Nicht zuletzt die Corona-Pandemie hat zu einer zunehmenden Isolation der Menschen in unserer Gesellschaft geführt. Doch auch bereits vor Corona wurde immer wieder empirisch nachgewiesen, dass sich immer mehr Menschen ab und zu einsam fühlten. Dieses Phänomen betrifft nicht nur Deutschland, sondern kann als globaler Trend verstanden werden – man denke nur einmal an die japanischen Hikikomori, eine Million Männer und Frauen, welche sich in ihren Wohnungen verbarrikadieren und den Kontakt zur Außenwelt meiden. Daraus ergaben sich u. a. die folgenden Leitfragen für die spätere Diskussion: Gibt es heutzutage mehr Einsamkeit gibt als früher? Bestehen Unterschiede im städtischen und ländlichen Raum? Trägt mangelnder religiöser Halt zur Einsamkeit bei? Außerdem wurden die gesellschaftlichen Auswirkungen von Einsamkeit beleuchtet und diskutiert, wie jede/r Einzelne/r dem Phänomen der Einsamkeit entgegensteuern kann und welche (kommunal-)politischen Instrumente hilfreich sein könnten.
An der Veranstaltung nahmen der Sozial- und Verhaltenswissenschaftler und Life Consultant Dr. phil. Hans-Arved Willberg und Natalie Klauser, Referentin der Konrad-Adenauer-Stiftung für den Fachbereich Demographischer Wandel teil. Eröffnet wurde die Veranstaltung durch Manuel Ley, dem Leiter des Herrmann-Ehlers-Bildungsforums Weser-Ems in Oldenburg.
Gleich zu Beginn der Veranstaltung stellte sich heraus, dass Einsamkeit ein mehrdimensionales Konstrukt ist, welches soziale und emotionale Isolation unterscheidet. Dabei sind emotional isolierte Menschen nicht zwingend auch sozial isoliert und vice versa. Die statistischen Befunde zur altersmäßigen Verteilung von Einsamkeit divergieren dabei: So zeigt sich oftmals, dass Senioren viel weniger einsam sind als klischeehaft unterstellt wird, während die jüngeren Generationen, insbesondere auch die Kinder, anfälliger für Einsamkeit sind. Natalie Klauser identifiziert u. a. die Urbanisierung und die Verschlechterung der Mobilität im ländlichen Raum, die zunehmende Individualisierung und auch die Digitalisierung als Treiber für Einsamkeit. Auch leben die Menschen in den Mega-Städten nach Dr. Willberg „eng beieinander aneinander vorbei“.
Problematisch daran ist, dass mit der Einsamkeit nicht nur ein erhöhtes Risiko für Erkrankungen wie Depressionen, Angst- oder Essstörungen, Demenz oder Alkoholmissbrauch einhergeht, sondern auch unser gesellschaftliches Zusammenleben und die Demokratie durch eine höhere Anfälligkeit für Populismus gefährdet werden kann.
Im Rahmen dieser Veranstaltung wurde auch diskutiert, ob und inwiefern ein mangelnder religiöser Halt zu Einsamkeit beitragen kann. Nach Dr. Willberg’s These ist jedoch eher ein allgemeiner Sinnverlust ausschlaggebend für Einsamkeit, da die Menschen einen Sinn und Antworten auf existenzielle Fragen ihres Daseins suchen – diesen jedoch nicht notwendigerweise in der Religion und im Glauben finden. Dennoch attestiert er für die letzten Jahrzehnte einen neuen Trend zu religiösen Kollektivismen. So scheinen einige Menschen ihr Mitwirken in streng religiösen Gemeinschaften als Mittel gegen Einsamkeit entdeckt zu haben.
Abschließend wurde überlegt, welche Instrumente eine Verringerung und Enttabuisierung von Einsamkeit unterstützen könnten. Hervorgehoben wurde u. a., dass Potenziale bei Wohlfahrtsverbänden und Kirchen sowie in der medizinischen Arbeit mit Patienten stärker genutzt werden sollten, um so einsame Menschen in sogenannte Einsamkeitsnetzwerke aufzunehmen und ihnen Hilfestellungen zur Bewältigung der Einsamkeit zu geben. Auch sollte innerhalb psychotherapeutischer Behandlungen Einsamkeit stärker fokussiert werden. Sowohl in städtischen als auch ländlichen Gebieten könnten architektonische Maßnahmen wie Mehrgenerationenhäuser oder gemeinschaftsfördernde Infrastrukturen diesem Phänomen vorbeugen. Auch wurde angeregt, sich an den Initiativen anderer Länder zu orientieren. So wurden beispielsweise die Plauderkästen in den Niederlanden, die Wochen der Einsamkeit in Frankreich und auch der Einsatz von Robotern in Altenheimen in Japan in den Blick genommen, wobei die Wirksamkeit dieser Instrumente aufgrund der bisherigen Forschungslage nicht eindeutig beurteilt werden kann. Einig war man sich darin, dass etwas gegen die zunehmende Einsamkeit der Bürgerinnen und Bürger unternommen werden müsse und eine nationale Strategie zur Eindämmung dieses Phänomens unabdingbar sei.
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