보고서
Trotz aller Spannungen und kritischer Entwicklungen der letzten eineinhalb Monate – manipulierte Wahlen, Aufruf zu Massenprotesten durch den unterlegenen Kandidaten Buhari und gewaltsame Auseinandersetzungen in einigen Teilen des Landes, vor allem im Süden – war es ein bewegender und wichtiger Tag in der fast 43 Jahre alten Geschichte eines unabhängigen Nigerias. Es war der Tag, an dem es endlich und zum erstenmal gelang, nahezu friedlich und gewaltlos den Übergang von einer Zivilregierung zu einer anderen zu vollziehen, allein durch Wahlen und ohne Militär.
Es war ein großer Tag für die Bundesrepublik Nigeria, das bevölkerungsreichste Land Afrikas, der unantastbare Hegemon der westafrikanischen Region und gemeinsam mit Südafrika und Ägypten die führende Macht des Kontinents. Auf den Tag genau vor vier Jahren übergab der letzte Militärherrscher, General Abdlusalami Abubakar, Olusegun Obasanjo die Macht. Nach fast vier Jahrzehnten Militärherrschaft, unterbrochen nur von einigen demokratischen Intermezzi, konnte 1999 endlich wieder ein vom Volk gewünschter und gewählter Präsident eine Regierung bilden.
Die Erwartungen an Obasanjo – zuvor selbst Militärherrscher in den 70ern und später prominentes Opfer des Diktators Abacha – waren groß, sowohl beim eigenen Volk als auch in der Welt jenseits des Atlantiks. Vier Jahre später war Ernüchterung eingekehrt: die Wirtschaft am Boden, das Land religiös und ethnisch zerstritten, ja zerrissen, keine Spur einer zuvor versprochenen Demokratiedividende.
Unter diesen Voraussetzungen stellte sich Obasanjo, obwohl er und seine Administration fast allein für diese Entwicklung verantwortlich gemacht wurden, ein zweites Mal zur Wahl. Einziger ernstzunehmender Widersacher war General Muhamadu Buhari, ebenfalls ehemaliger Militärherrscher und Moslem aus dem Norden des Landes.
Eine denkbar ungünstige Konstellation für ein religiös mehr als angespanntes Land: ein Muslim aus dem Norden und ein protestantischer Christ aus dem Süden, beides ehemalige Generäle und Militärmachthaber, kämpfen um das höchste Amt im Land. Analysten und Kenner der nigerianischen Politik jedoch waren sich einig, dass Obasanjo die Wahl aus Mangel an Alternativen – Buhari galt zwar als ernstzunehmender, jedoch nicht als unbedingt seriöser und Vertrauen spendender Kandidat – gewinnen würde - vielleicht nicht ganz so klar wie 1999.
Wider Erwarten siegte Obasanjo aber so deutlich, dass erhebliche Zweifel an der Wahl an sich und an der Redlichkeit und Ehrlichkeit des wiedergewählten Präsidenten und seiner Parteigranden aufkam, ja aufkommen musste. Mit 61,94% gewann er überlegen die Präsidentenwahlen, seine Partei, die People`s Democratic Party, sicherte sich (voraussichtlich) 213 Mandate im 360 Sitze zählenden Repräsentantenhaus und (voraussichtlich) 73 Mandate im 109 Sitze zählenden Senat. 27 der 36 Gliedstaaten werden zukünftig von PDP-Gouverneuren regiert.
Ein Erdrutschsieg, der, wie die Berichte der zahlreichen Wahlbeobachtergruppen aus dem In- und Ausland zeigen, in Teilen des Landes einer geölten Betrugsmaschinerie zu verdanken ist. So berichtet die Delegation der EU von massiven Täuschungen und Betrugsszenarien in mindestens 11 Bundesstaaten. Ähnlich liest sich der Bericht des Justice, Development and Peace Committee der katholischen Kirche in Nigeria. Diese schickte 30.000 in Zusammenarbeit mit der Konrad-Adenauer-Stiftung ausgebildete Wahlbeobachter ins Feld.
Im vorläufigen Bericht liest man von manipulierten Wahlzetteln, vorpräparierten Urnen, gewaltsamer Einschüchterung der Wähler. Teilweise waren die Täuschungsversuche gar so massiv und gleichzeitig übermotiviert, dass das Ganze beinahe komische Züge hatte. In Enugu, ein Gliedstaat im Osten des Landes, wurden 1,8 Millionen gültige Stimmen gezählt. In der sechs Monate zuvor durchgeführten Wahlregistrierung aber wurden nur 1,4 Millionen Wähler registriert.
Gleichwohl ließen sich Obasanjo und seine Administration als Sieger feiern und brandmarkten alle Kritik, vor allem die der ausländischen Beobachter, als internationale Verschwörung. Anders reagierten naturgemäß Buhari und die übrigen Wahlverlierer. Sie riefen zu Massenprotesten auf, erkannten das Wahlergebnis nicht an, später drohten sie, realistischer und wohl auch die Vorteile eines demokratisch verfassten politischen Systems erkennend, mit gerichtlichen Schritten.
So gelang es immerhin in zwei Gliedstaaten den unterlegenen Kandidaten, mittels Gerichtsentscheiden das Recht auf Einsicht in alle Wahlunterlagen zu erhalten. Jüngsten Meldungen zufolge, jedoch noch nicht offiziell bestätigt, könnte diese Befugnis auf nationaler Ebene auch Buhari zugesprochen werden. Freilich steht in den Sternen, ob die Wahlverlierer dieses Recht jemals werden geltend machen können.
Weniger erfolgreich war Buhari mit seiner Forderung vor dem oberstem Berufungsgericht, die Amtseinführung aufgrund der Wahlunstimmigkeiten zu verschieben. Sein Ansinnen wurde abgelehnt, und so konnte Präsident Obasanjo wie geplant am 29. Mai 2003 auf seine zweite vierjährige Amtszeit eingeschworen werden.
Und so stand der alte und neue Präsident also auf der Ehrentribüne des Eagles Square und nahm, flankiert von 15 seiner afrikanischen Amtskollegen, dem britischen Vizepremier, dem kanadischen Außenminister und zahlreichen Botschaftern, die Huldigungen seiner Anhänger entgegen. Noch am Morgen rief die Opposition ein weiteres Mal zu Massenprotesten auf, Gerüchte von gewaltsamen Straßenschlachten machten die Runde, doch ein massives Aufgebot an Militär und Sicherheitskräften in Alarmbereitschaft sorgte für eine fast gespenstische Ruhe.
Nichts war geblieben vom frenetischen Jubel und der hemmungslosen Freude, die vor genau vier Jahren auf diesem Platz herrschte. Um 11.45 Uhr legte der gläubige Christ - der überzeugt ist, von Gott gesandt zu sein, um sein Land zu retten, und dessen persönlicher Kaplan die Zeremonie mit einem Gebet eröffnete - auf die Bibel schwörend den Amtseid ab, danach wandte er sich mit einer Ansprache an sein Volk.
Es war wahrhaftig keine visionäre, Hoffnung spendende Rede, vielmehr ein programmatischer, ja teils leidenschaftsloser Parforceritt durch die Problemgemengelage eines geplagten Landes. Er versprach wirtschaftliche Verbesserungen und verwies darauf, dass in den vergangen vier Jahren beachtliche Erfolge erzielt worden seien - eine Feststellung, die in krassem Gegensatz steht zu den Schlussfolgerungen von UNDP, Weltbank oder IWF. Er verkündete einschneidende Änderungen im Versorgungs- und Bildungssystem, wohl wissend, dass die Strom- und Wasserversorgung katastrophal ist und nigerianische Studenten wegen andauernder Streiks seit einem Jahr keine Vorlesungen mehr hören. Natürlich versprach er auch, den vor genau vier Jahren angekündigten Kreuzzug gegen die Korruption fortzuführen. Ein Kreuzzug, der eher dem verzweifelten Kampf gegen Windmühlen ähnelt und bei dem es selbst Sympathisanten Obasanjos schwer fällt, auszumachen, ob er selbst nun Windmühle oder Don Quijote ist.
Ohne die geringsten Selbstzweifel präsentierte sich Obasanjo als die einzig wählbare Alternative und somit als der richtige Mann für das Amt. Er sehe zumindest, so resümierte er am Ende seiner Ansprache, eine helle Zukunft für ein friedliches, vereintes, fortschrittliches, wohlhabendes und großartiges Nigeria. Weitere vier Jahre hat er jetzt Zeit, diese Vision Wirklichkeit werden zu lassen.
Eine andere Vision zumindest wurde an diesem 29. Mai 2003, der auch der Tag der Demokratie und der Menschenrechte in Nigeria ist, Wirklichkeit. Die Vision vieler Millionen Nigerianer nämlich, dass es ihrem Land endlich gelingen möge, eine zivile Regierung demokratisch, das heißt durch Wahlen, zu bestätigen oder abzulösen, ganz ohne „Hilfe und Unterstützung“ des Militärs.
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