Wer nach Obamas Wahl erwartet hatte, dass er den versprochenen „Change“ in die politische Landschaft Amerikas bringen würde, der muss heute feststellen, dass dieser Change andere Urheber hat und auch anders als erwartet ausfiel: Die Tea-Party-Bewegung hat in ihrer Kompromisslosigkeit sicherlich den größten politischen Eindruck der Legislaturperiode hinterlassen. Für Obama bedeutet dies ein zähes Ringen um seine Prestigeprojekte und permanente Anfeindungen. Entsprechend stark sind seine Umfragewerte in den vergangenen drei Jahren abgefallen.
Für Christoph von Marschall, den Washington-Korrespondent des Tagesspiegels, ist die daraus resultierende kulturelle Teilung des Landes „brandgefährlich“. Eigentlich brauche das Land alleine schon wegen seiner Ausdehnung eine verbindende Politik. „Momentan erleben wir aber, dass die Leute nur noch in ihrer eigenen politischen Gruppe kommunizieren, ein Austausch findet fast gar nicht mehr statt“, so von Marschall.
Wegen der starken Polarisierung ist es aus seiner Sicht die zentrale Aufgabe der Präsidentschaftskandidaten, im nächsten Jahr die eigenen Wähler zu mobilisieren. Anders als im letzten Wahlkampf erwartet er zudem deutlich mehr „negative campaigning“ und Obamas Rückkehr zur Klassenkampfrhetorik. Im Moment werde der Präsident auch in den eigenen Reihen eher als Zauderer gesehen, der lediglich bei der Tötung Osama bin Ladens Entschlossenheit gezeigt hat. Dieses Image müsse Obama ablegen, wenn er eine zweite Amtszeit bekommen wolle.
Ganz gute Chancen für Obama sieht naturgemäß Michael Steltzer vom Executive Committee der Democrats Abroad Germany. „Ich bin mir sicher, dass keiner eine bessere Performance als US-Präsident hätte liefern können“, sagte er. Die Erwartungen an einen neuen politischen Messias seien von vorneherein unerfüllbar gewesen, betonte Steltzer. Positive Ergebnisse der Amtszeit seien unter anderem ein besser besetzter Supreme Court und eine Außenpolitik mit Perspektive.
Steltzer räumte jedoch ein, dass er George Bush jr. als Motivation für die demokratischen Wähler vermisst, und dass Obamas hervorragenden Reden manchmal nicht ausreichend Taten folgen. Deswegen forderte auch er, dass Obama gegen die Unerbittlichkeit der Republikaner im verbleibenden Jahr seiner ersten Amtszeit eine härtere Gangart einlegen müsse.
Über den republikanischen Herausforderer waren sich alle Redner des Vormittags einig: Mitt Romney hat die größte Konstanz in den Umfragen und gilt damit als wahrscheinlichster Herausforderer. Sara Taylor Fagen, die unter George Bush jr. White House Political Director war, sieht lediglich noch in Rick Perry eine Gefahr für die Romney-Kampagne – und auch das nur, wenn sich die anderen Interessenten frühzeitig verabschieden und es zu einem Zweierduell um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner kommt.
Fagen hatte die Aufgabe, den Konferenzteilnehmern über die Situation der Republikaner vor der Wahl zu berichten. Momentan beobachtet sie einen deutlichen Rückgang in der Unterstützung der Tea Party. „Das hängt damit zusammen, dass die Bewegung mit Michele Bachmann nun ein Gesicht hat, und dieses Gesicht gefällt vielen nicht“, sagte sie.
Insgesamt räumt sie den Republikanern allerdings eine gute Chance gegen Barack Obama ein. Dafür sprechen momentan auch die Zahlen – kein US-Präsident wurde je bei einer ähnlichen Arbeitslosenquote wie jetzt (neun Prozent) wiedergewählt, und auch der Misery-Index, die Zufriedenheit mit dem Kongress und der Zukunftsoptimismus der Amerikaner sind in Umfragen auf einem historischen Tiefstand.
Neben der Mobilisierung der Basis erwartet Fagen daher, dass sich die Wahl an den Wirtschaftsthemen entscheiden wird. Den härtesten Wahlkampf werden die zehn Swing States erleben, zu denen auch Florida und Ohio gehören, und die als wahlentscheidend gelten. „Wir hatten nun drei Wechselwahlen in Folge, und es ist durchaus wahrscheinlich, dass wir im November 2012 eine vierte erleben“, so Fagen. Mit Sicherheit lasse sich das aber 13 Monate vor der Wahl nicht sagen: „Das einzig Sichere in der Politik ist das Unerwartbare.“
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