In its 75th anniversary year, NATO is gearing up for its next Summit in Washington D.C this July, gathering leaders from all 32 Allies alongside presumably a large contingent of dignitaries from partner countries. The agenda promises a diverse array of discussions, with an expected significant focus on Russia’s aggressive war in Ukraine. However, beyond these pressing matters, other crucial issues will also be addressed. At the previous Vilnius Summit, held last summer, NATO Allies initiated a process to launch a comprehensive reflection process of the Alliance's relationship with the ‘Southern Neighbourhood.’ This reflection process aims to produce tangible proposals in time for the upcoming Summit. The reflection pro-cess is partly consistent of an external report written by experts that have been appointed by the Secretary General. However, this report is merely a part of the larger reflection process taking place internally.

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Dieser Bericht, verfasst von elf externen, vom Generalsekretär Jens Stoltenberg ernannten Experten aus verschiedenen Mitgliedsstaaten unter der Leitung von Ana Santos Pinto, wurde Stoltenberg im April vorgelegt und am 7. Mai veröffentlicht. Er umfasst eine Analyse und eine Reihe von Empfehlungen, die zwar nicht die Herangehensweise der NATO gegenüber ihrer „Südlichen Nachbarschaft“ grundsätzlich neu erfinden, aber einen Ansatz konzipieren sollen, wie das Bündnis sich zukünftig strukturierter mit ihrer „Südlichen Nachbarschaft“ auseinandersetzen kann. Der Bericht hebt zudem Möglichkeiten für eine verstärkte Zusammenarbeit mit Partnerländern und internationalen Organisationen hervor und präsentiert Empfehlungen, die darauf abzielen, die Effektivität der NATO in der Region zu verbessern.

 

Der Bericht der unabhängigen Expertengruppe behandelt umfassend die strategischen Herausforderungen und Chancen, denen sich die NATO bei ihrer Zusammenarbeit mit Nordafrika, dem Nahen Osten, der Sahelzone und dem Golf gegenübersieht. Im Laufe des Berichts betonen die Autoren mehrfach, dass die „Südliche Nachbarschaft“ de facto aus mehreren Nachbarschaften besteht, die unterschiedliche Herausforderungen (aber auch Chancen) für das Bündnis darstellen; Nordafrika, dem Nahen Osten, und drittens sowohl die Sahelzone als auch Subsahara-Afrika. Bereits jetzt verfügt die NATO u.a. durch den Mittelmeerdialog als auch über die Istanbuler Kooperationsinitiative über Partner in der „Südlichen Nachbarschaft“ : Mauretanien, Marokko, Algerien, Tunesien, Ägypten, Israel, Jordanien, Irak, Kuwait, Katar, Bahrain und die Vereinigten Arabischen Emirate. In ihrem Bericht betont die Expertengruppe die Verflechtung der Sicherheit zwischen den NATO-Mitgliedsstaaten und den benannten Regionen und identifiziert Herausforderungen, die die regionale und globale Stabilität beeinträchtigen: wachsende strategische Rivalität, Fehlinformationen, Terrorismus und Klimawandel. Der Bericht plädiert für einen gestärkten politischen Dialog und einen kooperativen Sicherheitsrahmen, um gemeinsame Sicherheitsbedenken besser zu adressieren.

 

Als Schlüsselthemen für die Zusammenarbeit identifiziert der Bericht vor allem menschliche Sicherheit, Terrorismusbekämpfung, maritime Sicherheit, Resilienz, Klimasicherheit sowie die Reaktion auf Desinformationskampagnen (genauer: Foreign Information Manipulation and Interference (FIMI). Der Bericht unterstreicht die Bedeutung der Ausrichtung der NATO-Kapazitäten auf die spezifischen Bedürfnisse der (potentiellen) Partnerstaaten in der „Südliche Nachbarschaft“, um Vertrauen aufzubauen, Fehlwahrnehmungen zu verhindern und Fehlinformationen wirksam zu bekämpfen. Darüber hinaus empfiehlt die Expertengruppe, das Lagebewusstsein der NATO zu stärken und ihr Engagement mit internationalen und regionalen Organisationen zu intensivieren, um so einen integrativen Sicherheits- und Stabilitätsansatz in den jeweiligen Regionen zu etablieren.

 

Der Bericht analysiert eingehend die strategischen Dynamiken der „Südlichen Nachbarschaft“ der NATO und präsentiert 114 Empfehlungen, die vor allem auf den diplomatischen Dialog abzielen. Diese Empfehlungen bauen aufeinander auf, beginnend mit kurzfristigen Maßnahmen, die ihrerseits wiederum den Grundstein für mittel- und langfristige Initiativen legen sollen. Angesichts der potentiellen Brisanz eines stärkeren NATO-Engagements konzentrieren sich die meisten Empfehlungen eher auf politische Vorbereitungsarbeiten: dazu gehört der Vorschlag einer Ernennung eines Sonderbeauftragten für die „Südliche Nachbarschaft“, spezielle Gipfeltreffen aller südlichen NATO-Partner, die Einrichtung einer direkteren NATO-Vertretung (Einrichtung von Verbindungsbüros, eines Zentrums für Klima und Sicherheit in Nordafrika sowie eines FIMI-Exzellenzzentrums) in kritischen Regionen und die stärkere Nutzung bestehender Partnerschaftsrahmen wie des Mittelmeerdialogs und der Istanbuler Kooperationsinitiative. Der Bericht plädiert zudem für eine regelmäßigere Zusammenarbeit mit anderen Partnern wie der Afrikanischen und der Europäischen Union. Eine der weitreichenderen Empfehlungen des Berichts besteht in der Einrichtung einer ständigen NATO-Mission zur Ausbildung und Kapazitätsentwicklung für NATO-Partner. Der Bericht schließt mit dem Aufruf zu einer umfassenden Überprüfung der internen NATO-Strukturen, um eine kohärente und effektive Zusammenarbeit mit ihrer „Südlichen Nachbarschaft“ sicherzustellen, und so angemessen auf die sich im Wandel befindliche geopolitische Landschaft und die damit verknüpften vielfältigen Herausforderungen dieser Regionen zu reagieren.

 

Analyse

Die Experten bieten eine pragmatische Analyse dessen, was vom NATO-Engagement in ihrer „Südlichen Nachbarschaft“ realistisch erwartet werden kann. Der Bericht erkennt die Komplexität und das schwierige Umfeld der verschiedenen Regionen in der „Südlichen Nachbarschaft“ an. Gleichzeitig verweist er wiederholt auf bereits existierende Positivbeispiele für NATO-Engagement: Insbesondere empfiehlt der Bericht, Lehren aus der als erfolgreich bewerteten NATO-Mission im Irak (NMI) - einer Beratungs- und Kapazitätsaufbaumission – zu ziehen: In diesem Kontext muss der Vorschlag für eine stehende NATO-Mission zur Ausbildung und Kapazitätsentwicklung für Partner gesehen werden, die auf Einladung letzterer eingesetzt werden könnte. Darüber hinaus hebt der Bericht Umweltfragen und die Agenda „Frauen, Frieden und Sicherheit“ als vielversprechende Bereiche hervor, die als Grundlage für eine verstärkte Zusammenarbeit in anderen Bereichen in einem späteren Stadium dienen können. Auf diese Weise identifiziert der Bericht Kooperationsfelder, die über rein politische Erwägungen hinaus die Möglichkeiten für die Entwicklung und Verbesserung von Beziehungen im Sicherheitsbereich bieten. Letztendlich adressieren diese Initiativen nicht nur unmittelbare Sicherheitsbedürfnisse, sondern fördern zusätzlich langfristige Stabilität durch gesellschaftliche Resilienz und eine verbesserte Regierungsführung. Die genannten Themenfelder werden von Beobachtern als relativ leicht erreichbare Ziele betrachtet, um das NATO-Engagement sichtbarer zu machen und gleichzeitig die Sicherheit in den „Südlichen Nachbarschaften" der NATO zu erhöhen.

 

Der Bericht betont wiederholt die Verbindung zwischen den Sicherheitsherausforderungen an den östlichen und südlichen Flanken: Er macht deutlich, dass Russlands Engagement im Süden, insbesondere durch Partnerschaften und Einfluss in Konfliktzonen, eine strategische Herausforderung für die NATO darstellt. Mehrere Passagen weisen zudem auf die Hürden hin, denen jede Form von Zusammenarbeit oder Dialog seitens des Bündnisses gegenüberstehen würde. Eine davon liegt darin, dass das Bündnis in einem geopolitischen Kontext tätig ist, in dem Russland und China alternative Kooperationsmodelle anbieten und in diesen Regionen zum Teil sehr enge Verbündete haben. Der Bericht empfiehlt daher, nicht automatisch die Zusammenarbeit mit Ländern auszuschließen, selbst wenn diese über eine enge Zusammenarbeit mit einem strategischen Rivalen verfügen. Die Experten argumentieren, dass eine solche Flexibilität für die langfristigen strategischen Interessen der NATO entscheidend sein könnte.

 

Der Bericht diskutiert ausführlich, wie die NATO ihr Engagement mit den Ländern in der „Südlichen Nachbarschaft" verbessern kann, indem sie ihre Zusammenarbeit mit regionalen Partnern und Kooperationsrahmen ausweitet. In diesem Zusammenhang identifiziert der Bericht die Europäische Union als einen besonders wichtigen strategischen Partner und weist auf die hohe Werte- und Zieleüberschneidung zwischen der NATO und der EU und den Mehrwert einer vertieften Zusammenarbeit hin. Als gemeinsame Themenfelder identifiziert der Bericht Desinformation und fremde Einflussnahme (FIMI), den Themenkomplex Frauen, Frieden und Sicherheit und Klimastabilität – hier verfüge die EU bereits erhebliche Expertise. Der Bericht geht jedoch nicht detaillierter darauf ein, wie sich diese Zusammenarbeit gestalten und welchen strategischen Vorteil die NATO aus einer engen Kooperation mit der EU ziehen könnte.
 

Der Bericht behandelt umfassend die Herausforderungen, die durch Fehlinformationen in der „Südlichen Nachbarschaft" entstehen. Insgesamt bleiben die Empfehlungen darüber, wie die NATO Russlands strategischem Einsatz von anti-westlichen Stimmungen und Narrativen konkret entgegenwirken könnte, die in unterschiedlichem Maße in der „Südlichen Nachbarschaft" verbreitet sind, vage. Letztendlich können entsprechende Gegenkampagnen und -trainings nur begrenzt erfolgreich sein, wenn die Kampagnen sich in bereits vorhandene lokale Narrative und Stimmungen einfügen. Angesichts dieser Dynamiken bewerten einige Beobachter die Empfehlung, das Konzept der so genannten NATO’s Contact Point Embassies (CPEs) auszubauen, als besonders wichtig. Diese Botschaften sollten nicht nur als Plattformen für NATO-Engagement dienen, sondern ihre Auswahl sollte auch die historischen Interaktionen und Erfahrungen des betreffenden Verbündeten mit dem Gastland widerspiegeln, um effektiv der Fehlinformationen vor Ort entgegenzuwirken.

 

Kommentar

Insgesamt zeigt der Bericht ein hohes Maß an Verständnis über die Möglichkeiten der NATO, ihr Engagements in ihrer „Südlichen Nachbarschaft“ zu vertiefen, strategischer und effizienter zu gestalten. Die im Bericht enthaltenen Empfehlungen spiegeln jedoch auch den Charakter der Allianz selbst wider, die auf dem Konsensprinzip basiert. Entsprechend versuchen die Empfehlungen auch den sehr unterschiedlichen Präferenzen und Sicherheitsinteressen der 32 Verbündeten innerhalb der Allianz Rechnung zu tragen und deren Interessen, wie stark die NATO in verschiedenen Regionen involviert sein sollte, variiert. Dies ist besonders dort der Fall, wo Verbündete aufgrund ihrer geographischen Nähe und ihres historischen Engagements ein besonders starkes Interesse an einer bestimmten Region haben.
 

Der Bericht betont zurecht die enormen Unterschiede zwischen den Regionen und den potenziellen Partnern, doch auch die Unterteilung in drei Nachbarschaften scheint zu grob gezeichnet, wenn eine der „Nachbarschaften" den Sahel und das gesamte Subsahara-Afrika umfasst.

 

Eine Schlüsselempfehlung aus dem Bericht ist die Notwendigkeit für eine engere Abstimmung zwischen den Führungsebenen der NATO und der Europäischen Union bezüglich der „Südlichen Nachbarschaft“. Der Fokus auf die Führungsebene sollte jedoch nicht die Notwendigkeit für einen strukturierteren Austausch auf Arbeitsebene verdecken, welches - nach Ansicht einiger Beobachter – ausbaufähig ist. Die Verbesserung eines regelmäßigen strukturierten Dialogs sowohl auf Führungs- wie auch auf Arbeitsebene könnte dazu beitragen, Synergien zu nutzen, Dopplungen zu reduzieren und die Synchronisierung von NATO- und EU-Strategien in der „Südlichen Nachbarschaft“ verbessern – gerade weil die EU in einigen der genannten Themenbereiche in den verschiedenen Regionen bereits aktiv ist oder war.

 

Die Empfehlungen des Berichts zielen primär darauf ab, das diplomatische Engagement der NATO mit Ländern in der „Südlichen Nachbarschaft“ zu verbessern und effektiver zu gestalten. Dieser Fokus ist bemerkenswert, da die grundlegende Stärke der NATO in der Übereinstimmung ihrer militärischen Fähigkeiten mit ihrer Kernmission liegt. Die Empfehlungen spiegeln jedoch die Analyse wider, dass die NATO durch die Erweiterung ihres Repertoires um differenzierte diplomatische Ansätze besser in der Lage ist, die Sicherheitsinteressen der Verbündeten zu schützen.

Darüber hinaus heben die Empfehlungen eine weitere Herausforderung hervor: Die NATO muss abwägen, wie sie mit schwierigen Akteuren umgehen möchte. Die Empfehlungen zeigen ein schwieriges Spannungsverhältnis auf: Zum einen soll die NATO sich auch engen Partnern strategischer Rivalen nicht verschließen, auf der anderen Seite im Sinne des „360-Grad-Blicks“ konsequent auf Sicherheitsbedrohungen, insbesondere hinsichtlich des Einflusses Russlands über seine Grenzen hinaus, reagieren. Wenn es der NATO gelingt, hier eine gute Balance zu finden, würde sie nicht nur ihrem primären Ziel der Bündnisverteidigung gerecht, sondern könnte auch einen umfassenderen Ansatz für regionale Sicherheit gewährleisten.

 

Nach Angaben von Beobachtern stieß das Reflexionspapier bei mehreren Botschaftern aus den verschiedenen Regionen auf positive Resonanz. Doch wird es nun am NATO-Gipfel liegen, ihm die notwendige Aufmerksamkeit und politische Unterstützung zuteilwerden zu lassen. Wenn die NATO belastbare Partnerschaften mit potentiellen Partnern in der Region etablieren möchte, sollte dieses Reflexionspapier nur der erste Ausgangspunkt für einen intensiven und regelmäßigen Dialog sein.

Den vollständigen Bericht finden Sie hier

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Louis Bout

Louis Bout

Programm-Manager Sicherheit und Handel

louis.bout@kas.de +32 66931 80
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Dr. Olaf Wientzek

Olaf Wientzek bild

Leiter des Multinationalen Entwicklungsdialogs Brüssel

olaf.wientzek@kas.de +32 2 669 31 70

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