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보고서

Olaf Scholz in Usbekistan

André Algermißen, Abdulla Mamadjonov

Rückenwind für die deutsch-usbekischen Beziehungen?

Die deutsch-usbekischen Beziehungen sind von einer facettenreichen Partnerschaft geprägt. Diese Beziehungen spiegeln sowohl historische Verbindungen als auch moderne politische, wirtschaftliche und kulturelle Interaktionen wider. Nach der Unabhängigkeit Usbekistans im Jahr 1991 etablierte Deutschland umgehend diplomatische Beziehungen zu dem neuen Staat. Seitdem bestehen bilaterale Beziehungen, die im Laufe der letzten 33 Jahre sowohl bedeutende Höhen als auch Herausforderungen erlebt haben.  Im Rahmen seiner ersten Reise nach Zentralasien vom 15.-17. September 2024 besuchte Bundeskanzler Olaf Scholz in Begleitung einer großen Wirtschaftsdelegation Usbekistan. Nach den bilateralen Gesprächen mit dem usbekischen Präsidenten Shavkat Mirziyoyev folgte die Teilnahme am Z5+1-Gipfel in Kasachstan. In Usbekistan konnten eine Vielzahl an Vereinbarungen, beispielsweise ein Migrationsabkommen, abgeschlossen werden.

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Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Investitionen

In den letzten sieben Jahren hat Usbekistan unter Präsident Shavkat Mirziyoyev ein wirtschaftliches Reformprogramm gestartet, das darauf abzielt, Anreize für ausländische Investitionen zu schaffen und das Land stärker in die globale Wirtschaft zu integrieren. Deutschland, als eine der größten Volkswirtschaften Europas, gehört zu den wichtigsten Wirtschaftspartnern des Landes. Das Handelsvolumen zwischen Deutschland und Usbekistan, belief sich im Jahr 2023 auf ca. 1,2 Mrd. Euro[i]. Führende deutsche Unternehmen wie Siemens, Thyssen Krupp, Class, MAN, Knauf und Volkswagen sind in Usbekistan tätig.  Im Mai 2023 wurden im Zuge des Besuchs des usbekischen Präsidenten in Berlin Verträge und Absichtserklärungen mit einem Gesamtvolumen von 8,6 Milliarden Euro unterzeichnet[ii]. Die Projekte beinhalten eine verstärkte Zusammenarbeit in den Bereichen grüne Energie, Bergbau, chemische und pharmazeutische Industrie, Modernisierung der Verkehrsinfrastruktur und der Landwirtschaft[iii]. Derzeit werden in Usbekistan mehr als 60 Projekte mit einem Gesamtvolumen von 5 Mrd. Euro mit deutscher Beteiligung durchgeführt[iv].

Die wirtschaftliche Diversifizierung in Usbekistan ist ein wichtiger Bestandteil der nationalen Entwicklungsstrategie des Landes. Dieser Prozess umfasst mehrere Schlüsselbereiche und Initiativen, um die Wirtschaft stabiler, widerstandsfähiger und nachhaltiger zu gestalten. Usbekistan verfolgt aktiv den Ausbau des industriellen Sektors und fördert die Digitalisierung der Wirtschaft. Verschiedene Maßnahmen sind darauf ausgerichtet, um durch die Entwicklung des Tourismus neue Einkommensquellen zu erschließen.

Zur Diversifizierung der Wirtschaft gehören auch Versuche, die Abhängigkeit von Russland abzubauen. Usbekistan versucht, neue Handelsbeziehungen mit verschiedenen internationalen Partnern wie der EU, China, den Golfstaaten und südostasiatischen Ländern aufzubauen und an Russland vorbei neue Handelsrouten zu erschließen. Man verfolgt eine „pragmatische Außenpolitik“: Einerseits versucht man die Abhängigkeiten von Russland zu reduzieren; andererseits möchte Taschkent Konflikte mit Moskau vermeiden, um auch weiterhin von den guten politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu profitieren. Die Regierung steht folglich vor der Aufgabe, eine Balance zwischen der Wahrung der Beziehungen zu Russland und der Verfolgung einer diversifizierten und unabhängigen Außen- und Wirtschaftspolitik zu finden.

Die Bekämpfung der Korruption, die stets eine Hemmschwelle für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes und für ausländische Investitionen war, ist ein Bereich, in dem Usbekistan im Zuge der Liberalisierung des Landes Verbesserungen erreicht hat. Es wurde beispielsweise eine neue Antikorruptionsbehörde geschaffen, die mit umfassenden Befugnissen ausgestattet ist. Laut dem Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International konnte sich Usbekistan im Jahr 2023 um fünf Plätze auf Platz 121 von 180 leicht verbessern. Diese positive Entwicklung darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass weiterhin Probleme im Land existieren und es weiterer Reformen bedarf.

 

Politische Dimension und Zentralasiatische Perspektiven

Usbekistan befindet sich im Zentrum Zentralasiens und grenzt an alle zentralasiatischen Staaten und an Afghanistan. Als eines der größten und wirtschaftlich bedeutendsten Länder in der Region spielt Usbekistan traditionell eine zentrale Rolle in der geopolitischen Landschaft. Deutschland und die EU haben ein strategisches Interesse an Stabilität und wirtschaftlicher Entwicklung in Zentralasien, um Handelsrouten zu sichern und geopolitischen Einfluss auszugleichen. Eine verstärkte Zusammenarbeit in der Terrorismus- und Extremismusbekämpfung bietet sich an. Usbekistan strebt an, sich sowohl westlichen als auch östlichen Staaten zu nähern, von internationalen Partnerschaften zu profitieren, ohne sich eindeutig einer Seite zuzuordnen. Die geopolitischen Interessen anderer Großmächte, insbesondere Chinas und Russlands, beeinflussen ebenfalls die Beziehung zwischen Deutschland und Usbekistan. Die „Belt and Road Initiative“ Chinas und die historische Bindung Usbekistans an Russland schaffen ein komplexes geopolitisches Umfeld, das Deutschlands Einfluss in der Region herausfordert.

Deutschland engagiert sich in Usbekistan durch Entwicklungszusammenarbeit. Im Rahmen der neuen BMZ-Strategie 2030 wurde Usbekistan als einziges Land Zentralasiens in die Liste der bilateralen Partner aufgenommen. Um die bilateralen und multilateralen Beziehungen stärken, werden unterschiedliche Plattformen genutzt. Ein prominentes Beispiel war der 5+1-Gipfel in Berlin im September 2023, der erste Gipfel auf Ebene der Staats- und Regierungschefs in der Geschichte der deutsch-zentralasiatischen Beziehungen. Dieser Gipfel markierte auch die Gründung der ersten strategischen Regionalpartnerschaft zwischen Deutschland und Zentralasien. Die strategische Regionalpartnerschaft ist umfassend angelegt und deckt alle wesentlichen Bereiche ab – von der wirtschaftspolitischen und regionalen Zusammenarbeit über Umweltaspekte bis hin zur Förderung des kulturellen und bildungsbezogenen Austauschs.

 

Besuch von Olaf Scholz in Usbekistan: Schlüsselergebnisse und Perspektiven

Am 15. September traf Olaf Scholz in Samarkand ein. Nach der Besichtigung der historischen Bauwerke am Registan-Platz fand ein Gespräch zwischen Scholz und Mirziyoyev statt. In diesem Austausch wurden die bilateralen politischen und wirtschaftlichen Beziehungen sowie sicherheitspolitische Themen wie Afghanistan und die Ukraine besprochen. Details zu den letzteren wurden jedoch nicht veröffentlicht. In seinem Pressestatement bezeichnete Scholz Usbekistan als „einen wichtigen Partner, auch für die nächste Zeit“. Danach folgten offizielle Gespräche und Verhandlungen. Es wurden mehrere Dokumente zur Weiterentwicklung der bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und Usbekistan unterzeichnet, darunter:

  • Ein zwischenstaatliches Abkommen über eine umfassende Migrations- und Mobilitätspartnerschaft;
  • Eine zwischenstaatliche Erklärung über die Zusammenarbeit im Veterinär- und Tierzuchtbereich;
  • Eine zwischenstaatliche Erklärung über die Zusammenarbeit bei der nachhaltigen Nutzung von Wasserressourcen im Rahmen der Initiative „Grünes Zentralasien“;
  • Eine gemeinsame Erklärung über die Zusammenarbeit im Bereich der kritischen Mineralien;
  • Ein Abkommen über die Zusammenarbeit im Verkehrsbereich;
  • Ein Memorandum über die Zusammenarbeit im Bereich des Klimawandels im Rahmen des Pariser Abkommens;
  • Ein Programm für technologische Partnerschaft und industrielle Zusammenarbeit für den Zeitraum 2024-2026;
  • Ein Paket von Vereinbarungen und Verträgen zwischen führenden Unternehmen Usbekistans und Deutschlands.

Obwohl zahlreiche Abkommen unterzeichnet wurden, richtete der Bundeskanzler in seinem Pressestatement den Fokus vor allem auf das Migrationsabkommen. Tatsächlich ist die Zahl der Usbeken, die derzeit in Deutschland leben, mit 13.700 relativ gering, und der Anteil derjenigen, die ausreisepflichtig sind, noch kleiner. Laut offiziellen Angaben befinden sich lediglich 200 Usbeken ohne gültigen Aufenthaltstitel in Deutschland – das sind weniger als 0,1 Prozent der insgesamt 225.000 ausreisepflichtigen Migranten. Die Abschiebung von 200 ausreisepflichtigen Usbeken wird das Migrationsproblem in Deutschland kaum lösen. Hoffnung besteht jedoch darin, dass das neue Migrationsabkommen das Verfahren für die Einreise von Fachkräften, die insbesondere in Pflegeberufen dringend benötigt werden, erheblich vereinfachen könnte.

Auf die Frage von Journalistinnen und Journalisten, ob das Migrationsabkommen eine Erleichterung von Abschiebungen nach Afghanistan ermöglichen würde, verwies der Bundeskanzler auf laufende vertrauliche Gespräche. Die Bundesregierung hofft, dass Usbekistan bei der Rückführung von Afghanen nach Afghanistan unterstützend wirken könnte. Die Hoffnung könnte sich schnell zerschlagen, da die Umsetzung zahlreiche Herausforderungen birgt: Dazu zählen die Notwendigkeit einer stabilen physischen Infrastruktur für Abschiebungen, einschließlich sicherer Transitzonen und der Koordination mit afghanischen Behörden. Diplomatische und politische Bedenken könnten ebenfalls eine aktive Unterstützung bei Abschiebungen erschweren. Zudem könnte eine verstärkte Unterstützung von Abschiebungen negative Reaktionen in der Region hervorrufen und die Beziehungen zu Afghanistan belasten. Auch die humanitären Verpflichtungen Usbekistans müssten berücksichtigt werden, sollte das Land in diesem Bereich aktiv werden.

Abseits des Migrationsabkommens wurden weitere Verträge geschlossen, die medial kaum wahrgenommen wurden. Dazu gehört beispielsweise, dass Usbekistan großes Interesse an der Einführung des deutschen dualen Ausbildungsmodells zeigt. Usbekistan möchte im Bildungsbereich mit Deutschland zusammenarbeiten und Rahmenbedingungen für die Umsetzung gemeinsamer Programme sowie die Eröffnung von Fakultäten und Außenstellen deutscher Hochschulen schaffen. Dies wäre ebenfalls ein nicht minder wichtiger Bereich der deutsch-usbekischen Kooperation, da derzeit rund 300.000 Jugendliche in Usbekistan Deutsch lernen. Zudem wurde in Taschkent eine usbekisch-deutsche Verwaltungsschule gegründet, während in Samarkand, wo Scholz seinen Besuch absolvierte, die Heinrich-Schipperges-Avicenna-Hochschule für Gesundheitswissenschaften eröffnet wurde. Auch das bereits erwähnte strategische Industrie- und Technologiepartnerschaftsprogramm, das gemeinsame Projekte im Wert von etwa 9 Milliarden Euro in Bereichen wie grüne Energie, chemische Industrie, Entwicklung kritischer Materialien, Maschinenbau, Textilindustrie und Baustoffproduktion umfasst, verdient besondere Beachtung.

Bei der Diversifizierung der Energiequellen für Deutschland könnte Usbekistan eine bedeutende Quelle für grünen Wasserstoff werden, der fossile Brennstoffe ersetzen kann. Für Usbekistan bietet die Partnerschaft die Chance, neue Industrien und Arbeitsplätze zu schaffen. Zudem kann die gemeinsame Arbeit an sauberen Energietechnologien beiden Ländern helfen, ihre Klimaziele effektiver zu erreichen. So plant die deutsche Siemens Energy den Bau neuer hochmoderner Gas- und Dampfturbinenkraftwerke. Gemeinsam mit der Gruppe Linde werden innovative Projekte wie der Aufbau eines „Methanol-Clusters“ und die Produktion von „grünem“ Ammoniak umgesetzt, während in Zusammenarbeit mit Guesscon fortschrittliche Lösungen zur Wasserstoffproduktion entwickelt werden. Es sind noch Investitionen der KfW-Ipex-Bank in die Erschließung einer Kupferlagerstätte vorgesehen. Die Förderung und Verarbeitung des Kupfers werden dabei in enger Zusammenarbeit mit Giga Fiber durchgeführt.

 

Fazit

Die Beziehungen zwischen Deutschland und Usbekistan beruhen auf einem soliden Fundament historischer Verbindungen. Die Reformen der letzten Jahre bieten viele Anknüpfungspunkte für eine erweiterte Zusammenarbeit. Die wachsenden Handels- und Investitionsströme, kombiniert mit einer starken politischen Willensbekundung auf beiden Seiten, sind vielversprechend für die zukünftige Kooperation.

Angesichts des zunehmenden Einflusses von Russland und China in der Region ist proaktives Handeln wichtig: Es müssen auch von deutscher Seite wettbewerbsfähige und attraktive Projekteangestoßen werden. Die deutsche Politik muss flexibel bleiben, um auf die sich wandelnden geopolitischen und wirtschaftlichen Bedingungen reagieren zu können und eine zukunftsorientierte Partnerschaft mit Usbekistan und der zentralasiatischen Region erfolgreich zu gestalten.

Nach den bilateralen Gesprächen in Usbekistan setzte die deutsche Delegation unter Leitung des Bundeskanzlers ihre Reise nach Astana, der Hauptstadt Kasachstans, fort, um am zweiten 5+1-Gipfel teilzunehmen. Die usbekischen Medien bezeichneten Scholz' Besuch als historisch[v]. Tatsächlich ist der Besuch bedeutend, da erstmals seit 2002 wieder ein deutscher Bundeskanzler das Land besucht hat. Ob der Staatsbesuch jedoch einen wichtigen Platz in der Geschichte der deutsch-usbekischen Beziehungen einnehmen wird, hängt davon ab, wie gut die Erwartungen erfüllt und die unterzeichneten Dokumente sowie Absichtserklärungen in die Tat umgesetzt werden.


[i] Deutschland und Usbekistan: bilaterale Beziehungen - Auswärtiges Amt: https://www.auswaertiges-amt.de/de/service/laender/usbekistan-node/bilaterale-beziehungen/206796 (zuletzt abgerufen am 10.09.2024).

[ii] Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft: https://www.ost-ausschuss.de/de/usbekistan-wirbt-um-investitionen (zuletzt abgerufen am 12.09.2024)

[iii] Gazeta.uz: https://www.gazeta.uz/ru/2023/05/03/germany/ (zuletzt abgerufen am 11.09.2024)

[iv] Ostexperte.de: https://ostexperte.de/deutschland-investiert-der-zentralasien-gipfel-in-berlin/ (zuletzt abgerufen am 12.09.2024)

[v] Olaf Scholz's historic visit: What Germany seeks from Uzbekistan? — Daryo News: https://daryo.uz/en/2024/09/17/olaf-scholzs-historic-visit-what-germany-seeks-from-uzbekistan (zuletzt abgerufen am 17.09.2024)  

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André Algermißen

Algermissen, Andre

Leiter des Regionalprogramms Zentralasien

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