Nach Begrüßung und inhaltlicher Einführung durch Moderatorin Marion Sendker führte Dr. Adrian Haack, Leiter des Auslandsbüros Indien der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. in Neu-Delhi zunächst die Größenverhältnisse des Landes mit 1,4 Mrd. Einwohnern vor Augen und dadurch auch die Verschiedenheiten. Indien sei ein „Land der Gleichzeitigkeiten“, teilweise der Gegensätze.
Was die globale Rolle der Atommacht, der fünftgrößten Volkswirtschaft und in Kürze des bevölkerungsreichsten Landes angehe, so sei Indiens (Außen-)Politik bemerkenswert nicht-aggressiv. Symptomatisch dafür stünden die Feierlichkeiten zum 75. Jahrestag der Unabhängigkeit, die geradezu bescheiden abgehalten worden seien, ohne die Spur eines Großmachtstrebens. Denn nach jahrhundertelanger Kolonisierung sei die Eigenständigkeit der Wert schlechthin. Indien betreibe mehr eine interessen- als eine wertegeleitete Außenpolitik.
Außenpolitisch läge China im Fokus, nicht zuletzt wegen der langen gemeinsamen Grenze, die China nicht anerkenne (immer wieder gäbe es Kleinstannektionen) – 1962 habe es ja auch schon Krieg gegeben. China verstärke seit 2016 seine Präsenz im Himalaya. 20 indische Soldaten seien 2020 bei einer Auseinandersetzung getötet worden. Aus indischer Perspektive liefe diese Situation unter dem europäischen Radar; Indien fühle sich in Europa nicht wahrgenommen. Der mit Indien assoziierte Pakistan-Konflikt sei aufgrund des engen Bündnisses Pakistans mit China in Wahrheit nur ein Teil des Großkonflikts Indiens mit China. Hinzu käme, dass sich Indien durch Chinas „Neue Seidenstraße“-Projekt auch noch von Seeseite von chinesischen Flottenstützpunkten umgeben sehe. Diese bedrohliche Umzingelung durch die beiden Atommächte mache man sich in Europa gar nicht bewusst. Dennoch gebe es keine indischen Ambitionen, die sich gegen China richten könnten. Niemand erhebe etwa Ansprüche auf Tibet. Jedoch könnte Bhutan, das indischen Schutz genieße, und andere Regionen in der Himalaya-Region – früher als etwa Taiwan – Ziele chinesischer Aggression werden. Die Wachsamkeit gegenüber China setze sich entsprechend auch in der Innenpolitik fort: Tiktok und andere chinesische Apps seien z.B. verboten. Auch wäre Indien nie auf die Idee gekommen, Huawei in den Ausbau des 5G-Netzes einzubeziehen.
Das Verhältnis zu Russland sei ein besonderes. Die Sowjetunion unterstützte vor Jahrzehnten die Industrialisierung des Landes. Heute nutzen indische Streitkräfte russisches Gerät und Material. Das schaffe extreme Abhängigkeiten in der Bedrohungslage.
Der Ruf der USA sei in Indien eher schlecht, da sie über viele Jahrzehnte enge Beziehungen zu Pakistan unterhalten habe. Da aber ja China als wichtigste Bedrohung bewertet würde, sei Indien trotzdem froh über die militärische Präsenz der USA und europäischer Nationen im Indischen Ozean.
In den Beziehungen zwischen Indien und Deutschland/Europa fehle es hingegen beiderseitig an Wissen über den/die Anderen. Rein wirtschaftlich habe Deutschland aber einen vorzüglichen Ruf: Deutsche Produkte von Haribo bis Mercedes stünden für höchste Qualität, seien aber wegen hoher Zölle sehr teuer. Aber bei sechs Prozent jährlichem Wirtschaftswachstum erreichten immer mehr Inder auch einen Lebensstandard, der mit der europäischen Mittelschicht vergleichbar sei. Außerdem sei die indische Bevölkerung extrem jung – und vielfach sehr gut ausgebildet, etwa im IT-Sektor. Indische Fachkräfte für Deutschland zu gewinnen, könnte daher große Potenziale bieten.
Insgesamt, so fasste Dr. Haack als Fazit zusammen, könne man sagen: „Indiens Staatsziel ist Wohlstand, nicht Weltmacht.“
Das ganze Gespräch können Sie sich hier anschauen.
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