Durch die zunehmende weltwirtschaftliche Integration finden inzwischen rund 65 Prozent der weltweiten Wertschöpfung in sogenannten globalen Wertschöpfungsketten statt. Dies bietet enorme Chancen zur Steigerung von Produktivität und Wohlstand, schafft aber auch Herausforderungen, insbesondere hinsichtlich der Einhaltung von Menschenrechts- und Umweltstandards entlang der Wertschöpfungsketten. Gerade deutsche Unternehmen sind von diesen Fragestellungen aufgrund ihrer starken Einbindung in globale Märkte besonders betroffen. Welche Verantwortung schafft dies für Unternehmen? Und welche Aufgabe hat die Politik in dieser Hinsicht? Diese und andere Fragen wurden im Rahmen eines Fachgesprächs am 26. Juni von Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft diskutiert.
MdB Hermann Gröhe, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag und stellvertretender Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung, eröffnete die Veranstaltung. Des Weiteren sprachen MdB Norbert Barthle, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Marlehn Thieme, Präsidentin der Welthungerhilfe und Vorsitzende des Rates für Nachhaltige Entwicklung und Dr. Annette Niederfranke, Direktorin der ILO-Vertretung Deutschland. Die Unternehmensperspektive wurde von Heinrich Deichmann, Vorsitzender des Verwaltungsrates der Deichmann SE und Dr. Antje von Dewitz, Geschäftsführerin des Outdoor-Ausrüsters Vaude präsentiert.
Um wirtschaftliches Wachstum durch die Einbindung in globale Wertschöpfungsketten wirtschaftlich nachhaltig und dabei auch sozial und umweltverträglich zu gestalten, ist die Einhaltung menschenrechtlicher und ökologischer Standards von zentraler Bedeutung. Internationale Normen in dieser Hinsicht, wie beispielsweise die ILO-Kernarbeitsnormen, die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte und die OECD-Leitlinien für multinationale Unternehmen existieren bereits und wurden von der überwiegenden Mehrzahl der Staaten weltweit anerkannt. Die Umsetzung der Normen bleibt jedoch in vielen Fällen weit hinter der Zielsetzung zurück. In einigen besonders sensiblen Wirtschaftssektoren geht die Regulierung über die freiwillige Umsetzung hinaus, so beispielweise durch die EU-Verordnung zu Konfliktmineralien, die eine Sorgfaltsprüfung durch die Unternehmen gesetzlich regelt. Auch einige Staaten, allen voran Frankreich, nehmen durch gesetzliche Regelungen Unternehmen ab einer bestimmten Unternehmensgröße in die Pflicht, die Umsetzung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht in ihren Lieferketten zu garantieren.
Befürworter einer gesetzlichen Regulierung in Deutschland betonen die Unzulänglichkeit des derzeitigen Systems freiwilliger Umsetzung der unternehmerischen Sorgfaltspflicht um Menschenrechte und ökologische Verträglichkeit globaler Wertschöpfung zu gewährleisten. Eine gesetzliche Regulierung trüge laut dieser Stimmen auch zur Schaffung eines sogenannten „level-playing field“ und damit einem Ende der Wettbewerbsnachteile für Unternehmen bei, die bereits jetzt Mehrkosten und zusätzlichen Aufwand auf sich nehmen, um ihre unternehmerische Sorgfaltspflicht entlang ihrer Lieferketten konsequent umzusetzen.
Kritiker weisen jedoch auf eine Gefährdung der Wettbewerbsfähigkeit deutscher – und hier insbesondere kleiner und mittelständischer – Unternehmen durch den finanziellen und bürokratischen Mehraufwand hin, der durch eine gesetzliche Regelung entstünde. Die Kontrolle der Einhaltung der Standards in Produktionsstätten in Entwicklungsländern könne nicht durch die Unternehmen geleistet werden, sondern müsse durch die Regierungen vor Ort und den Aufbau geeigneter Strukturen geschaffen werden. Eine Haftung der Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen in ihren Wertschöpfungsketten würde auch zu einem Rückzug aus risikoreichen Märkten beziehungsweise der Skepsis gegenüber der Erschließung neuer Märkte in Entwicklungsländern führen – was dem Ziel höherer privatwirtschaftlicher Aktivität als Teil deutscher Entwicklungspolitik widerspräche.
Es gilt also unter Einbezug aller relevanten Stakeholder einen „Smart Mix“ an Anreizen und Regulierungen zu schaffen, der das sich ergebende Spannungsfeld zwischen politischer Verantwortung, unternehmerischer Sorgfaltspflicht und wirtschaftlicher Wettbewerbsfähigkeit berücksichtigt und nationale mit internationalen Bemühungen zielführend verknüpft.
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